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Corona und Gewerbemietrecht: Was tun, wenn der Mieter nicht zahlt?

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Gewerbemieteminderung Corona-Pandemie
Photo by Kelly Sikkema on Unsplash

Die Corona-Krise hat uns alle hart erwischt. Die Ausbreitung des Corona-Virus, täglich steigende Infektions- und Sterbefallzahlen, Kontaktverbote, Ausgangssperren, der Rat der Bundesregierung, zu Hause zu bleiben, das Tragen von Masken – all das verunsichert die Menschen.

Das öffentliche Leben und damit auch die Wirtschaft werden in vielen Bereichen lahmgelegt. Viele Unternehmen haben daher Umsatzausfälle, während ihre Ausgaben teils unverändert bestehen bleiben.

So beeinflusst die Pandemie auch das Rechtsverhältnis zwischen Mieter und Vermieter. Wer in Zeiten von Corona keine finanziellen Rücklagen hat, bekommt schnell Probleme mit der Zahlung der Miete.

Doch bleiben Gewerbemieter zur Zahlung der vollen Miete verpflichtet, wenn sie in der Nutzung des Mietobjektes wegen behördlicher Beschränkungen stark beeinträchtigt sind?

Ist die Kürzung der Gewerbemiete wegen coronabedingter Einschränkungen zulässig?

Mit dieser Frage musste sich das Landgericht München I in einem aktuellen Fall beschäftigen, in dem es um einen Streit über die Zahlung des Mietzinses zwischen einer Vermieterin von Gewerberäumen und einer Gewerbemieterin ging (LG München I, Urteil v. 22.09.2020, Az. 3 O 4495/20).

Die Klägerin vermietete der Gewerbemieterin zum Zweck des Einzelhandels Gewerberäume mit einer Fläche von ca. 3000 Quadratmetern, welche die Beklagte als Möbelhaus nutzte. Die Corona-Pandemie und steigende Infektionszahlen führten im Frühjahr zu erheblichen Einschränkungen für gewerblich genutzte Mietflächen. Daher wurde der beklagten Gewerbemieterin aufgrund behördlicher Anordnung die Öffnung ihrer Ladenfläche zunächst vollständig untersagt. Später musste sie die Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter und den Kundenzustrom auf einen Kunden je 20 Quadratmeter Verkaufsfläche begrenzen.

Da nach Ansicht der Beklagten ein Mietmangel vorlag, kürzte sie die Miete ab April 2020 Corona-bedingt um 100%. Nach Auffassung der Klägerin dagegen war die Beklagte weiterhin zur Mietzahlung in voller Höhe verpflichtet und verlangte daher Zahlung des Mietzinses für die Monate April bis Juni 2020 in Höhe von knapp 224.000 Euro.

Behördliche Beschränkungen als Mietmangel

Die Klage der Vermieterin hatte nur zum Teil Erfolg. Die Klägerin habe eine teilweise und abgestufte Minderung der Miete vornehmen können.

Das Landgericht München I sah die Beschränkungen als Mietmangel an und stützte sich dabei auf mehrere Entscheidungen des Reichsgerichts, wonach behördliche Einschränkungen und Verbote, welche die Tauglichkeit der Mieträume zum vertragsgemäßen Gebrauch aufheben und damit unmöglich machen oder mindern, einen Mietmangel darstellten. Darüber hinaus sei es allgemein anerkannt, dass öffentlich-rechtliche Beschränkungen einen Mangel begründen könnten, wenn sie Bezug auf die Beschaffenheit, Benutzung oder die Lage der Sache nehmen würden. Dabei sei der vereinbarte Zweck maßgeblich und die Beschränkung müsse grundsätzlich bestehen.

Beeinträchtigung des Mietzwecks durch Corona-Beschränkungen

Die Parteien hatten im Mietvertrag vereinbart, dass die Gewerberäume als Möbelgeschäft genutzt werden. Dieser Zweck sei jedoch durch die behördlichen Corona-Beschränkungen erheblich beeinträchtigt bzw. gestört worden.

Diese Beschränkungen fielen auch nicht in die Risikosphäre der Beklagten, so das Gericht. Daran ändere auch die im Mietvertrag vereinbarte Klausel, dass die Mieterin verpflichtet sei, „auf ihr Risiko alle weiteren etwaigen für ihren Betrieb erforderlichen behördlichen Genehmigungen einzuholen und aufrechtzuerhalten“, nichts. Diese Klausel könne nach dem übereinstimmenden Parteiwillen lediglich bau- oder arbeitsrechtliche Genehmigungen erfassen, da sich „die Parteien sicherlich zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrags keine Gedanken um Nutzungseinschränkungen … wegen seuchenrechtlicher Maßnahmen gemacht haben“ (LG München I, Urteil v. 22.09.2020, Az. 3 O 4495/20).

Das Gericht ging daher davon aus, dass die behördliche Anordnung die vertragsgemäße Nutzungsmöglichkeit der Mietsache selbst betreffe, da nach übereinstimmenden Parteiwillen ein Möbelgeschäft zentral gelegen in München betrieben werden sollte. Daher bejahte das Landgericht München I einen Mietmangel und entschied, dass die Miete für die Zeit der weitgehenden Schließung des Möbelgeschäfts um 80% gemindert werden könne.

Für den Monat Mai, in dem es eine Verkaufsflächenbeschränkung (lediglich 25% der Fläche konnten genutzt werden) sowie eine Kundenbeschränkung gab, sei eine Minderung der Miete um 50% gerechtfertigt gewesen. Für den Juni, in dem es lediglich die Begrenzung der Kundenanzahl gab, könne die Miete um 15% gemindert werden.

Darüber hinaus nahm das Gericht hier eine Störung der Geschäftsgrundlage an, da die Parteien mit den Folgen einer Corona-Pandemie und Infektionsschutzmaßnahmen durch die Regierung nicht gerechnet und den Vertrag so kaum geschlossen hätten, sodass eine Vertragsanpassung in Betracht komme, welche in der Reduzierung der Miete zu sehen sei, so das Gericht. Dabei entspreche die Höhe der gesetzlichen Minderung.

Wer trägt das Verwendungsrisiko einer Mietsache während der Pandemie?

Täglich steigende Sterbefall- und Infektionszahlen führen erneut zu verschärften behördlichen Maßnahmen und Einschränkungen für uns alle.

Daher rückt insbesondere die Frage, ob Corona-bedingte Einschränkungen Mietminderungen rechtfertigen, verstärkt in den Vordergrund. Die Gerichte müssen entscheiden, wer das Verwendungsrisiko einer Mietsache während der Corona-Pandemie trägt.

Bisher haben sich die Gerichte mehrfach gegen Mietminderungen und Störungen der Geschäftsgrundlage ausgesprochen und damit meistens zu Lasten der Gewerbemieter entschieden. Nun hat sich jedoch das Landgericht München I mit dieser Entscheidung gegen diese Tendenz entschieden, indem es dem Gewerbemieter ein Minderungsrecht – teilweise und abgestuft – zugesprochen hat.

Wie der BGH diese Frage beurteilen wird, ist offen und auf die höchstrichterliche Rechtsprechung ist noch länger zu warten. Allerdings könnte eine Änderung des Mietrechts, wie im Beschluss vom 13.12.2020 beabsichtigt, dabei helfen, diese Frage – zumindest teilweise – zu klären.

Damit ist eine gesetzlich vermutete Störung der Geschäftsgrundlage von Gewerbemietverträgen vorgesehen, sodass Mieter vom Vermieter eine Anpassung der Miete an die Umstände der Corona-Pandemie wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB verlangen können sollen. Hierzu heißt es im vorläufigen Beschluss vom 13.12.2020:

„15. Für Gewerbemiet- und Pachtverhältnisse, die von staatlichen Covid-19 Maßnahmen betroffen sind, wird gesetzlich vermutet, dass erhebliche (Nutzungs-) Beschränkungen in Folge der Covid-19-Pandemie eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen können. Damit werden Verhandlungen zwischen Gewerbemietern bzw. Pächtern und Eigentümern vereinfacht.“

Eine solche Änderung könnte zwar hilfreich sein, allerdings sollte stets eine Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden, da Mietverhältnisse unterschiedlich sein können und Besonderheiten haben können, die sich auch dementsprechend unterschiedlich auf die Frage der Risikoverteilung auswirken können.

Um Streitigkeiten wie im vorliegenden Fall vorzubeugen, empfiehlt es sich in der Praxis, bei Neuabschlüssen oder Veränderungen von Mietverträgen schriftlich zu regeln, wie sich die Pandemie auf die Risikoverteilung auswirkt und welche Partei das Verwendungsrisiko der Mietsache trägt oder ob dies gleichwertig auf die Parteien verteilt wird.

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