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LG Saarbrücken: Berichterstattung der BILD über den Sturz einer 16-jährigen und die Vermutung, dass diese unter Drogen stand, ist rechtswidrig

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DasbringtnurBlidDie Kollegin Kathrin Berger weist aktuell auf ein Urteil des Landgerichts Saarbrücken hin, mit dem der BILD eine identifizierende Berichterstattung über ein 16-jähriges Mädchen verboten wird, das aus dem Fenster ihres Elternhauses gestürzt war  (LG Saarbrücken, Urteil v. 16.7.2015, Az. 4 O 152/15).

Der Artikel, der auf der Internetseite www.bild.de erschienen war, enthielt im Gesichtsbereich „verpixelte“ Abbildungen des Mädchens und des Hauses, sowie die angeblich aus einer offiziellen Erklärung der Polizei stammende Vermutung, dass das Mädchen bei dem Satz unter Drogen gestanden haben könnte.

BILD hatte sich unter anderem damit verteidigt, dass die Klägerin auf den Abbildungen nicht zu erkennen gewesen sei. Die Tatsache, dass ein Mädchen aus dem Fenster eines Hauses stürzt, sei ausserdem ein Vorgang von öffentlichem Interesse, über den berichtet werden dürfe. Man habe sich auf die telefonische Äusserung eines Polizisten verlassen dürfen, der den Verdacht des Drogenkonsums mitgeteilt hatte.

All diesen Argumenten erteilte das LG Saarbrücken in der ausführlich und sorgfältig begründeten Entscheidung eine Absage.

Vage Vermutungen der Polizei müssen verifiziert werden

Bei offiziellen Polizeimeldungen dürfe sich die Presse normalerweise darauf verlassen, dass der Inhalt geprüft ist und ohne weitere Recherchen veröffentlicht werden darf. Es handele sich dann um eine „privilegierte Quelle“. Den vagen, sich im Nachhinein nicht bestätigenden Verdacht des Drogenkonsums hätte BILD jedoch nicht einfach übernehmen dürfen, sondern weitere Nachforschungen anstellen müssen. Der Sturz sei ein persönliches Ereignis und die Klägerin daher auch keine Person der Zeitgeschichte.

Verpixelung ist meist sinnlos

Schliesslich räumt das Gericht mit den landläufigen Irrtum auf, dass ein schwarzer Balken oder eine „Vereitelung“ des Abgebildeten die Verbreitung des Bildes legitimiere. Es weist darauf hin, dass für eine Erkennbarkeit im Sinne des KUG bereits ausreicht, dass die Person begründeten Anlass hat anzunehmen, dass sie nach der Art der Abbildung – auch im engeren Freundes- oder Bekanntenkreis – erkannt werden könne. Auf eine objektive Erkennbarkeit kommt es somit gar nicht an. Das führt in der Praxis dazu, dass ein Großteil der “verfremdeten” Bilder entweder rechtswidrig ist, da die Person erkennbar bleibt oder gar nicht erst hätten verändert werden müssen, da die Veröffentlichung ohnehin erlaubt gewesen wäre. (la)

Das Artikelbild ist übrigens keine Montage, sondern tatsächlich das Motto der neuen Werbekampagne der BILD-Zeitung und den Spruch „BILD Dir deine Meinung“ ablöst.

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