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Volltext liegt vor: Die Jameda-Entscheidung des BGH

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Am 20.02.2018 entschied der Bundesgerichtshof (BGH) erneut über einen Jameda-Fall (Az. VI ZR 30/17). Über die Entscheidung und möglichen Konsequenzen berichteten wir bereits. Nun liegt das Urteil auch im Volltext vor.

Unterschied zu den bisherigen Fällen

Gegenstand der aktuellen Entscheidung war im Gegensatz zu den bisherigen Jameda-Entscheidungen des BGH, dass die Beklagte neben einem Basisprofil auch ein „Premium Paket“ für bewertete Ärzte anbietet. „Vorteil“ des kostenpflichtigen „Premium Pakets“ ist u.a., dass die Beklagte keine Anzeigen konkurrierender Ärzte auf dem Profil der für das Paket zahlenden Ärzte einblendet.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts entschied der BGH erstmalig in einem Jameda-Fall, dass die Klägerin als Ärztin gegen die Beklagte als Betreiberin der Bewertungsplattform einen Anspruch auf Löschung ihrer auf der Internetseite www.jameda.de veröffentlichten Daten hat. Darüber hinaus urteilte der BGH, dass die Beklagte die Veröffentlichung eines die Klägerin betreffenden „Profils“ künftig zu unterlassen habe.

Speicherung der Daten unzulässig

In dem vorliegenden Fall beurteilte der BGH die Speicherung der personenbezogenen Daten der Klägerin als unzulässig nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG. Nach dieser Vorschrift ist das 

„geschäftsmäßige Erheben, Speichern, Verändern oder Nutzen personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung (…) zulässig, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung hat.“

Der Begriff des „schutzwürdigen Interesses“ verlangt eine Abwägung des Interesses der Klägerin an dem Schutz ihrer Daten und des Stellenwerts, den die Offenlegung und Verwendung der Daten für sie hat, mit den Interessen der Nutzer, für deren Zwecke die Speicherung erfolgt.

Zwar seien die sog. Basisdaten wie akademischer Grad, Name, Fachrichtung, Praxisanschrift sowie praxisbezogene Informationen allgemein zugänglichen Quellen entnommen worden. Der Einzelfall erfordere aber eine Würdigung der Zulässigkeit im Zusammenhang mit der Speicherung der Bewertungen.

Im Ergebnis überwiegt das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) das Recht der Beklagten sowie der Interessen der Portalnutzer auf Kommunikationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK.

Grundsätze bleiben bestehen

In seiner Entscheidung betont der BGH auch, dass die aktuelle Entscheidung nicht von den Grundsätzen der bisherigen (Jameda-)Rechtsprechung abweiche (insbesondere: BGH, Urteil v. 23.09.2014, Az. VI ZR 358/13). 

Allerdings finden diese Grundsätze in dem vorliegenden Fall keine Anwendung. Die Beklagte verschafft durch die geschalteten Anzeigen, die sie Ärzten auf ihrem an potentielle Patienten gerichteten Bewertungsportal anbietet, einzelnen Ärzten verdeckte Vorteile. Das Profil nicht zahlender Ärzte wird zu einer Werbeplattform zahlender Konkurrenten. Dadurch wahrt die Beklagte nicht ihre Stellung als „neutraler“ Informationsmittler wie es in den bisherigen zu entscheidenden Fällen war.

Mit dem Angebot des „Premium Pakets“ und dessen Serviceleistungen sollen Ärzte mit Basisprofilen gezielt dazu bewegt werden, ebenfalls die kostenpflichtigen Serviceleistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen, um nicht benachteiligt zu werden.

Auf den Einzelfall kommt es an

Das Urteil des BGH arbeitet deutlich die Unterschiede zu den bisherigen Fällen heraus und verdeutlicht, dass eine Löschung des Profils vom Einzelfall abhängig ist.

Die Behauptung von Jameda, dass Ärzte nach wie vor ihre Profile nicht löschen lassen könnten, ist nicht allgemeingültig. Vielmehr lässt sich aus der Entscheidung ableiten, dass es Ärzten, die lediglich über ein Basisprofil verfügen und nicht für das „Premium Paket“ zahlen, möglich ist, ihr komplettes Profil auf jameda.de löschen zu lassen.

Es bleibt abzuwarten, ob Jameda sein Geschäftsmodell der Ungleichbehandlung von Ärzten auf Grund des Urteils korrigiert.

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Ausblick für den Geltungsbereich der DSGVO

Die am 25.5.2018 in Kraft tretende DSGVO wird zwar teilweise strengere Regelungen und auch ein novellierte BDSG mit sich bringen. An der vorliegenden „Jameda“-Entscheidung des BGH lässt sich jedoch erkennen, dass sich für die vorliegenden Fälle auch ab diesem Zeitpunkt nicht viel ändern wird.

Ausgangspunkt der Rechtsprechung zu Bewertungsportalen bildet die so genannte spickmich.de-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2009 (BGH, NJW 2009, 2888 – spickmich.de). Dort stellte der auch hier zur Entscheidung berufene VI. Senat bereits klar, dass die öffentliche „Bewertung“ von natürlichen Personen (dort: Lehrer) insbesondere datenschutzrechtlich zulässig ist.
Im Juli 2014 entschied derselbe Senat, dass dem Betroffenen einer Bewertung kein Auskunftsanspruch hinsichtlich der Daten des betreffenden Nutzers zusteht, dieser somit anonym agieren darf (BGH, NJW 2014, 2651 – Ärztebewertungsportal I).
Kurze Zeit später stellte der BGH fest, dass ein Arzt nicht verlangen kann, dass seine Daten aus einem Bewertungsportal entfernt werden (BGH, NJW 2015, 489 – Ärztebewertungsportal II). Datenschutzrechtliche Bedenken bestünden nicht, vielmehr gebe es sogar ein öffentliches Interesse an Informationen über ärztliche Leistungen.
Kern der Entscheidung war stets eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse des Betroffenen an dem Schutz seiner Daten und des Stellenwerts, den die Offenlegung und Verwendung der Daten für ihn hat, mit den Interessen der Nutzer, für deren Zwecke die Speicherung erfolgt.
Das wird sich wohl auch in Zukunft nicht ändern. Im Gegenteil. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO wird lauten:

„Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist: (…)

die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.“

Danach wird eine Datenverarbeitungstätigkeit rechtmäßig sein, je eher eine Datenverarbeitungstätigkeit als üblich, alltäglich oder bekannt gilt, desto eher wird sie rechtmäßig sein. Hierzu können Web- bzw. Reichweitenanalysen mittels Google Analytics oder Piwik aber eben im Einzelfall auch Verabeitungsvorgänge in Bewertungsportalen gezählt werden.

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