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Mitarbeiter eines Bewertungsportals muss wegen negativer Bewertung ins Gefängnis – Justizskandal oder Werbegag?

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Die Bildunterschrift im Artikel des Magazins „Der Westen“ fasst es wie folgt zusammen:

„Rasmus Meyer arbeitet für ein Internet-Portal, in dem Kliniken bewertet werden. Er will Nutzerdaten nicht freigeben und soll deshalb 5 Tage in Beugehaft.“

Das klingt skandalös, aber was ist tatsächlich passiert?

Ein Beitrag in dem Internet-Portal, mit dem einer Ärztin in einem westfälischen Krankenhaus mehr sexuelles als berufliches Interesse an ihren Patienten unterstellt wurde, löste 2011 Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Dortmund wegen übler Nachrede aus. Ermittlungen gegen „Unbekannt“, denn der Zeuge Meyer weigert sich hartnäckig, den Namen des Verfassers zu nennen.

Zeugen sind allerdings verpflichtet, auf eine Ladung der Staatsanwaltschaft oder eines Gerichts dort zu erscheinen und Aussagen zu machen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, so kann die Pflichterfüllung durch Zwangsmittel (Zwangsgeld und Erzwingungshaft) erzwungen werden.

Herr Meyer weigert sich, den Namen des Autoren preiszugeben mit dem Argument, dass er sich als Journalist auf das presserechtliche Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 5 iVm § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO berufen könne. Die einfachgesetzlichen Beschlagnahmeverbote der StPO sollen Presseorgane vor staatlichen Übergriffen schützen und damit auf Basis der Pressefreiheit deren Funktionalität gewährleisten.

Auch die Augsburger Allgemeine berief sich erfolglos auf die Pressefreiheit

Über einen ähnlichen Fall hatten wir im Januar 2013 bereits berichtet. Die Augsburger Zeitung hatte sich damals geweigert, die Daten eines Nutzers des hauseigenen Onlineforums herauszugeben. Eine Durchsuchung der Redaktionsräume konnte damals nur durch die sofortige Herausgabe der gesuchten Informationen abgewendet werden. Der Fall hatte unter Juristen, wie zum Beispiel Thomas Stadler oder Nina Diercks, kontroverse Diskussionen ausgelöst. Die Durchsuchungsanordnung wurde schließlich für rechtswidrig erklärt. Dies allerdings, weil die Äußerungen des Forennutzers  “bei einer wertenden Gesamtbetrachtung” nicht strafbar gewesen seien und explizit nicht wegen der Verletzung des Schutzbereichs der Pressefreiheit.

Ist ein Bewertungsportal „Presse“?

In der vorliegenden Konstellation darf bereits bezweifelt werden, ob ein Mitarbeiter eines Bewertungsportals sich überhaupt auf die Pressefreiheit berufen kann. Darüber hinaus dürfte – ähnlich wie im Fall der Augsburger Allgemeinen – ein Beitrag in einem Internetportal, den der Nutzer ungefiltert selbst einstelle schwerlich dem Reaktionsgeheimnis unterfallen. Auch die immer wieder bemühte Verhältnismäßigkeit der Maßnahme steht – trotz der einschneiden Folgen für Herrn Meyer – außer Frage.

Die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme erfordert deren Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit. Unverhältnismäßig wäre es nach diesen Vorgaben, eine Person wegen des bloßen Verdachts einer üblen Nachrede ohne Vorwarnung einzusperren. Wenn aber die getätigte Äußerung und deren rechtswidriger Aussagegehalt feststeht und ebenfalls klar ist, dass diese Äußerung über ein von einem bestimmten Betreiber kontrolliertes Forum getätigt wurde und lediglich deren Urheber noch unbekannt ist, ist kein Grund ersichtlich, diese Information nicht mit den dafür vorgesehen Zwangsmitteln des Staates zu beschaffen, wenn derjenige, der über die Information verfügt, sich nach Aufforderung und nach Androhung von Zwangsgeldern schlicht weigert, diese herauszugeben. Am Beispiel des Onlineforums der Augsburger Allgemeinen haben wir die Einzelheiten dazu hier näher beleuchtet.

Das Landgericht Duisburg wies die Beschwerden von Herrn Mayer gegen die Beschlüsse, die ihm zunächst Zwangsmittel androhten und später Beugehaft gegen ihn verhängten, daher völlig zurecht ab. Meyer hat zwar offenbar sogar eine Verfassungsbeschwerde (Az. 1 BvR 2709/12) eingelegt. Diese hat allerdings keine aufschiebende Wirkung. Daher muss er die Beugehaft von 5 Tagen nun antreten, wenn das Ergebnis der Verfassungsbeschwerde ihm nicht zuvorkommt.

Wir gehen davon aus, dass die Verfassungsbeschwerde aus den oben genannten Gründen keinen Erfolg haben wird.

Pfiffiger Werbegag

Auch wenn hier demnach kein Justizskandal aufgedeckt werden wird, war das Vorgehen von Herrn Meyer ein schlauer Schachzug. Denn günstigere Werbung, noch dazu noch dazu unter dem Deckmantel des Verfechters der Pressefreiheit hätte sich das eher mäßig bekannte Portal www.klinikbewertungen.de kaum wünschen können. Herrn Meyer selbst droht demgegenüber keine echte Gefahr, auch wenn die Androhung von Beugehaft Martialisches vermuten lässt. Sobald Herr Meyer nämlich seinen Pflichten als Zeuge nachkommt, entfällt die Grundlage für die Vollziehung des Zwangsmittels unmittelbar. Er müsste in diesem Fall gar nicht ins Gefängnis bzw. käme sofort frei.

Nicht von ungefähr hat man dem Thema eine eigene Rubrik auf der Seite mit dem beeindruckenden Titel „Rechtsgeschichte“ gewidmet. Ob solche allerdings vom Verfassungsgericht tatsächlich geschrieben werden wird, ist wie gesagt, zweifelhaft. (la)

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