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Bundesverfassungsgericht: Bezeichnung von DDR-Widerstandskämpfer als „Terrorist“ von Meinungsfreiheit gedeckt

Bundesverfassungsgericht DDR Meinungsfreiheit
© kamasigns – fotolia.com

Im Jahre 2013 hatte der Betreiber einer Website den DDR-Widerstandskämpfer Johann Burianek auf seiner Homepage als „Banditen“ und „Anführer einer terroristischen Vereinigung“ bezeichnet.

Er wurde daraufhin vom Landgericht Berlin zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.200 Euro verurteilt (LG Berlin, Urteil v. 18.3.2013, Az. (574) 231 Js 2310/11 Ns (145/12)). Das Bundesverfassungsgericht hob diese Entscheidung nun auf.

Betroffener erhebt Klage in Karlsruhe

Gegen das Urteil legte der Kläger Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht ein. Ausgangspunkt war das im Jahre 2005 aufgehobene Todesurteil gegen Burianek. Dieser war nach einem Schauprozess im Jahre 1952 hingerichtet worden. Burianek wurden vom DDR-Gericht Spionage, Brandschlag, sowie die Planung eines Sprengstoffattentates vorgeworfen.

Über diese Rehabilitation empörte sich der Kläger öffentlich im Internet: Neben den Bezeichnungen Burianeks als Banditen und Terroristen gab dieser an, die Bundesregierung verharmlose so Terror und Gewalt gegen den DDR-Staat.

Das Landgericht Berlin hatte diese Aussagen zuvor noch als nicht von der Meinungsfreiheit gedeckte Schmähkritik angesehen, da hier Burianek lediglich auf einen Straftäter reduziert werde – vorrangiges Ziel sei gewesen, diesen zu verunglimpfen.

Bundesverfassungsgericht revidiert Berliner Urteil 

Die Karlsruher Richter entschieden jedoch anders: Dem Autoren sei es nicht vorrangig darum gegangen, den Widerstandskämpfer persönlich anzugreifen. Vielmehr habe er zum Ausdruck bringen wollen, die Bundesregierung betreibe einseitige Aufarbeitung – ein aus politischer Voreingenommenheit doppelbödiger Umgang mit der DDR-Vergangenheit sollte dargelegt werden.

Nach Ansicht des Verfassers hatte die damalige Regierung ein legitimes Interesse an der Strafverfolgung Burianeks, weswegen er die Rehabilitation anprangere – diesen Standpunkt sah das Verfassungsgericht als zentrale Aussage des Autors an. Unabhängig von der Nachvollziehbarkeit dieser Sichtweise sei diese von der Meinungsfreiheit gedeckt. Dieses Grundrecht gelte abseits davon, ob sich Äußerungen als wahr oder unwahr herausstellen, ob sie begründet oder grundlos, emotional oder rational seien. Zwar bezeichneten die Verfassungsrichter das Urteil von 1952 gegen Burianek als „grob rechtsstaatswidrig“ und „unangemessen hart“, an der aktuellen Entscheidung ändere dies aber nichts.

Die Meinungsfreiheit des Autors überwiege auch das postmortale Persönlichkeitsrecht des Widerstandskämpfers: Dessen Schutzzweck sei sei ein nachhaltiger Geltungsanspruch der Person, dieser lasse sich aber nicht auf eine objektive politische Bewertung historischer Fakten erweitern (BVerfG, Beschluss v. 24.1.2018, Az. 1 BvR 2465/13). Die Erben müssen die Aussagen somit als persönliche Einschätzung des Klägers hinnehmen.

Herabsetzende Meinungsäußerungen sind nicht immer erlaubt

So hat das Bundesverfassungsgericht im Jahre 2013 entschieden, dass eine Ex-Politikerin aus Bayern u.a. nicht als „durchgeknallt“ bezeichnet werden dürfe.

Streitgegenständlich war ein Beitrag eines BILD-Kolumnisten in Bezug auf eine Ex-Politikerin aus Bayern, der in den folgenden Sätzen gipfelte:

„Ich sage es Ihnen: Sie sind die frustrierteste Frau, die ich kenne. Ihre Hormone sind dermaßen durcheinander, dass Sie nicht mehr wissen, was wer was ist. Liebe, Sehnsucht, Orgasmus, Feminismus, Vernunft.

Sie sind eine durchgeknallte Frau, aber schieben Sie Ihren Zustand nicht auf uns Männer.“

Dabei war nach Auffassung des Gerichts zu berücksichtigen, dass es sich um einen bewusst als Verletzung gewollten Text handelte, der nicht Ausdruck einer spontanen Äußerung im Zusammenhang einer emotionalen Auseinandersetzung sei. Auch bleibe es der dortigen Beklagten unbenommen, sich – auch zugespitzt und polemisch – zu dem Verhalten der Beschwerdeführerin zu äußern.

Die in den Intimbereich übergreifende Verächtlichmachung der Beschwerdeführerin durch die fragliche Beschreibung sei jedoch mit dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin nicht mehr vereinbar.

Wie sich die rechtliche Beurteilung von Kritik an Unternehmen und Produkten darstellt, kann hier nachgelesen werden.

Meinungsfreiheit in aller Konsequenz weit auszulegen

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht im vorliegenden Fall ist zu begrüßen: So wenig nachvollziehbar die Ansicht des Autors ausfallen mag, die Meinungsfreiheit stellt – insbesondere im Rahmen politischer Auseinandersetzungen mit historischen Ereignissen – unabhängig von Qualitätsfragen ein wichtiges Recht in einem funktionierenden Rechtsstaat dar.

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