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LG Hamburg unterstreicht die Rechte von Dokumentarfotografen

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Urheberrechte Dokumentarfotografie
Photo by Ailbhe Flynn on Unsplash

Dokumentarfotografen haben eine bedeutende Aufgabe: Sie bilden die Wirklichkeit ab.

Zwar zeigen auch ihre Werke immer nur einen Ausschnitt der Realität, die dem Betrachter bekannt sein muss, um das Bild richtig zu kontextualisieren, doch unterscheiden sie sich von Kunstwerken in der Regel durch ihre zeitgeschichtliche Bedeutung.

Sie dienen im Diskurs als Beleg für tatsächliche Umstände bei Ereignissen von gesellschaftlicher Relevanz. Wenn etwa darüber gestritten wird, wie viele Menschen eine bestimmte Veranstaltung besucht haben, ist Bildmaterial hilfreich, um diese Frage zu klären.

Von der Anti-Kernkraft-Bewegung zur Werbung für ein Restaurant

Werden Dokumentarfotos hingegen bewusst aus dem Zusammenhang gerissen und zudem noch bearbeitet, um damit zu werben, ist ihr Zweck vollends auf den Kopf gestellt. So geschehen mit Bilder des Fotografen Hinrich Schultze, der sich mit ausdrucksstarken Bildern von Demonstrationen der Anti-Kernkraft-Bewegung einen Namen als Dokumentarfotograf gemacht hat. Ohne seine Erlaubnis hatte nun ein Restaurantbetreiber Fotos aus dieser Zeit bearbeitet und benutzt, um sein Angebot an Speisen und Getränken zu bewerben. Als Schultze davon erfuhr, sah er seine Rechte als Dokumentarfotograf verletzt.

Das Landgericht Hamburg teilte seine Auffassung (LG Hamburg, Urteil v. 14.8.2020, Az.: 308 O 236/19). Es verurteilte den Restaurantbetreiber auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 7185 Euro (plus außergerichtlicher Anwaltskosten). Der Schaden liege, so das LG Hamburg, in der Entstellung der Fotos insbesondere in Bezug auf deren inhaltliche Aussage, was eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Urhebers darstellt, der zudem noch nicht einmal namentlich genannt wurde (Verletzung des Urhebernennungsrechts, § 13 UrhG).

Bearbeitung bedarf ausdrücklicher Genehmigung des Urhebers

Vor allem die Bearbeitung war es, die das Gericht veranlasste, der Klage vollumfänglich stattzugeben. Die Richter betonten in der Urteilsbegründung, dass selbst in dem Fall, dass der Fotograf in die Veröffentlichung der Fotos auf der Webseite eingewilligt hätte, keine Einwilligung in die Bearbeitung der Bilder vorläge; diese bedarf immer der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers (§ 23 Abs. 1 S. 1 UrhG).

Ferner seien Bearbeitungen von Dokumentarfotos überhaupt nur dann vom Recht auf „freie Benutzung“ (§ 24 UrhG) gedeckt, wenn sie diskursive Funktion erfüllen, also etwa als sozialkritische Parodie auf aktuelle Probleme aufmerksam machen wollen und sich dazu – möglicherweise bekannter – Werke mit Wiedererkennungseffekt bedienen, um durch die satirische Verfremdung ihre eigene politische Botschaft zu verstärken.

Gute Gründe, von Entstellung der Fotos zu sprechen

Das sei hier nicht der Fall, so das LG Hamburg. Vielmehr stellte es fest, dass die Bearbeitung durch den Restaurantbetreiber einen massiven ästhetischen Eingriff in das Werk darstelle, politische Aussagen im ausschließlich eigenen wirtschaftlichen Interesse zu Werbeaussagen umgestalte, Haltung und Anliegen der abgebildeten Personen verrate und damit letztlich auch das besondere Vertrauensverhältnis zwischen dem Fotografen Hinrich Schultze und der Anti-Kernkraft-Bewegung belaste.

Schwerwiegende Aspekte der Bearbeitung, von denen bereits jeder für sich genommen als Grund dafür ausreichte, den Schaden in voller Höhe anzuerkennen, was das LG Hamburg ja auch tat. Allerdings ist dessen Urteil noch nicht rechtskräftig; die Berufung zum Hanseatischen Oberlandesgericht ist möglich.

Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.

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