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Paradise Papers: Seriöser Journalismus oder Persönlichkeitsrechtsverletzung?

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Paradise Papers
© costadelsol – fotolia.com

Das „Internationale Consortium of Investigative Journalists (ICIJ)“, dem unter anderem auch die Süddeutsche Zeitung angehört, hat mit den „Paradise Papers“ am 5.11.2017 einen weiteren Satz aus einer Anwaltskanzlei gestohlener Dokumente  untersucht. Die Süddeutsche berichtet aktuell darüber.

Bereits im April 2016 hatten die Journalisten über die aus der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca entwendeten „Panama Papers“ berichtet.

Damals hatte die Berichterstattung zu den Panama Papers der Süddeutschen Zeitung insbesondere mit dem Untertitel „Die Geheimnisse des schmutzigen Geldes“ den Eindruck erweckt, dass alle in dort dokumentierten Vorgänge anrüchig oder sogar illegal seien.

Der neue Skandal: Nach Panama Papers jetzt die Paradise Papers

Der neueste Coup wird im gleichzeitig veröffentlichten Eintrag auf Wikipedia wie folgt erläutert:

„Als Paradise Papers werden vertrauliche Unterlagen der Anwaltskanzlei Appleby und der kleineren Treuhandfirma Asiacity Trust bezeichnet. Sie stellen in tausenden Fällen die Geschäfte zur Steuervermeidung und Steuerhinterziehung einiger der weltweit größten multinationalen Konzerne und Milliardäre mittels Verschleierung, Splittung und Geldwäsche dar. Dazu wurden Briefkastenfirmen gegründet und Steueroasen genutzt. In den geleakten Unterlagen finden sich Datensätze zu mehr als 120 Staats- und Regierungschefs und Politikern aus 47 Ländern, darunter auch die britische Königin Elisabeth II. sowie US-Handelsminister und Multimillionär Wilbur Ross.“

Beim dritten Beitrag habe ich geweint: Clickbait bei der Süddeutschen?

Auch aktuell suggerieren die Überschriften und Untertitel der Beiträge auf der Informationsseite der Süddeutschen zu den Paradise Papers nicht nur, dass Briefkastenfirmen oder Offshore-Unternehmen ihren Inhabern gewissermaßen in „paradiesische“ Steuervorteile bescheren, sondern außerdem, dass sie per se rechtswidrig seien oder zwingend auf rechtswidrige Aktivitäten hindeuteten:

„Paradise Papers: Offshore-Kunden der Kanzlei Appleby geraten in Erklärungsnot. Es geht um Korruption, Geldwäsche, Steuerhinterziehung.“

Die Journalisten der Süddeutschen wollten die vermeintlichen Folgen der Berichterstattung am Tag ihrer Veröffentlichung offenbar auch nicht bloß abwarten, sondern sie mit dem folgenden Titel in BILD-Manier vorsorglich schon einmal herbeischreiben:

„Datenleck erschüttert Konzerne und die Welt der Superreichen.“

Briefkastenfirmen und Offshore-Unternehmen sind legal

Damit das klar ist: Briefkastenfirmen und Offshore-Unternehmen sind selbstverständlich nicht illegal, sondern werden es allenfalls dann, wenn damit Vermögen und Geschäfte vor dem heimischen Fiskus verborgen und Steuern zu hinterzogen werden sollen. Für die Gründung einer Briefkastenfirma gibt es nachvollziehbare und legitime Gründe, zum Beispiel, unerkannt von der Öffentlichkeit oder der Konkurrenz Geschäfte zu machen.

Egal, ob legal oder illegal: Diese Vorgänge haben in der Presse grundsätzlich nichts zu suchen. Insbesondere dann nicht, wenn die Daten – wie im vorliegenden Fall – von einer Anwaltskanzlei unbefugt entwendet wurden. Zuständige Behörde für strafrechtliche Verdachtsfälle ist die Staatsanwaltschaft und nicht eine Zeitungsredaktion.

Berichterstattung ist legitim, das Anprangern Einzelner nicht

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Die Tatsache, dass insbesondere wohlhabende Personen und große Unternehmen sich die Globalisierung durch internationale Firmengeflechte auf geradezu obszöne Weise finanziell zu Nutze machen, ist selbstverständlich berichtenswert und kritikwürdig. Die pauschale Kriminaliserieung der Inhaber von Offshore-Kontruktionen oder sogar das  Anprangern einzelner Personen legitimiert das jedoch nicht.

Ausnahmsweise kann eine – zutreffende – Berichterstattung über personenbezogene Vorgänge zwar zulässig sein, wenn es sich bei den Betroffenen um bekannte, freiwillig in der Öffentlichkeit stehende Personen handelt und daran ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse besteht. Das dürfte zum Beispiel bezüglich der angeblichen Verbindung des Geldes von Queen Elizabeth II. zu einem windigen Staubsaugerhändler oder des Auftauchens eines Beraters des kanadische Premiers Trudeau in den Unterlagen der Fall sein. Die Erwähnung anderer, zum Beispiel der genannten deutschen Personen, dürfte hingegen unzulässig sein.

Auch die „Paradise Papers“ werden aus gutem Grund nicht veröffentlicht

Was der neudeutsche Begriff des „Leaks“ zudem verniedlicht, ist die Tatsache, dass die „Paradise Papers“ unbefugt entwendet wurden. Die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen, bedarf zu ihrer Rechtfertigung eines gesteigerten Informationsinteresses. Genau wie die Panama Papers werden die Paradise Papers daher von der Süddeutschen – soweit ersichtlich – auch nicht vollständig veröffentlicht. Man beschränkt sich auf die Nennung ausgewählter prominenter Personen und Unternehmen.

Aus gutem Grund wurden auch damals die Panama Papers nicht veröffentlicht:

Eine detaillierte rechtliche Bewertung der (Un-)zulässigkeit der Veröffentlichungen der Panama Papers bzw. der entsprechenden Datenbank hatten wir kurz darauf bereits hier veröffentlicht:

Eine Rechtsfolge, die jeder begrüßen müsste, der vertrauliche Dokumente bei seiner Bank, seinem Steuerberater, seiner Arzt oder Anwalt in Verwahrung hat, die bei einem Hackerangriff in falsche Hände geraten könnten.

Indiskretionen können schwerwiegende Folgen haben

Wie einschneidend diese Verletzungen des  Persönlichkeitsrechts für die Betroffenen sind und dass diese sich oft sogar noch intensivieren, zeigt ein aktueller Fall aus unserer Beratungspraxis.

Eine bekannte österreichische Tageszeitung hatte den Umstand in einem Artikel breitgetreten, dass ein von uns vertretener Mandant “Nutznießer” einer Limited-Company mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln sei und sogar eine Abbildung des entsprechenden Wohnhauses veröffentlicht. Dem illegalen Treiben konnten wir glücklicherweise ein Ende bereiten:

 Fazit:

Die Veröffentlichung einzelner personenbezogener Vorgänge aus den Paradise Papers ist unzulässig. Betroffene können sich mittels Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadensersatzansprüchen zur Wehr setzen.

Das ist nur anders, wenn im konkreten Einzelfall ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit vorliegt, wie dies bei Personen der öffentlichen Lebens, zum Beispiel bei Politikern, der Fall sein kann.

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