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Der FC Bayern und die Menschenwürde – Oder: Wann können Sportler gegen Medien vorgehen?

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© Selma Zoronjić

Noch nicht einmal Nicht-Fußballfans blieben davon verschont.

Ob man wollte oder nicht, hörte man man allenthalben: Der FC Bayern hat ein paar Fußballspiele nicht gewonnen. Um genau zu sein vier. In Folge. Verwirrung und Trauer sind groß.

Es häufen sich nicht nur Beschwerden von Fans des FC Bayern, die ihren Verein in der Tabelle nicht mehr ausfindig machen können, jedenfalls nicht mehr – wie gewohnt – auf den obersten Plätzen.

Auch die Verantwortlichen des Fußballklubs sind bewegt. Und zwar so stark, dass sie letzten Freitag eine Pressekonferenz einberiefen. Dort gab es dann heftige Medienschelte.

Abteilung Attacke: Unverschämt, respektlos, polemisch

Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge übte harte Kritik an der Berichterstattung über Spieler des Fußballvereins. Man werde sich „die herabwürdigende Berichterstattung nicht mehr bieten lassen“.

Als Beispiele nannte er Kommentare, wonach Jérôme Boateng (30) und Mats Hummels (29), angeblich ‚Altherrenfußball‘ spielen. Eine Altersgrenzendebatte hinsichtlich Ribéry und Robben bewertete er als „unverschämt und polemisch“. Zu etwas, was er über den Welttorhüter Manuel Neuer lesen musste, fehlten ihm nach eigenen Bekunden die Worte. Rummenigge sprach zudem von „respektlosen Kommentaren“, „falschen Fakten“ und Polemik, die keine Grenzen kenne. Gegen kritische Berichterstattung sei grundsätzlich nichts einzuwenden, diese müsse jedoch alle gleich behandeln. 

Nachdem er Artikel 1 des Grundgesetzes zitiert hatte („Die Würde des Menschen ist unantastbar“), teilte er mit, dass man sich „die herabwürdigende Berichterstattung nicht mehr bieten lassen“ werde. Man habe in diesem Sinne in den letzten zwei Wochen “zwei Unterlassungserklärungen per Gerichtsbeschluss” gegen den Springer-Konzern erwirkt. In Zukunft wolle man bei Falschmeldungen auch Gegendarstellungen einfordern. 

Zwei(erlei) Maß, bitte!

Bemerkenswert waren diese Attacken und Drohungen, weil es mit Hinblick auf vier verlorene Spiele in Folge nicht völlig fernliegend ist, dem sonst so vom Erfolg verwöhnten FC Bayern eine sportliche Krise zu attestieren und die Leistung einzelner Akteure in Frage zu stellen.

Ebenfalls interessant ist, dass Uli Hoeness in derselben Presskonferenz nur einige Minuten nach der vernichtenden Medienkritik einen ehemaligen Bayernspieler, Juan Bernat, der immerhin 76 Ligaspiele für die Bayern absolvierte, nicht nur kritisierte, sondern kein gutes Haar an ihm ließ:

”Als wir in Sevilla gespielt haben, war Juan Bernat fast alleine dafür verantwortlich, dass wir aus der Champions Leauge beinahe ausgeschieden sind. Da wurde entschieden, dass er verkauft wird“,

schimpfte Hoeneß. Bernat, habe damals

„einen Scheißdreck“

gespielt.

Die Führungsriege des FC Bayern bewertete aber nicht nur mit zweierlei Maß, sondern machte ihre Befunde zur Grundlage für eine Androhung rechtlicher Schritte gegen die vermeintlichen Ungerechtigkeiten. Spätestens dieser Schlenker ins Juristische gibt Anlass zu klären, wann Berichterstattung tatsächlich rechtswidrig und demnach zu unterlassen ist und was Betroffene dagegen unternehmen können.

Außerdem: Kann man eine Unterlassungserklärung “gerichtlich erwirken”? Was ist eigentlich eine Gegendarstellung? Sanktioniert diese, wie Herr Rummenigge suggeriert, nur ganz besonders schwerwiegende Verfehlungen?

Wann kann man sich erfolgreich gegen Äußerungen wehren?

Bei der Berichterstattung über Personen oder Ereignisse entsteht ein Spannungsfeld zwischen der in Art. 5 des Grundgesetzes (GG) festgelegten Meinungs- bzw.- Pressefreiheit sowie dem sich auf Art. 2 Abs. 1 und auf Art. 1 Abs. 1 des GG stützenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (kurz: APR) ist zwar im BGB nicht normiert, findet seine Anwendung aber in § 823 I BGB als sonstiges Recht. Dort ist er Ausdruck des verfassungsrechtlich geschützten Rechts auf Achtung und freie Entfaltung der Persönlichkeit im Zusammenhang mit dem Schutz der Menschenwürde gemäß Art. 1  Abs. 1  GG. Das APR umfasst unter anderem den Schutz der persönlichen Ehre. Der Rechteinhaber genießt Schutz vor Verleumdung, übler Nachrede und Beleidigung. 

Zu unterscheiden ist zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen.

Was ist eine Tatsachenbehauptung?

Ob eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung vorliegt, hängt wesentlich von dem Aussagegehalt der Äußerung ab. Hier wird eine Prüfung leider oftmals bereits unsauber. Denn der Aussagegehalt einer Äußerung bemisst sich nicht danach, was sich ein Äußernder bei Tätigung der Aussage denkt und wie er diese Äußerung verstanden wissen will, sondern danach, wie diese von einem verständigen Durchschnittsempfänger verstanden werden muss. 

Ist der Aussagehalt einer Äußerung dem Beweis zugänglich, stellt die Äußerung eine Tatsachenbehauptung dar. Ist diese Behauptung dann außerdem unwahr, ist sie angreifbar.

Beispiel: „Der Ball ist rund und das Spiel dauert 90 Minuten.“, Sepp Herberger

Dabei handelt es sich um eine (wahre) Tatsachenbehauptung, weil nach objektiven Kriterien verifizierbar.

Was ist eine Meinungsäußerung?

Im Gegensatz zur Tatsachenbehauptung misst eine Meinungsäußerung einen Vorgang oder Zustand an einem vom Kritiker gewählten Maßstab. Es kommt darauf an, ob die Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder des Meinens geprägt ist. Auf den Wert, die Richtigkeit oder die Vernünftigkeit der Äußerung kommt es nicht an.

Beispiel: „Fußball ist wie Schach. Nur ohne Würfel“, Lukas Podolski

Mit Rücksicht auf die Meinungsfreiheit ist der Begriff der Meinung in Art. 5 Abs. 1 GG grundsätzlich weit zu verstehen: Sofern eine Äußerung durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, fällt sie in den Schutzbereich des Grundrechts. Das muss auch dann gelten, wenn sich diese Elemente, wie häufig, mit Elementen einer Tatsachenmitteilung oder -behauptung verbinden oder vermischen, jedenfalls dann, wenn beide sich nicht trennen lassen und der tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung in den Hintergrund tritt.

Meinungsäußerungen genießen aufgrund Art. 5 GG einen weitgehenden Schutz, sodass nicht jede für den Betroffenen unangenehme Meinungsäußerung auch zugleich eine Ehrverletzung ist. Daher muss sich ein jeder grundsätzlich auch negative Kritik bis zu einem gewissen Maß gefallen lassen.

Seine Grenzen erfährt der Schutz der Meinungsäußerung jedoch dort, wo die Ehre durch herabsetzende, diffamierende Äußerungen, wie zum Beispiel durch Schmähkritik oder Formalbeleidigungen verletzt wird.

Was ist Schmähkritik?

Die Schmähkritik ist eine Äußerung, bei der nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Die Grenzen der Schmähkritik sind fließend. Fäkalbeleidigungen und Beleidigungen “unter der Gürtellinie” sind in der Regel verboten. Aber auch krasse und dsratische Äusserungen können noch zulässig sein, wenn sie einen Sachbezug haben. 

Als prominentes Beispiel kann hier auf das “Schmähgedicht” von Jan Böhmermann über den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan verwiesen werden. Obwohl krass und mit Schimpfworten versehen, war dies eventuell geschmacklos aber doch rechtlich zulässig. Es wurde zwar vom Landgericht Hamburg (auszugsweise) – vom OLG Hamburg bestätigt – verboten. Dabei handelt es sich jedoch um Fehlentscheidungen, die der Bundesgerichtshof korrigieren wird.

Wie die Führungsriege des FC Bayern auf der Pressekonferenz selbst eingeräumt hat, geht sie selbst nicht immer besonders respektvoll mit Pressevertretern, (ehemaligen) Spielern und Geschäftspartnern um. Das mag schlechter Stil sein, ist aber nicht rechtswidrig. Denn das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt auch eine scharfe, sogar übersteigerte Kritik, solange (irgendein) Sachbezug erkennbar ist. Letzterer dürfte immer dann vorliegen, wenn ein Fußballer aufgrund seiner (vermeintlich) schlechten Leitungen auf dem Platz kritisiert wird.

Wer kann sich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR) berufen?

Das APR schützt naturgemäß grundsätzlich nur natürliche Personen. 

Der FC Bayern, der als eingetragener Verein bzw. in Gestalt eines Fußballunternehmens als Aktiengesellschaft organisiert ist, kann sich daher darauf nicht berufen. Es ist allerdings anerkannt, dass sich auch Kapitalgesellschaften auf Teile des Schutzes des APR in Gestalt des so genannten Unternehmepersönlichkeitsrechts berufen können sollen.

Der FC Bayern hat keine Menschenwürde

Dies allerdings nur insoweit, als sie aus ihrem Wesen als Zweckschöpfung des Rechts und ihren Funktionen dieses Rechtsschutzes bedürfen. Das ist insbesondere der Fall, wenn sie in ihrem sozialen Geltungsanspruch als Arbeitgeber oder als Wirtschaftsunternehmen betroffen werden. Da sich Unternehmen nur auf Art. 2 Abs. 1 GG – und nicht auch noch Art. 1 Abs. 1  GG – berufen können, ist das Unternehmenspersönlichkeitsrecht schwächer ausgestaltet als das APR natürlicher Personen. Juristische Personen haben keine Menschenwürde. Und das – jetzt heißt es, tapfer sein – gilt auch für den FC Bayern.

Angesprochene Spieler, Trainer oder sonstige Organe des FC Bayern können sich demgegenüber natürlich auf ihr Persönlichkeitsrecht berufen. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Leistungen eines Fußballers oder Trainers, ähnlich wie bei anderen Berufsgruppen, in der Sozialsphäre erbracht werden und damit auch grundsätzlich ohne diesbezügliche Beschränkung kritisiert werden dürfen.

Der Kritiker muss sich mit Hinblick auf den etwas raueren Ton, der im Fußball herrscht, z.B.

„Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß“, Andi Brehme

und die inszenierte bzw. jedenfalls bewusst geförderte Emotionalisierung der Berichterstattung, z.B.

„Ich hatte vom Feeling her ein gutes Gefühl“, Andreas Möller

grundsätzlich auch in Bezug auf die Art und Weise der Kritik nicht zurückhalten.

Manche haben es persönlichkeitsrechtlich etwas schwerer

Personen, die in der Öffentlichkeit stehen und dort selbst nicht gerade zimperlich auftreten, können sich zudem womöglich nicht in gleicher Weise auf das ihnen grundsätzlich zustehende Persönlichkeitsrecht berufen.

Ob die Herren Rummenigge und Hoeneß zu diesem Personenkreis zählen, ist zwar nicht gewiss, jedenfalls hat das Landgericht Berlin zum Beispiel Kai Diekmann, damals Chefredakteur der BILD, in einem Fall eine Geldentschädigung versagt, da er selbst – vereinfacht gesagt – für häufig persönlichkeitsrechtsverletzende Beiträge in der BILD verantwortlich sei, davon auch persönlich finanziell profitiere und daher weniger schwer durch die Verletzung seines eigenen Persönlichkeitsrechtes belastet werde (LG Berlin, Urteil v. 19.11.2002, Az. 27 O 615/02).

Dieter Bohlen sollte sich der Auffassung des Amtsgerichts Hamburg zufolge nicht gegen die Bezeichnung als „arme Sau“ wehren dürfen, da er unbestrittenerweise in der Öffentlichkeit für sein Selbstbewusstsein und sein harsches Umgehen mit anderen bekannt sei, demgegenüber jedoch tatsächlich weit weniger gut mit eigenen Rückschlägen und Niederlagen umzugehen vermöge (AG Hamburg, Urteil vom 19.7.2012, Az. 32 C 57/12).

Was ist eine Unterlassungserklärung?

Die Unterlassungserklärung ist eine freiwillige Möglichkeit für den Adressaten einer Abmahnung, sich einem Rechtsstreit zu entziehen. 

Im Verstoßensfalle droht dem Schuldner zwar keine “Strafe” (im strafrechtlichen Sinne), aber doch eine sogenannte Vertragsstrafe, d.h. eine Geldzahlung, deren Höhe der Schuldner zudem in seiner eigenen Erklärung entweder selbst bestimmen oder durch den sogenannten Hamburger Brauch in das Ermessen eines Gerichts legen kann. Die Vertragsstrafe “droht” wiederum aber auch nur, wenn der Schuldner sich an die selbst bestimmte Unterlassungsverpflichtung nicht hält.

Demgegenüber kann ein Gericht in einem Beschluss oder Urteil dem Schuldner nur ein Ordnungsgeld (bzw. -haft) androhen, das er bei einem Verstoß an die Staatskasse zahlen muss. Der FC Bayern hat damit mit Sicherheit weder in den letzten zwei Wochen noch überhaupt irgendwann eine “Unterlassungserklärung vor Gericht erwirkt“.

Was ist eine Gegendarstellung?

Die Gegendarstellung schließlich ist Ausfluss des APR und gibt dem Einzelnen die Möglichkeit, auf die Darstellung seiner Person in der Öffentlichkeit, insbesondere in den Medien, Einfluss zu nehmen. Sinn und Zweck des Gegendarstellungsrechts ist es, für „Waffengleichheit“ zwischen den Medien und dem Betroffen sorgen.

Wer in einer Zeitung oder im Internet schlecht gemacht wird, soll eine Möglichkeit erhalten, im demselben Medium und mit gleicher publizistischer Wirkung das falsche Bild zurechtzurücken. Sie kommt überhaupt nur bei Tatsachenbehauptungen in Betracht.

Eine Gegendarstellung setzt allerdings nicht voraus, dass die betreffenden Behauptungen falsch sind. Auch wenn sie für das betroffene Presseunternehmen (Gegendarstellungen betreffen im Einzelfall sogar Internetblogs) einen gewissen Lästigkeitswert haben mag: Der von Herrn Rummenige erweckte Eindruck, dass es sich bei der Gegendarstellung um ein Mittel der Sanktion ganz besonders schwerwiegender Verstöße handele, trifft demnach nicht zu. Sie muss sich ausserdem sehr knapp halten und sich auf die eigene Schilderung des Sachverhalts beschränken.

Fazit

Die Bayern sollten in einer Phase, in der zu wenig Glück noch Pech dazukam, den Sand nicht in den Kopf stecken. Es muss gestattet sein, Medienvertretern verbal ein paar Worte zu sagen. Allerdings: Jede Seite hat zwei Medaillen und es gehört im Fußball einfach dazu, dass vieles immer wieder von den Medien hochsterilisiert wird.

Juristisch gilt ohnehin: Mal verliert man und mal gewinnen die anderen.

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