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Rassistische Beleidigungen im Fußball und deren Sanktionierung

Rassistische Beleidigungen im Fußball
© LHR Stockfotos

Rassistische Beleidigungen im Fußball gibt es immer wieder. Daher haben Fußballverbände auf den verschiedenen Ebenen eine ganze Reihe von Maßnahmen gegen Diskriminierung getroffen. Eine Übersicht:

Rassismus ist nicht nur gesamtgesellschaftlich, sondern auch im Fußball weit verbreitet. Eine Veröffentlichung der Vereinten Nationen spricht von rassistischen Vorfällen im Fußball, die sich in Deutschland, Österreich, Litauen, Schottland oderder Slowakei ereignet haben. Sportmedien hätten zudem über rassistische Zwischenfälle in Ländern wie Australien, Brasilien und Israel  berichtet.

Maßnahmen und Regeln der FIFA gegen Rassismus

2006 führte die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) neue Strafen für rassistische Beschimpfungen ein. 2017 wies die FIFA ihre Mitgliedsorganisationen an, neue Maßnahmen gegen Rassismus und Diskriminierung durchzusetzen. Dazu gehören Geldstrafen, Spielabbruch, Stadionverbot, Punkteabzug, Relegation in eine niedrigere Liga, das Verlieren eines Spiels oder die Disqualifikation.

Allgemein regelt Artikel 3 („Nichtdiskriminierung und Haltung gegen Rassismus“) der FIFA-Statuten, dass „Diskriminierung jeglicher Art gegen ein Land, eine Privatperson oder Personengruppen aufgrund ethnischer Herkunft…strengstens untersagt“ ist und durch „Suspendierung oder Ausschluss“ bestraft werden kann.

Artikel 15 des Disciplinary Code der FIFA regelt den Umgang mit Diskriminierungen. Der Disciplinary Code ist verbindlich für alle registrierten Fußballclubs und Spieler und muss von den FIFA-Mitgliedsorganisationen in ihrem eigenen Regelwerk inkorporiert werden . Nach Artikel 15 Nr. 1 Disciplinary Code soll jede Person, die die Würde eines Landes, einer Person oder einer Personengruppe durch verächtliche, diskriminierende oder herabwürdigende Worte oder Handlungen mit Bezug auf die Diskriminierungsmerkmale „Rasse, Hautfarbe, Ethnie, Nationalität“ verletzt, mit einem Ausschluss, der „mindestens zehn Matches oder eine bestimmte Zeitperiode dauert“ oder mit einer „anderen angemessenen Disziplinarmaßnahme“ sanktioniert werden.
Für den Fall, dass mehr als ein Fan an einer derartigen Handlungen beteiligt ist, sieht Artikel 15 Nr. 2 des Disciplinary Code ein „Spiel mit einer begrenzten Anzahl von Zuschauern und eine Strafe von mindestens 20.000“ Schweizer Franken vor für den beteiligten Verband oder Club. Für Wiederholungsfälle sind die Implementierung eines Präventionsplans, eine Geldstrafe, ein Punktabzug sowie ‚Geisterspiele‘ vorgesehen, aber auch das Verbot in einem bestimmten Stadion zu spielen.
Von den Mindeststrafen kann das zuständige Rechtsprechungsorgan nach Artikel 15 Nr. 3 Disciplinary Code abweichen, wenn der betroffene Verband oder Club einen umfassenden Plan gegen Diskriminierung und zur Verhinderung wiederholter Vorfälle vorlegt. Nach Art. 15 Nr. 4 Disciplinary Code haben Opfer von Rassismus das Recht, vor dem zuständigen Rechtsprechungsorgan als Partei aufzutreten, eine Stellungnahme als Opfer abzugeben und Berufung einzulegen. Nach Art. 15 Nr. 5 Disciplinary Code soll ein Spiel, das durch einen Referee wegen rassistischem Verhalten ausgesetzt wird, als verloren erklärt werden.

Null-Toleranz-Politik bei der UEFA

Die Union of European Football Associations (UEFA) verfolgt eine „zero tolerance“-Politik in Bezug auf Rassismus. Der europäische Fußball-Dachverband hat einen Plan ausgearbeitet, um Anti-Rassismus-Projekte in seinen Mitgliedsorganisationen zu unterstützen. Die UEFA erteilt nach eigenen Angaben Offiziellen zu jedem Match klare Anweisungen, wie mit potentiellem rassistischem Verhalten umzugehen ist. Die Offiziellen sollen Disziplinardokumente durchgehen, um zu überprüfen, ob einer der Clubs eine Historie rassistischen Benehmens hat. Außerdem sollen sie Ausdrucke rassistischer Symbole zum Match mitnehmen, die im Extranet für Spiel-Offizielle der UEFA gespeichert sind.

Die UEFA ruft ihre Delegierten auf, aufmerksam gegenüber jeglichen Formen rassistischen Verhaltens oder Bannern zu sein und die Entfernung rassistischer Banner zu verlangen. Außerdem sollen Delegierte Fotos von rassistischem Verhalten und Plakaten machen und Vorfälle im Delegiertenreport erwähnen.

Größte Anti-Diskriminierungs-Kampagne Europas

Der 1999 gegründete Verein Football Against Racism in Europe (FARE) bringt als Netzwerk Individuen, informelle Gruppen und Organisationen zusammen und will alle Formen von Diskriminierung angehen. FARE hat 150 Mitglieder in fast 40 europäischen Ländern, darunter Fangruppen, Nichtregierungsorganisationen, Amateurclubs und Graswurzel-Bewegungen. FARE richtet regelmäßig die größte Anti-Diskriminierungs-Kampagne Europas aus, die FARE-Fußball-Aktionswoche. Die Organisation ist Partner sowohl der UEFA als auch der FIFA. FARE produziert darüber hinaus Praxisleitfäden und Lehrmaterialien, monitort Fußballspiele und berichtet über Diskriminierungsfälle.

Fair Play als Grundpfeiler

Seit der Saison 2014/15 werden bundesweit Diskriminierungsvorfälle auf Deutschlands Fußballplätzen durch den Online-Spielbericht des Deutsche Fußball-Bunds (DFB) anhand von Angaben von Schiedsrichter:innen erfasst. Über den Tab „Vorkommnisse“ müssen nach den DFB-Regeln Schiedsrichter:innen eine Diskriminierung melden, wenn ein Beschuldigter die Menschenwürde einer Person oder einer Personengruppe durch herabwürdigende, diskriminierende oder verunglimpfende Äußerungen oder Handlungen, insbesondere in Bezug auf Hautfarbe, Abstammung oder Herkunft  verletzt. „Eine Person wegen ihrer Hautfarbe beleidigen“ ist laut DFB ein Beispiel für eine solche Situation.

Der DFB hat ein „Konzept zur Prävention und Bearbeitung von Gewalt- und Diskriminierungsvorfällen“ ausgearbeitet. Dieses beinhaltet im Bereich der Prävention Instrumente zur Früherkennung, die Erfassung von Rassismusvorfällen, die Stärkung von Ordner:innen sowie im Bereich der Bearbeitung von Vorfällen alternative Sanktionsmaßnahmen in der Sportgerichtsbarkeit sowie Vereinscoaching bei nicht sportgerichtsanhängigen Fällen, aber auch Beratung und Begleitung. Das Konzept sieht vor, dass Maßnahmen in Satzungen und Ordnungen und bei Präsidiums- und Vorstandsmitgliedern verankert werden und entsprechende Ansprechpersonen benannt und kommuniziert werden. Das Konzept ist fester Bestandteil des Masterplans Amateurfußball.

Im Rahmen von Fair Play und Gewaltprävention gibt es innerhalb der DFB-Mitgliedsverbände diverse Anlaufstellen für Diskriminierungsvorfälle.

Geht es nach dem Willen des DFB, sollen Fair Play-Förderung und Maßnahmen zur Prävention von Diskriminierung flächendeckend Einzug in die Qualifizierung von Schiedsrichter:innen und Trainer:innen erhalten. Der DFB und seine Landesverbände überarbeiten bestehende Schulungselemente, um diese Themen in den Lehrkanon der Aus- und Weiterbildungsinhalte einzubringen.

Kollektivstrafe gleich ‚Sippenhaft‘?

Bei der UEFA ist ein Heimspiel vor leeren Rängen, ein sogenanntes ‚Geisterspiel‘, eine gängige Strafe für rassistische Vorfälle.

2016 protestierten 100 nationale Dachverbände von Fußballfanorganisationen, Nationalmannschaftsorganisationen und Club-Fangruppen aus 18 europäischen Ländern in einem offenen Brief an die Mitglieder des UEFA-Exekutivkomitees gegen Kollektivstrafen. 2020 sprach sich die Deutsche Fußball-Liga gegen Kollektivstrafen im Fußball aus. Als Ultima Ratio in absoluten Ausnahmefällen könnten sie aber „in sportgerichtlichen Verhandlungen zwischen DFB und Clubs nicht komplett ausgeschlossen werden“. In anderen europäischen Ländern sei „dies zum Beispiel angesichts rassistischer Ausfälle ganzer Kurven angezeigt“ gewesen. 2017 erklärte der DFB, auf Kollektivstrafen gegen Fans verzichten zu wollen.

Spielabbrüche wegen rassistischer Vorfälle sind selten. So wurden etwa im Februar 2020 die Spiele zwischen den Würzburger Kickers und Preußen Münster nach einer Rassismus-Attacke gegen einen Würzburger und das Spiel zwischen FC Schalke 04 und Hertha BSC nach rassistischen Beleidigungen gegen einen Hertha-Profi nicht abgebrochen – auch wenn Schalke durch den DFB-Kontrollausschuss wegen unsportlichen Verhaltens seiner Anhänger mit einer Geldstrafe in Höhe 50.000 Euro belegt wurde. Häufig blieben rassistische Beleidigungen von Spielern ohne nennenswerte Konsequenzen, doch hier findet in jüngerer Zeit ein Wandel statt. Im Dezember 2021 wurde erstmals eine Partie – in diesem Fall des MSV Duisburg gegen den VfL Osnabrück in Duisburg – wegen eines rassistischen Vorfalls abgebrochen. Es handelte sich dabei um eine gemeinsame Entscheidung des Schiedsrichters und der beiden Vereine. Der Schiedsrichter verfasste nach dem Spiel einen Sonderbericht. Schon mehrmals wurden rassistische Beleidigungen gegenüber Spielern angezeigt, zuweilen wird aber kein Täter durch die Behörden ermittelt.

Man sieht also: An bestehenden Instrumenten, um den Fußballsport diskriminierungsfreier zu machen, mangelt es nicht. Letztlich kommt es darauf an, wie der Fußball gelebt wird und wie die bestehenden Möglichkeiten vor allem der Prävention genutzt werden.

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