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Blitzlichtgewitter im Gerichtssaal – gesundheitsgefährdend und rechtswidrig?

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Der Kollege Dr. Nozar berichtet in seinem Blog heute von einem Zwischenfall bei einer von ihm begleiteten Strafverhandlung.

Der angeklagte Mandant ist gesundheitlich angeschlagen. Es ist das Herz. Daher ist sogar die tägliche Verhandlungsdauer auf drei Stunden gekappt.

Keine Rücksicht

Das hielt Fotoredakteure der BILD-Zeitung aber natürlich nicht davon ab, das Verfahren auch fotografisch zu dokumentieren. Trotz Hinweises auf die gesundheitlichen Probleme des Mandanten und auf ein absolutes Veröffentlichungsverbot der so entstandenen Lichtbilder und sogar der Androhung eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, stürmte heute offenbar unter Blitzlichtgewitter wieder ein BILD-Reporter den Sitzungssaal.

Der Mandant des Kollegen – ohnehin gesundheitlich schwer angegriffen – bekam daraufhin derartig Herzbeschwerden, dass er  mit Verdacht auf einen Infarkt Ins Krankenhaus gebracht werden musste.

Den Reporter der BILD ließ der Kollege wissen, dass – sollte der Mandant jetzt sterben – „sein Name als Verursacher auf den Grabstein gemeißelt werde“. Dem Mandanten ist zu wünschen, dass er den Vorfall gesund übersteht.

Abgesehen davon stellt sich die Frage, das Verhalten des Bildreporters nicht nur gesundheitsgefährdend, sondern auch bereits rechtswidrig ist.

Ist bereits das Fotografieren nicht erlaubt?

Problematisch ist hier, dass das Fotografieren als solches grundsätzlich nicht verboten ist und nur unter bestimmten Voraussetzungen für bestimmte räumliche Bereiche sitzungspolizeilich verboten werden kann. Vertreter der Presse gehen gegen solche Verfügungen jedoch regelmäßig und teilweise auch erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht vor (z.B. BVerfG, 1 BvR 654/09 vom 3.4.2009).

Oder nur die Veröffentlichung der Bilder?

Ob die so gefertigten Aufnahmen später veröffentlicht werden dürfen, steht auf einem ganz anderen Blatt.

So hat der Bundesgerichtshof bereits in einem Verfahren, das Franz Beckenbauer angestrengt hatte, entschieden, dass es keinen umfassenden vorbeugenden Anspruch eines Kindes gegenüber der Presse gibt, die Veröffentlichung jeglicher Fotos bis zur Volljährigkeit zu unterlassen (Az. VI ZR 314/08 und VI ZR 315/08). Denn auch die Zulässigkeit von Berichterstattungen über Minderjährige ist stets an einer individuellen Einzelfallabwägung festzumachen. Pauschale Unterlassungsansprüche würden demgegenüber die Presse- und Äußerungsfreiheit unverhältnismäßig verkürzen, so der BGH.

Für die Zulässigkeit von Bildberichterstattungen sei stets am Ergebnis einer individuellen Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und dem Schutzinteresse des Abgebildeten festzumachen, so der BGH.

„Eine solche Interessenabwägung kann nicht in Bezug auf Bilder vorgenommen werden, die noch gar nicht bekannt sind und bei denen insbesondere offen bleibt, in welchem Kontext sie veröffentlicht werden.“

Verhalten jedenfalls anstandslos

Unabhängig von der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts ist das Verhalten des BILD-Reporters, worauf der Kollege zu Recht hinweist, eine Frechheit. Denn nicht alles was erlaubt ist, entspricht auch dem Anstand. Dass der Mandant im vorliegenden Fall offenbar sogar Gesundheitsschäden davon trägt, ist dabei nur das „Tüpfelchen auf dem i“.

Vielleicht ein Anlass mehr, sich zu überlegen, solche Aktionen nicht mehr mittelbar durch den Kauf der BILD-Zeitung zu unterstützen. Und die geplante Kostenloslieferung am 23.6.2012 zu boykottieren. (la)

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