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LG Frankfurt: "Echtheitsgarantie" auch bei Software unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten

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Original / PlagiatDas Landgericht Frankfurt hat auf den Antrag von Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum Rechtsanwälte (LHR) einer Softwarehändlerin und ihrem Geschäftsführer mit Beschluss vom 14.3.2016 (LG Frankfurt, Beschluss v. 14.3.2016, Az. 3-08 O 32/16) verboten, „gebrauchte“ Software bei eBay mit der Überschrift

„ORIGINAL MICROSOFT OFFICE 2013 Professional PLUS 1 PC GEPRÜFT & LEGAL.“,

dem folgenden Produktbild

Produktbild

sowie dem folgenden Text

„BITTE BEACHTEN SIE VOR IHRER KAUFENTSCHEIDUNG zugunsten eines günstigeren Angebotes: Sie erhalten von NE-Soft24 einen Nachweis über die Herkunft der Software, somit ist garantiert das es es sich nicht um eine Fälschung oder eine für Europa nicht zulässige Version handelt!”

zu bewerben. Im Falle der Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € oder bis zu sechs Monate Ordnungshaft. Die Entscheidung ist als Beschlussverfügung ohne Gründe ergangen und noch nicht rechtskräftig.

Das Landgericht Frankfurt ist der Argumentation der Antragstellerin in der Antragsschrift gefolgt, dass es sich dabei um eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten handelte.

Werbung mit Selbstverständlichkeiten – Was ist das?

Bei der so genannten Werbung mit Selbstverständlichkeiten handelt es sich um einen besondere Art der wettbewerbsrechtlichen Irreführung. Das Besondere daran ist, dass es sich dabei grundsätzlich um eine Werbung mit zutreffenden Tatsachen handelt. Eine solche Werbung ist – selbstverständlich – grundsätzlich nicht zu beanstanden.

Das ist ausnahmsweise dann anders, wenn das angesprochene Publikum annimmt, dass mit der Werbung tatsächlich ein Vorzug gegenüber anderen Erzeugnissen der gleichen Gattung oder den Angeboten von Mitbewerbern hervorgehoben wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn dem Publikum nicht bekannt ist, dass es sich bei der betonten Eigenschaft um eine gesetzlich vorgeschriebene oder zum Wesen der Ware gehörenden Umstand handelt. Ausnahmsweise ist demnach die Mitteilung zutreffender, wahrer Umstände unzulässig, wenn der Verbraucher den Eindruck gewinnt, ihm werde etwas Besonderes geboten. In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass für die Annahme einer irreführenden Werbung mit Selbstverständlichkeiten nicht eine hervorgehobene Darstellung notwendig ist (BGH, Urteil v. 19. März 2014, Az. I ZR 185/12). Wir berichteten.

Es schlicht selbstverständlich, dass angebotene Ware „original“ und „legal” zu sein hat. Diese Selbstverständlichkeit stellten die Antragsgegner an mehreren Stellen ihres Angebots als etwas Besonderes heraus. Das Publikum nimmt so an, die Waren hätten einen Vorzug gegenüber anderen Waren gleicher Gattung oder Konkurrenzangeboten, während es sich doch in Wahrheit um Merkmale handelt, die das Produkt des Werbenden gegenüber anderen nicht auszeichnet, da es ansonsten ohnehin nicht verkehrsfähig und dessen Angebot damit rechtswidrig wäre. Die Irreführung wurde verstärkt durch den Hinweis auf günstigere Angebote, der suggeriert, dass der Käufer dort kein “originales” und “legales” Produkt erwarten könne.

Der Geschäftsführer haftet neben der GmbH

Beachtenswert an der Entscheidung ist, dass das Landgericht nicht nur die GmbH in die Haftung genommen hat, sondern auch deren Geschäftsführer.

Die schlichte Kenntnis des Geschäftsführers von Wettbewerbsverletzungen scheidet zwar als haftungsbegründender Umstand aus. Erforderlich ist vielmehr grundsätzlich, dass der Wettbewerbsverstoß auf einem Verhalten beruht, das nach seinem äußeren Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen dem Geschäftsführer anzulasten ist. So liegt es aber bei der rechtsverletzenden Benutzung einer bestimmten Firmierung und dem allgemeinen Werbeauftritt eines Unternehmens, über die typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden wird. Dementsprechend hat der BGH ohne weiteres eine Haftung der vertretungsberechtigten Organe einer juristischen Person für das allgemeine Konzept einer Kundenwerbung eines Unternehmens (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 – I ZR 157/10, GRUR 2012, 184 Rn. 1, 32 = WRP 2012, 194 – Branchenbuch Berg), für den Inhalt einer Presseerklärung eines Unternehmens, in der der Geschäftsführer selbst zu Wort kam (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2011 – I ZR 108/09, GRUR 2011, 1043 Rn. 5, 70 = WRP 2011, 1454 – TÜV II) und für den allgemeinen Internetauftritt des Unternehmers (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2012 – I ZR 86/10, GRUR 2012, 1145 Rn. 2, 36 = WRP 2012, 1392 – Pelikan) bejaht (BGH, GRUR 2014, 883, Rn. 19 – Geschäftsführerhaftung).

So lag der Fall hier, da es sich bei der streitgegenständlichen Werbung nicht um eine punktuelles Fehlverhalten, sondern um einen von einem allgemeinen Konzept getragenen, allgemeinen Auftritt geht, über den typischerweise auf Geschäftsführerebene entschieden wird.

Die Antragsgegnerin war selbst durch Abmahnungen aufgefallen

Schließlich ist interessant, dass die – in sehr überschaubarem Umfang auf dem Markt tätige -Antragsgegnerin der Antragstellerin durch die Versendung von Abmahnungen ausgerechnet wegen angeblich irreführender Werbung von „gebrauchter“ Software überhaupt erst aufgefallen war, diese also Konkurrenten wegen angeblicher Rechtsverstöße angeschrieben und Unterlassungserklärungen und Zahlungen von über 7.000,00 Euro verlangt hatte, während sie wettbewerbsrechtliche Vorschriften selbst nicht einhielt. In dieses Bild passt es, dass die in den Abmahnungen angedrohten gerichtlichen Schritte – jedenfalls unserer Mandantschaft gegenüber soweit ersichtlich – bisher nicht eingeleitet wurden. (la)

(Bild: © Coloures-pic – Fotolia.com)

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