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Ein Selfie auf XING steht nicht zur Disposition der Öffentlichkeit

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Selfie XING Verstoß gegen das KUG
Photo by Steve Gale on Unsplash

Die Verbreitung eines Bildnisses per E-Mail ohne Einwilligung des Betroffenen verletzt sein Persönlichkeitsrecht und muss gem. §§ 823, 1004 BGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG unterlassen werden, auch wenn es sich dabei um ein auf XING hochgeladenes Bild handelt.

Die Grundsätze der §§ 22, 23 KUG sind mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 lit. f), 85 Abs. 2 DSGVO weiter anwendbar. Dies hat das LG Frankfurt in seinem Urteil vom 26.09.2019 entschieden (vgl. nur LG Frankfurt, Urteil v. 26.09.2019, Az: 2-03 O 402/18).

Der Sachverhalt

Der Beklagte ist im Softwarebereich tätig und Geschäftsführer eines Unternehmens. Im Rahmen einer Geschäftsanbahnung mit einem potenziellen Klienten stieß er auf den Namen eines Mitarbeiters. Dieser war ihm aus anderer Angelegenheit bekannt, und zwar als Mitarbeiter eines weiteren Unternehmens, mit dem der Beklagte in einen anderen Rechtsstreit verwickelt war. In diesem Rechtsstreit wurde der Kläger mehrmals als Zeuge und Mitarbeiter benannt.  Sodann rief der Beklagte ein Bildnis des Klägers von der Online-Plattform XING ab, bearbeitete und versandte es per E-Mail seinem Klienten verbunden mit Fragen zur Person und Tätigkeit des Klägers.

Daraufhin mahnte der Kläger den Beklagten schriftlich ab und machte einen Unterlassungsanspruch geltend. Nachdem der Beklagte den Unterlassungsanspruch zurückwies, sendete er dem Vorgesetzten des Klägers eine E-Mail, in der er eine unangenehme Situation mit dem Kläger rügte, sowie u.a. anmerkte:

Es ist theoretisch auch denkbar, dass die Abmahnung nicht von Hr. <Kl.> mandatiert, sondern ohne sein Wissen von Dritten mittels Urkundenfälschung fingiert wurde. Falls Hr. <Kl.> die Abmahnung bestreiten sollte, bitten wir auch für diesen Fall höflichst um Auskunft. 

Dabei bezog sich der Beklagte auf die durch den Kläger ausgesprochene Abmahnung.

Der Betroffene klagt auf Unterlassung-zweierlei

Der Kläger hat zwei Unterlassungsansprüche geltend gemacht: einerseits müsse es dem Beklagten unterbunden werden, das Bild des Klägers – bei dem es sich um ein Selfie handele, das also nicht zur Disposition der Öffentlichkeit stand – zu bearbeiten und zu verbreiten. Zweitens solle es ihm unterbunden werden, die o.g. Äußerung zu verbreiten bzw. verbreiten zu lassen. Darauf erwiderte der Beklagte, das Bild sei kein Selfie, aber sowieso habe der Kläger durch das Hochladen auf XING in dessen Weiterverbreitung eingewilligt. Ferner sagte der Beklagte, die streitgegenständliche Äußerung („Es ist theoretisch auch denkbar, dass die Abmahnung nicht von Hr. <Kl.> mandatiert, sondern ohne sein Wissen von Dritten mittels Urkundenfälschung fingiert wurde“) sei eine Meinung von ihm bezüglich des Ablaufs der Kommunikation mit dem Kläger und keine unwahre Tatsachenbehauptung, die zu unterbinden wäre.

Teilerfolg für den Kläger

Die Klage war nur teilweise erfolgreich. Zunächst hatte das Gericht zwischen einer Meinungsäußerung und einer Tatsachenbehauptung abzugrenzen. Der Kläger sagte, die Äußerung beinhalte im Kern die Unterstellung, der Kläger habe nicht eine Kanzlei für die anwaltliche Abmahnung mandatiert und wisse von diesen Vorgängen nichts. Das Gericht sah dies anders.

Es fasste sie nur als eine Vermutung des Beklagten auf, es könne sich um ein Missverständnis handeln. Der wertende, meinende Teil überwiege und berücksichtige lediglich die Möglichkeit, dass der Kläger ohne Wissen und Wollen in der Rechtsstreitigkeit zwischen Beklagtem und Softwarefirma involviert war.

Damit war die Äußerung nicht zu widerrufen bzw. zu unterbinden.

Dem Anspruch auf Unterlassung der Bildnisbe- und Verarbeitung gab das Gericht hingegen statt.

Es hielt die vorangegangene Abmahnung im Hinblick auf den vom Kläger geltend gemachten Anspruch aus den §§ 823, 1004 BGB i. V. m. §§ 22 f. KUG, Art. 85 DSGVO für berechtigt und erklärte dabei das KUG im Rahmen des Art. 85 II DSGVO für anwendbar. Ein Verbreiten nach §§ 22, 23 KUG war unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO nach dem Gericht zu bejahen. Konkret lag weder eine Einwilligung des Abgebildeten durch das Hochladen auf XING, noch ein berechtigtes Interesse i. S. d. § 23 KUG des Beklagten vor. Der Behauptung, dem Beklagten wäre nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO das berechtigte Interesse der Rechtsverfolgung anzuerkennen, folgte das Gericht nicht. Denn die speziellen Anforderungen der §§ 22, 23 KUG seien weiterhin mit Blick auf die DSGVO anwendbar.

Fazit

Die Bearbeitung und Verbreitung von Bildnissen bedarf der Einwilligung des Betroffenen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur dann denkbar, wenn eine Ausnahme nach § 23 KUG i.V.m. der DSGVO vorliegt.

Das bedeutet: nur wer ein höheres Kunstinteresse verfolgt, kann Bilder von Personen ohne deren Einwilligung verbreiten oder zur Schau stellen, wenn das Bild nicht aus dem Bereich der Zeitgeschichte kommt. Zwar ist Art. 6 DSGVO dabei zu berücksichtigen. Allerdings sprengt die DSGVO nicht den Rahmen des KUG; vielmehr bleibt Letzteres der entscheidende Rechtsmaßstab.

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