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BGH zur Störerhaftung von Google für Rechtsrechtsverletzungen innerhalb von Suchergebnissen

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BGH Urteil Google Suchergebnisse
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Der BGH hat entschieden, dass Google nicht verpflichtet ist, sich vor der Anzeige eines Suchergebnisses darüber zu vergewissern, ob die aufgefundenen und verlinkten Inhalte Persönlichkeitsrechtsverletzungen beinhalten (BGH, Urteil v. 27. Februar 2018, Az. VI ZR 489/16).

Ein Unterlassungsanspruch gegen Google besteht demnach nur, wenn der Verletzte einen konkret auf eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbaren Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hingewiesen hat.

Bei dem Kläger und der Klägerin handelte sich um Ehepartner, welche als IT-Dienstleister tätig sind und in dieser Funktion beim Aufbau eines Internetforums beteiligt waren. Mitglieder dieses Forums führten mittels Beiträgen auf verschiedenen Forenseiten Auseinandersetzungen mit Mitgliedern eines anderen Internetforums.

Bei einer Suche über Google wurden innerhalb der Suchergebnisse Inhalte angezeigt und auf Webseiten verlinkt, wonach der Kläger das F-Internetforum betreibe, für die dort veröffentlichten Inhalte (mit-)verantwortlich sei oder von den Inhalten des Forums zumindest Kenntnis gehabt habe und die Klägerin von der Rolle ihres Mannes in diesem Forum Kenntnis gehabt haben müsse. Dabei fielen in Bezug auf die Kläger Aussagen wie „Arschkriecher“, „Schwerstkriminelle“, „kriminelle Schufte“, „Terroristen“, „Bande“, „Stalker“ und „krimineller Stalkerhaushalt“.

Die Kläger hatten die Suchergebnisse bei Google moniert und mitgeteilt, dass er mit dem F-Internetforum nichts zu tun hätte. Er verlangte daher von Google, die entsprechenden Suchergebnisse nicht mehr anzuzeigen. Nachdem Google dem Ersuchen des Klägers offenbar nicht nachkam, nahm der Kläger Google auf Unterlassung in Anspruch.

Nachdem das angerufene Landgericht Köln der Klage noch teilweise stattgab (LG Köln, Urteil v. 16.08.2015, Az. 28 O 14/14), wies das Oberlandesgericht Köln die Klage vollständig ab (OLG Köln, Urteil v. 13.10.2016, Az. 15 U 173/15). Der BGH bestätigte nun die Entscheidung des Oberlandesgerichts  und lehnte die im konkreten Fall geltend gemachten Unterlassungsansprüche ab.

Auch Google haftet als Störer

Dabei stellte der BGH zunächst fest, dass Google sich die in den Suchergebnissen angezeigten und verlinkten Inhalte nicht zu Eigen macht und damit eine täterschaftliche Haftung ausscheidet. Hingegen bejahte der BGH, dass Google durchaus als Störer haften könne. In der Rechtsprechung ist seit längerem anerkannt, dass ein Dritter für fremde Inhalte nur dann als Störer haftet, wenn diesem eine Verletzung seiner Prüfpflichten vorgeworfen werden kann.

Auch in Bezug auf Google stellte der BGH in Übereinstimmung früherer Entscheidungen fest, dass Google nicht sämtliche Inhalte proaktiv auf mögliche rechtswidrige Inhalte hin überprüfen muss. Denn eine solche allgemeine Kontrollpflicht sei praktisch kaum zu bewerkstelligen und würde die Existenz von Suchmaschinen als Geschäftsmodell, das von der Rechtsordnung gebilligt worden und gesellschaftlich erwünscht ist, ernstlich gefährden.

Prüfpflichten erst bei konkreten Hinweis auf offensichtliche Rechtsverletzung

Der BGH hat nun festgestellt, dass den Betreiber einer Suchmaschine daher erst dann spezifische Prüfpflichten treffen, nachdem er durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung erlangt hat. Weitere Prüfpflichten sei den Suchmaschinenbetreibern nicht zumutbar, da diesen – anders als z.B. einem Forumbetreiber – die Identität des Verfassers einer rechtsverletzenden Behauptung oftmals unbekannt ist und von diesem somit keine Stellungnahme eingeholt werden kann.

Im vorliegenden Fall entschied der BGH zu Gunsten von Google, dass der Hinweis des Klägers nicht konkret genug gewesen sei, um Google in die Lage zu versetzen, in den streitgegenständlichen Äußerungen eine offensichtliche und auf den ersten Blick klar erkennbare Rechtsverletzung zu sehen. Daher habe Google im vorliegenden Fall ihre Prüfpflichten nicht verletzt, so dass eine Haftung als Störer nicht in Betracht komme.

Was ist mit den inhaltlichen Anforderungen eines Inkenntnissetzungsverfahrens?

Aus der Pressemitteilung des BGH zu der Entscheidung geht nicht hervor, ob sich der BGH vorliegend konkret zu den inhaltlichen Anforderungen des sog. Inkenntnissetzungsschreibens geäußert hat. Dies wäre allemal wünschenswert, da die Rechtsprechung nach unserer Erfahrung an den Inhalt sehr hohe Anforderungen stellt. So ist uns aus vergangenen Verfahren bekannt, dass im Bereich von Tatsachenbehauptungen der bloße Hinweis des Betroffenen, eine über ihn aufgestellte Äußerung sei falsch, nicht ausreichend sei, dass Google eine offensichtliche Rechtsverletzung erkennen könne. Denn in einem solchen Fall stünde praktisch Aussage gegen Aussage und Google könne so nicht erkennen, ob die Äußerung wahr oder unwahr ist.

Google als Art gerichtliche Vorinstanz?

Zum Teil wird seitens der Gerichte gefordert oder jedenfalls angeregt, dass der Betroffene seine Hinweise an Google mit einer eidesstattlichen Versicherung untermauert. Jedenfalls müsse der Hinweis neben der bloßen Behauptung, die Äußerung sei unzutreffend, weitere Angaben enthalten, warum die Äußerung unzutreffend sei.

Diese Haltung der Gerichte sehen wir sehr kritisch, da Google insoweit bereits zu einer Art gerichtlicher Vorinstanz gemacht wird. Es ist nicht einzusehen, warum ein Betroffener gegenüber Google möglicherweise auch vertrauliche Daten preisgeben solle, um Google von der behaupteten Rechtsverletzung zu überzeugen. Hinzu kommt, dass eidesstattliche Versicherungen gegenüber Google keinerlei Mehrwert haben, da nur die Abgabe falscher eidesstattlicher Versicherungen gegenüber bestimmten öffentlichen Einrichtungen unter Strafe gestellt ist.

Für den Betroffenen ist der Weg über Google oftmals der einzige Weg, die Verbreitung rechtswidriger Inhalte einzudämmen. Denn oftmals sind die Verfasser rechtsverletzender Äußerungen unbekannt oder nicht greifbar. Wenn der Verletzte nun praktisch gezwungen wird, gegenüber Google die Rechtsverletzung darzulegen und ggf. zu beweisen, so entspricht dies aus unserer Sicht nicht der Interessenlage.

Die Gerichte haben bislang zumeist negativ geäußert, dass ein Inkenntnissetzungsschreiben eine Störerhaftung nicht ausgelöst hat. Welchen Inhalt ein solches Schreiben haben müsste, haben die Gerichte dagegen bislang nicht positiv dargelegt. Es bleibt daher zu hoffen, dass der BGH sich in den Entscheidungsgründen gerade zu den Anforderungen an das Inkenntnissetzungsschreiben auseinandergesetzt hat.

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