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Gebrauchte Microsoft-Software: Der Verkauf von bloßen Produktschlüsseln bleibt problematisch – Praxistipp

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Das Landgericht Hamburg hat Anfang November eine einstweilige Verfügung gegen einen Händler von „Gebrauchtsoftware“  erlassen (LG Hamburg, Urteil v. 8.11.2017, Az. 416 HKO 179/17).

In der Entscheidung, die uns von einem hoch geschätzten Kollegen zur Verfügung gestellt wurde, wird dem Onlinehändler bei Meidung eines Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 € oder sogar Haft untersagt,

bloße Produktschlüssel für Microsoft-Software zu vertreiben und/oder anzubieten

a. ohne den angesprochenen Käuferkreis deutlich und unmissverständlich darüber aufzuklären, dass es sich bei dem verkauften Produkt um einen gebrauchten Produktschlüssel handelt,

b. ohne den Verbraucher darüber zu informieren, wie seine Rechte zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Programms ausgestaltet sind

wenn dies wie in Anlage ASt 2 wiedergegeben geschieht.

Das Gericht hat einen Streitwert von 20.000,00 € festgesetzt. Die Entscheidung ist im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens ergangen und ist noch nicht rechtskräftig.

Hintergrund

Anlass des Rechtsstreit war das Angebot der Software „Microsoft Office 2013 Professional Plus Multilingual“ zu einem auffällig niedrigen Preis von 8,80 € inkl. MwSt. auf der Plattform Hood.de. Die Software war dabei als „neu“ deklariert.

Zusätzlich befand sich in der Beschreibung der Hinweis, dass es sich dabei um „100 % Original-Ware“ handele und die „dauerhafte Benutzung ohne Probleme“ möglich sei.

Nicht nur die merkwürdig anmutenden Hinweise, sondern auch die Tatsache, dass die Software, die von Microsoft ausschließlich als Volumen- und nicht als Einzellizenz vertrieben wird, von offiziellen Handelspartnern von Microsoft für das 60-fache eingekauft werden muss und zB bei UsedSoft schon als „gebrauchte“ Version 173,20 € kostete, ließ die Antragstellerin bereits hellhörig werden.

Hinzukam, dass die Antragsgegnerin in ihrem Angebot nicht darüber informierte, wie der Käufer seine Rechte zur bestimmungsgemäßen Nutzung der Software nach dem Kauf ausüben konnte, in welcher Art die Lizenz ursprünglich eingeräumt und ob dem Ersterwerber eine Kopie der Software zur Verfügung gestellt wurde und der Käufer somit nicht erkennen konnte, inwieweit Erschöpfung des Verbreitungsrechts eingetreten sei.

Aufgespaltene Volumenlizenz ist nicht „neu“

Das Gericht befand, dass schon die Angabe „Neu“ eine unwahre und damit gem. § 5 Abs. 1, S. 2, Var. 1 UWG unzulässige Angabe und damit einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht darstellte. Dies deshalb, weil es bereits fraglich sei, ob eine zunächst vom Erstkäufer erworbene Volumenlizenz , die später von diesem in Einzellizenzen aufgespalten wird, noch als „neu“ gelten könne. Entscheidend sei jedoch der massive Preisunterschied zwischen der angebotenen Software und anderen vergleichbaren Angeboten derselben Software.

Angebot muss bestimmte Informationen enthalten

Außerdem – und das sei das Entscheidende – habe der Antragsgegner den Verbrauchern mehrere wesentliche Informationen vorenthalten.  Es sei notwendig gewesen, dem Verkäufer mitzuteilen, ob dem Erwerber eine verkörperte Kopie bereitgestellt wurde und an wen der Produktschlüssel von Microsoft ausgegeben wurde und ob mehrere Kopien erstellt wurde  und inwiefern diese vom ersten hessischen Erwerber bereits vernichtet oder den jeweiligen Folgeerwerber beendigt worden seien.

Als Begründung führt das Gericht aus, dass der Verkauf von „gebrauchten“ Produktschlüssel zwar gestattet sei, die Rechtsprechung dem Verkäufer jedoch gewisse Sorgfaltspflichten auferlegt habe, um den Käufer umfassend zu informieren. Während es der BGH in den Entscheidungen UsedSoft II und UsedSoft III dem Verkäufer freigestellt habe, ob er diese Informationen vor oder nach dem Lauf zur Verfügung stelle, habe das OLG Hamburg die Pflichten konkretisiert (OLG Hamburg, Beschluss v. 16.6.2016, Az. 5 W 36/16). Danach müsse der Verkäufer dem Käufer bestimmte, wesentliche Informationen bereits vor dem Kauf erteilen. Der Senat führt in seinem Beschluss dazu das Folgende aus:

Der Verbraucher, der sich für das Angebot interessiert, kann nicht nachvollziehen, wie sich die Lieferkette und die Berechtigung hinsichtlich der angebotenen Software darstellen. Er kann auch nicht darlegen, ob und an wen der Produktschlüssel, der entsprechend dem Angebot übermittelt werden soll, von Microsoft ausgegeben wurde und ob insoweit eine Erschöpfung des Urheberrechts, desVerbreitungsrechts i.S.d. § 69c Nr. 3 UrhG nach der o.g. Rspr. eingetreten ist. Des Weiteren kann der Verbraucher nicht beurteilen, in welcher Weise dem Erst- oder möglichen Zwischenerwerber eine oder mehrere Programmkopie(n) zur Verfügung gestellt worden sein könnten und ob, falls vorhanden, solche Programmkopie(n) vom Erst- oder Zwischenerwerber vernichtet bzw. dem jeweiligen Folgeerwerber ausgehändigt worden sein könnten.

Es handelt sich bei den o.g. Voraussetzungen der Erschöpfung des Verbreitungsrechts um Umstände, die dem Betrieb oder dem Verantwortungsbereich des Anbietenden zuzuordnen sind. Dieser hat Kenntnis davon, von wem er selbst das Vervielfältigungsstück erworben hat und er wird bereits im eigenen Interesse, nämlich für den Fall einer eigenen Inanspruchnahme durch Microsoft, die weiteren Daten über den Erst- bzw. Zwischenerwerber des angebotenen Vervielfältungsstücks besitzen und sich entsprechende Nachweise verschafft haben (vgl. LG Frankfurt/M., U. v. 20.4.2016). Der Anbietende weiß auch, dass ihn im Falle der Inanspruchnahme durch den Rechtsinhaber Microsoft dann, wenn er sich auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts und auf das Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung nach § 69d UrhG beruft, die Darlegungs- und Beweislast für deren Voraussetzungen trifft (vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 46 – UsedSoft III sowie BGH, a.a.O., Rdnr. 49 – Green-IT). Dies bedeutet, dass der Anbietende in der Lage ist, die entsprechenden Informationen zur Rechtekette und zu den Voraussetzungen der Erschöpfung des Verbreitungsrechts zu erteilen. Demgegenüber benötigt der Verbraucher insb. Informationen darüber, in welcher Art die Lizenz ursprünglich eingeräumt wurde und ob bereits dem Ersterwerber eine verkörperte Kopie bereitgestellt wurde oder nicht, um einschätzen zu können, ob er ein wirksames Nutzungsrecht an der Software erhalten kann.

Die Entscheidung ist kritikwürdig

Die Entscheidung des OLG Hamburg und damit auch die des Landgerichts kann man mit guten Gründen kritisieren. Denn die BGH-Entscheidungen, auf die sich der Senat bezieht, hatten Streitigkeiten zwischen Rechteinhaber und Softwarehändler zum Gegenstand. In dieser Situation trifft – worauf der Senat zutreffenderweise hinweist – den Händler die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtmäßigkeit seines Verhaltens. Das heisst, er muss entweder eine Erlaubnis des Rechteinhabers haben (das wird in der Praxis nicht der Fall sein) oder er muss die Erschöpfung der Rechte mit den dafür geeigneten Mitteln darlegen und beweisen.

Ob man daraus ableiten kann, dass der Verkäufer diese Pflichten auch anlasslos gegenüber seinem Vertragspartner treffen bzw., dass er diese sogar bereits vor Vertragsschluss erfüllen muss, ist zweifelhaft. In der „realen“ Welt käme ja auch niemand auf die Idee, dem Verkäufer von italienischen Markenschuhen aufzugeben, bereits in der Artikelbeschreibung die vollständige Rechtekette und damit alle Vorlieferanten anzugeben, um die markenrechtliche Erschöpfung zu dokumentieren. Dass das Angebot die Rechte des Markeninhabers nicht verletzen darf, ist selbstverständlich und bedarf – ohne Weiteres – auch keiner separaten Darlegung, geschweige denn eines Beweises.

Abgesehen davon erhält der Verbraucher vor dem Kauf sogar eines „neuen“ Software-Retailprodukts im Einzelhandel diese Informationen auch nicht, obwohl der (Zwischen-)Händler des Boxprodukts streng genommen ebenfalls als Ersterwerber der Software und der Käufer damit als Zweiterwerber gelten müsste. Sprich: Würde man die Vorgaben des OLG Hamburg ernst nehmen, müssten diese Informationen dem Verbraucher auch vor dem Kauf eines Produkts aus dem Regal des Media-Markts mitgeteilt werden.

Gänzlich ungeklärt ist in diesem Zusammenhang ohnehin die Frage, wie diese komplizierten Vorgaben an die Händler zur Darlegung der Erschöpfung mit dem Umstand zusammenpassen sollen, dass alle namhaften Softwarehersteller jedem, der die Installation der Software startet, einen eigenständigen Lizenzvertrag anbietet und diesen auch mit jedem abschließt, der den richtigen Produktschlüssel kennt und dann in das dafür vorgesehen Feld eingibt. Gibt es nämlich damit eine vertragliche Nutzungsrechtseinräumung, kommt es auf den gesetzlichen Erlaubnsitatbstand der Erschöpfung gar nicht mehr an.

Praxistipp

Aber es hilft ja alles nichts. In Deutschland gilt das Strengeprinzip, sprich: Die Entscheidung des strengsten Gerichts gilt. Um Abmahnungen und danach einstweiligen Verfügungen zum Beispiel vor den Hamburger Gerichten zu vermeiden, sollten Händler daher vorsorglich deren Vorgaben befolgen. Obgleich das Gericht in einem Unterlassungsverfahren den Parteien nur sagen darf, was falsch gemacht wurde und damit wie es nicht geht und nicht erklären muss bzw. darf, wie es richtig wäre, sind den Ausführungen des Senats wichtige Hinweise zu entnehmen, wie Händler ihre Angebote rechtssicher gestalten können.

Demnach sollten in einem Angebot die folgenden Punkte enthalten sein:

  • ob und an wen der Produktschlüssel, der entsprechend dem Angebot übermittelt werden soll, vom Rechteinhaber ausgegeben wurde,
  • welcher Art die Lizenz ursprünglich eingeräumt wurde,
  • ob bereits dem Ersterwerber eine verkörperte Kopie bereitgestellt wurde und
  • ob die Programmkopie(n) vom Erst- oder Zwischenerwerber vernichtet bzw. dem jeweiligen Folgeerwerber ausgehändigt wurden sowie
  • in welchem Umfang der Verbraucher zur Nutzung von Aktualisierungen und Updates des Computerprogramms berechtigt ist.

Diese Aufzählung erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit bzw. Allgemeingültigkeit, da nicht nur jedes Softwareprodukt, sondern auch jede Stelle der „Rechtekette“, an der sich der potentielle „Zweiterwerber“ befindet, Besonderheiten aufweist, die in der Produktbeschreibung berücksichtigt werden müssen.

Fest steht: Es bleibt interessant. Wenn die Softwarehersteller den Trend weitergehen und ihre Produkte immer mehr als Mietprodukte gestalten (Stichwort: Software as a Service, SaaS), wird von „Gebrauchtsoftware“ ohnehin nicht mehr viel übrig bleiben.

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