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LG Hamburg erlässt einstweilige Verfügung gegen Twitter zu Gunsten Somalischer Journalisten wegen Fake-Account

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Das Landgericht Hamburg hat am 8.8.2018 eine einstweilige Verfügung gegen Twitter wegen Identitätsbetrugs in Form eines „Fake-Accounts“ erlassen.

Die Kammer hat Twitter damit verboten, ein Benutzerkonto weiter zugänglich zu machen, das den Namen einer Somalischen Journalistenvereinigung trug, ohne dazu berechtigt zu sein (LG Hamburg, Beschluss v. 8.8.2018, Az. 315 O 227/18).

Bei einer Zuwiderhandlung droht den Verantwortlichen ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 € oder Ordnungshaft.

Das Gericht hat einen Streitwert von 50.000,00 € festgesetzt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig und kann im Wege der Widerspruchs angegriffen werden. Zusätzlich könnte Twitter die Antragstellerin zur Erhebung der Hauptsacheklage zwingen.

Journalismus ist in Somalia gefährlich

Der Fall hat besondere Brisanz, da Journalisten in Somalia ihre Tätigkeit in einem sehr pressefeindlichen Klima ausüben. Einschüchterungen und Drohungen sind dort an der Tagesordnung. Der “Secretary General” der Somalischen Journalistenvereinigung entging im Jahr 2015 sogar nur knall einem Mordanschlag und kann sich seitdem nur noch mit Personenschutz frei bewegen. 

Somalia gehört für Journalisten seit Jahren zu den gefährlichsten Ländern der Welt. Die islamistische Schabab-Miliz lässt in ihrem Herrschaftsbereich nur politische und religiöse Propaganda zu, hat Dutzende Medienschaffende ermordet und Anfang 2014 die Nutzung des Internets verboten. In der Hauptstadt Mogadischu ist die Lage so gefährlich, dass manche Journalisten in ihren Redaktionsräumen wohnen, um unnötige Wege zu vermeiden. Regierung und Behörden drangsalieren unabhängige, kritische Medien mit Polizeirazzien, willkürlichen Festnahmen und Folter, Beschlagnahmungen und bürokratischen Schikanen.

Die Organisation “Reporter ohne Grenzen” geht dementsprechend davon aus, dass Somalia in einer Rangliste in Bezug auf die Einhaltung der Grundsätze der Pressefreiheit weltweit einer der allerletzten Plätze zugewiesen werden muss, nämlich der Platz 167 von 180.

Betrüger sammelten Spenden und EU-Gelder im Namen der Antragstellerin

Der Antragsteller hatte festgestellt, dass seit einiger Zeit zahlreiche Fake-Accounts auf Facebook, Twitter und anderswo unterhalten wurden, die durch zum Teil unbekannte Dritte in die Welt gesetzt wurden waren mit dem offenbar im Vordergrund stehenden Ziel, entsprechende Spenden oder andere Zuwendungen zu erschleichen und anderweitige betrügerische Aktivitäten zu entfalten, die –möglicherweise durch die Regierung Somalias initiiert bzw. unterstützt – darauf gerichtet sind, die Arbeit des Antragstellers zu behindern und zu diskreditieren.

Ein Internetbericht der bekannten Journalistenorganisation “Ver.di – Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union” belegt, dass die Antragsgegner auch in Deutschland bekannte und herausragende Institutionen “unter falscher Flagge” ansprechen und mit ihnen Kontakt halten. 

LHR liegen zudem Unterlagen vor, die belegen, dass auf diese Weise bereits erfolgreich eine Förderung aus EU-Mitteln in Höhe von 350.000 Euro erschlichen werden konnte. Ironischerweise ausgerechnet zur „Verbesserung des Journalismus durch Stärkung der Professionalität Somalischer Medien“.

Demokratie und Rechtsstaat sind keine Selbstverständlichkeiten

Vor diesem Hintergrund erschienen die aktuellen Vorkommnisse hierzulande zwar vergleichsweise harmlos:

Zum Beispiel wenn „Hutbürger“ durch zweifelhafte, lautstarke Vorwürfe erreichen können, dass Journalisten 45 Minuten zur Identitätsfestelltung festgehalten werden oder sich mit Chemnitz eine ganze Stadt im Ausnahmezustand befindet, weil ein rechter Mob eine schreckliche Gewalttat für seine Zwecke missbraucht.

Die Zustände anderswo sollten uns alle noch genauer hinsehen lassen, was gerade in unserem eigenen Land passiert. Demokratie, Rechtsstaat, Meinungsfreiheit und Pressefreiheit sind keine Selbstverständlichkeiten. Sie müssen beständig gelebt und verteidigt werden.

Offenlegung: Unsere Kanzlei hat die Antragstellerin vertreten.

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