Ordnungsmittelantrag und Dringlichkeit – Zu den Schwierigkeiten des einstweiligen Verfügungsverfahrens, Teil 1
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat aktuell einen Antrag auf einstweilige Verfügung zurückgewiesen (OLG Düsseldorf, Urteil v. 29.3.2018, Az. I-20 U 114/17).
Die Entscheidung beschäftigt sich vor allem mit der Dringlichkeit, die auch nachträglich noch entfallen kann, wenn der Gläubiger Verstöße gegen die einstweilige Verfügung kennt, jedoch dagegen nicht vorgeht.
Die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen ist nicht einfach
Die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen, wie sie im Markenrecht, Wettbewerbsrecht, Urheberrecht und Persönlichkeitsrecht hauptsächlich Gegenstand von Streitigkeiten sind, ist schwierig.
Bereits in dem folgenden Artikel aus dem Dezember 2017
hatten wir darauf hingewiesen, dass die Durchführung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens viele potentielle Fallstricke beinhaltet und daher viel Erfahrung und rechtliche Expertise erfordert. In dem dort beschriebenen Fall hatte das Landgericht Düsseldorf einen aus drei Teilen bestehenden einstweiligen Verfügungsantrag aus jeweils drei unterschiedlichen Gründen zurückgewiesen. Die Anträge seien unbestimmt, unbegründet und nicht dringlich.
Das einstweilige Verfügungsverfahren ist kompliziert
Elementare Voraussetzung für eine einstweilige Verfügung, die auch im vorliegenden Fall eine entscheidende Rolle spielt, ist die Dinglichkeit der Angelegenheit, deren Spanne je nach angerufenem Gericht zwischen 1 und 3 Monaten liegt. Sie wird zu Gunsten des Gläubigers zwar widerleglich vermutet. Kann der Schuldner allerdings darlegen, dass der Gläubiger den Verstoß schon früher kannte oder hätte kennen müssen, muss der Verfügungsantrag ohne Rücksicht auf die materielle Rechtslage zurückgewiesen werden.
Hier ging es allerdings nicht um den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Verstoßes, sondern um die Frage, ob die Dringlichkeit aufgrund bestimmter Umstände nachträglich entfallen kann. Der Reihe nach.
Hintergrund des aktuellen Falls
Der gleiche Whirlpool- und Saunahändler, der mit einer regelrechten Abmahnwelle gegen unterschiedliche Konkurrenten auf sich aufmerksam gemacht hatte und der bereits im Rahmen des oben erwähnten Verfahrens erfolglos versucht hatte, unsere Mandantin wettbewerbsrechtlich in Anspruch zu nehmen, hatte in einem weiteren Fall wieder einmal mal mit prozessualen Schwierigkeiten zu kämpfen.
Er hatte sich daran gestört, dass ein Mitbewerber mit der Angabe „Made in Germany“ für seine Produkte warb. Der Vorwurf: Wesentliche Bestandteile der Waren seien Zulieferteile, die im Ausland hergestellt würden. Nachdem das Landgericht das begehrte Verbot noch ausgesprochen hatte, hob das Oberlandesgericht die einstweilige Verfügung auf und wies den entsprechenden Antrag zurück.
Nicht dringlich mangels Ordnungsmittelantrags
Das Problem des Antrags bestand darin, dass die Antragsgegnerin nachweisen konnte, dass die Antragstellerin nach Erlass der Verfügung keinen Ordnungsmittelantrag gestellt hatte, obwohl sie von den vermeintlichen Verstößen bereits seit Monaten Kenntnis gehabt hatte. Damit habe die Antragstellerin nachträglich gezeigt, dass ihr Anliegen letztlich doch nicht dringlich gewesen sei.
Der Senat weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass es überwiegend anerkannt ist, dass es dringlichkeitsschädlich ist, wenn der Antragsteller zunächst eine einstweilige Verfügung erwirkt, von dieser dann aber trotz fortgesetzter Verstöße des Antragsgegners keinen Gebrauch macht. Sehe der Gläubiger seine Interessen als so gewichtig und so gefährdet an, dass es ihm unzumutbar ist, die mit der Einleitung eines Hauptsacheverfahrens einhergehenden Verzögerung in Kauf zu nehmen, müsse er in dem Fall, dass sich der Schuldner nicht an die gegen ihn erlassene und ihm gegenüber vollzogene einstweilige Verfügung hält, zur Wahrung eben dieser Interessen alles in seiner Macht stehende tun, den Schuldner von seinem Titel- und interessenverletzenden Handeln abzubringen. Das vom Gesetz für diesen Fall vorgesehene Instrument sei die Beantragung eines Ordnungsgelds, möge auch das Ordnungsmittelverfahren angesichts des dort zu gewährenden rechtlichen Gehörs für den Schuldner und der diesem eröffneten Beschwerdemöglichkeit nicht unverzüglich zu dem gewünschten Erfolg der rechtskräftigen Verhängung eines Ordnugndsgelds führen (OLG Düsseldorf, Urteil v. 29.3.2018, Az. I-20 U 114/17).
Fazit
Eine wieder einmal sehr instruktive Entscheidung, die auch deswegen erfreulich ist, weil sie dem immer wieder zu beobachtenden „Abmahnwahn“ einen Riegel vorschiebt. Oft werden die Mittel der Abmahnung und des einstweiligen Verfügungsverfahrens dazu benutzt, sich an missliebigen Mitbewerbern zu „rächen“ oder sie mit Kosten und Mehraufwand zu belasten und nicht, wie eigentlich vorgesehen, dazu, die Fairness im Wettbewerb wiederherzustellen.
Wie der vorliegende Fall zeigt, kann dieser sachfremden Motivation nicht nur mit dem Einwand des Rechtsmissbrauchs, sondern auch mit dem Einwand des zögerlichen Verhaltens begegnet werden. Dies insbesondere dann, wenn der Konkurrent seine wahren Motive dadurch offenbart, dass er seine Bemühungen nach Erhalt der einstweiligen Verfügung auf die Geltendmachung von Abmahn- und Verfahrenskosten beschränkt, obwohl der (vorgeschobene) Anlass für das Vorgehen, nämlich der (vermeintliche) Rechtsverstoß fortbesteht.
Offenlegung: Unsere Kanzlei hat die Antragsgegnerin vertreten.