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Geldentschädigung und Erstattung der Anwaltskosten für Polizistin gegen Rockgruppe

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Polizeibeamtin Geldentschädigung KUG
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Eine Musikgruppe hatte eine Polizeibeamtin bei ihrem dienstlichen Einsatz gefilmt und ihr Bildnis von Sekunde 0:22 bis 00:24 in einem Musikvideo auf YouTube eingeblendet.

Die Polizeibeamtin sah sich durch die Verbreitung ihres Bildnisses ungewollt in einen nationalistisch-völkischen Kontext eingebettet und erwirkte strafbewehrte Unterlassungserklärungen von den Bandmitglieder.

Ob die Musikgruppe wirklich dieser Szene angehört, war nicht entscheidungserheblich. Vielmehr stufte das Landgericht Darmstadt (LG Darmstadt, Urteil v. 4.9.2019, Az. 23 O 159/18) das Hochladen des Bildes als schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Beamtin ein, weil sie durch die Inszenierung in Verbindung mit politischen Aussagen der Musikgruppe entgegen ihrem Willen gebracht wurde.

Der Sachverhalt

Die Mitglieder einer Rockgruppe filmten die Polizeibeamtin im Rahmen ihres Einsatzes auf einer Demonstration und erstellten eine „filmische Collage“, in der ihr Bildnis eine herausragende Stelle einnahm. Das Bild wurde Teil eines Musikvideos, das die Gruppe auf YouTube stellte und wofür sie ebenfalls auf Facebook warb.

Die Beamtin mahnte die Mitglieder der Gruppe ab und erwirkte strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen. Seitdem war ihr Bild nur „verpixelt“ auf dem Video zu sehen.

Die Beamtin war der Auffassung, dass die herausgehobene Stellung ihres Bildnisses ihren Konsens mit den von der Gruppe übermittelten politischen Thesen unterstellte: diese erachtete sie als nationalistisch-völkisch geprägt. Vor dem LG Darmstadt machte sie einen Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten für ihren Unterlassungsanspruch sowie einen Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung geltend. Die Beklagten brachten dagegen vor, die Verbreitung des Bildnisses falle unter den Ausnahmekatalog des § 23 Abs. 2 KUG, sei jedenfalls von der Kunstfreiheit und dem Recht auf freie Presse gedeckt.

Klage begründet: Keine Verbreitung von Bildnissen ohne Einwilligung des Betroffenen

Das Gericht gab der Klage in beiden Punkten statt. Der Kostenerstattungsanspruch ergebe sich aus § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 249 BGB. Auch der Unterlassungsanspruch habe der Klägerin aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i. V. m. §§ 22 f. KUG, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zugestanden. Für die Verbreitung des Bildnisses sei eine Einwilligung der Beamtin gem. § 22 KUG erforderlich gewesen. Eine Ausnahme etwa nach § 23 Abs. 1 Zif. 3 KUG lag nicht vor. Denn eine solche Ausnahme setze voraus, dass man über ein Ereignis berichtet. Die Abbildung einzelner Personen stelle jedoch diese selbst und nicht das Ereignis in den Vordergrund. Die Demonstration fungierte hier lediglich als Rahmen für die Zurschaustellung der Betroffenen.

§ 23 Abs. 1 Zif. 1 KUG sei nicht erfüllt. Das zeitgeschichtliche Ereignis stelle nämlich nicht der einzelne Beamte dar, sondern der jeweilige Kontext des Einsatzes. Der Beamteneinsatz fällt nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen unter den Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Zif. 1 KUG, und zwar nur wenn er Gegenstand eines besonderen Informationsinteresses der Öffentlichkeit ist. Dies sei aber vorliegend nicht der Fall gewesen.

Die Kunstfreiheit der Rockgruppe hat zu keinem abweichenden Ergebnis geführt

Auch die Kunstfreiheit der Beklagten könne nicht zu ihren Gunsten eingreifen. Denn die Kunstfreiheit wird zwar vorbehaltlos gewährt, muss dennoch mit den Rechtsgütern der jeweils Betroffenen in praktische Konkordanz gebracht werden. Der künstlerische Charakter der Darstellung fungiert nicht als Freibrief für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Betroffenen. In dieses sei hier in schwere Form eingegriffen worden.

Über 5.000 Euro Entschädigung im Ergebnis

Es sei nicht von Bedeutung, ob man die Klägerin durch die Videosequenz zwingend mit der Gruppe identifizieren würde oder sie als Fan wahrnähme. Ausreichend für die schwere Persönlichkeitsverletzung sei, dass der Durchschnittsempfänger sie gedanklich mit der Rockgruppe in Verbindung brächte oder von ihrer Einwilligung zu der Videodarstellung ausgehen müsste. Für ihren Verstoß gegen § 22 KUG und deren Verletzung des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG mussten die Bandmitglieder über 5.000 Euro an die Beamtin zahlen.

UPDATE 16.6.2021

Die Berufung vor dem OLG Frankfurt a.M. hatte teilweise Erfolg. Die Zivilrichter verringerten die zu zahlende Geldentschädigung auf 2.000 €:

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