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BGH: Der Kläger kann die Kosten bei Rücknahme nur vermeiden, wenn die Klage irgendwann einmal begründet war

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Möchte der Kläger nicht mehr an seiner Klage festhalten und eine Erledigung des Prozesses ohne Urteil erreichen, kann er die Klage unter den Voraussetzungen des § 269 ZPO zurücknehmen. Die Klagerücknahme wird der Kläger regelmäßig anstreben, wenn er seinen Prozess für wenig aussichtsreich hält, etwa weil ihm Beweismittel fehlen oder eine entgegenstehende höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist.

Nach Abs. 3 Satz 2 hat dann grundsätzlich der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Grund hierfür ist, dass er sich mit der Rücknahme freiwillig in die Rolle des Unterlegegenen begibt.

Ist der Anlass für die Klage allerdings schon vor Rechtshängigkeit weggefallen, ist über die Kosten des Rechtsstreites grundsätzlich nach billigem Ermessen zu entscheiden, falls die Klage zurückgenommen wird. Dafür ist allerdings kein Raum, wenn eine Klage zu keinem Zeitpunkt aussichtsreich war.

Airbnb-Mieter hatten – angeblich – den Rechtsverstoß begangen

In der Nacht vom 6. Auf den 7. Dezember 2015 wurden zwei Folgen der Fernsehserie „The Flash“ über den Internetanschluss der Beklagten in einer Tauschbörse öffentlich zum Herunterladen angeboten. Die Rechtsinhaberin der Fernsehserie mahnte die Anschlussinhaberin daraufhin unter Berufung auf ihre ausschließlichen Nutzungsrechte ab. Die Beklagte gab ohne Angaben zur Nutzung ihres Internetanschlusses im relevanten Zeitraum eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.

Daraufhin nahm die Klägerin die Beklagte auf Zahlung eines angemessenen Schadensersatzes in Anspruch. Sodann teilte die Beklagte in der Klageerwiderung mit, sie habe die streitgegenständliche Rechtsverletzung nicht begangen, weil sie ihre Wohnung in dieser Zeit über das Portal Airbnb vermietet und sich gar nicht dort aufgehalten habe. Weitere Kontaktdaten der Mieterin habe sie jedoch nicht. Daraufhin nahm die Klägerin ihre Klage zurück und beantragte, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Grundsatz: Bei Klagerücknahme zahlt der Kläger

Die Klagerücknahme ist der Widerruf des in der Klage enthaltenen Rechtsschutzgesuchs; sie beseitigt die Rechtshängigkeit von Anfang an und bedarf keiner Entscheidung oder Mitwirkung des Gerichts. Grundsätzlich verpflichtet die Klagerücknahme den Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit nicht bereits rechtskräftig über sie erkannt ist oder sie nicht aus einem anderen Grund ausnahmsweise dem Beklagten aufzuerlegen sind.

Der Beklagte trägt die Kosten nur ausnahmsweise

Eine Ausnahme vom Grundsatz des § 269 Abs. 3 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stellt S. 3 dar. In den von ihm erfassten Fälle soll es möglich sein, von der ohne ihn nach S. 2 in der Regel unvermeidlichen Kostenbelastung des Klägers abzuweichen. Die in ihren Rechtsfolgen § 91a ZPO angelehnte Vorschrift ermöglicht es dem Kläger, die Kostenfolge zu vermeiden, wenn die Klage schon vor Rechtshängigkeit unzulässig oder unbegründet geworden ist. Sie hat den Zweck, eine materiell gerechte Kostenentscheidung ohne einen weiteren, neue Kosten und zusätzlichen Arbeitsaufwand verursachenden Prozess zu ermöglichen.

Die Vorschrift setzt also voraus, dass der Anlass zur Einreichung der Klage weggefallen ist und zwar vor ihrer Rechtshängigkeit. Ein „Anlass zur Einreichung der Klage“ könne nur angenommen werden, wenn die Klage bei ihrer Einreichung zulässig und begründet war oder jedenfalls zu irgendeinem Zeitpunkt vor ihrer Einreichung zulässig und begründet gewesen wäre. Auf den Fall einer aus objektiven Sicht zu keinem Zeitpunkt aussichtsreichen Klage könne die Vorschrift gerade keine Anwendung finden, so der BGH.

Klage muss irgendwann einmal begründet gewesen sein

Damit widerspricht der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 17.12.2020, Az. I ZB 38/20) dem Amtsgericht und Landgericht Köln. Das AG Köln hatte die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben. Eine Entscheidung, die das LG Köln bestätigte. Die Richter waren beide Male der Meinung, der Anwendungsbereich des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO umfasse auch den Fall, in dem eine Haftung der Anschlussinhaberin von Anfang an nicht gegeben gewesen sei, sie die Klage aber veranlasst habe.

Dieser Auffassung schließt sich der BGH nicht an und hält fest, dass eine Anwendung formal gesehen schon nicht in Betracht kommen könne, da der Anlass „vor Rechtshängigkeit“ weggefallen sein müsse. Dem sei hier aber gerade nicht so, denn die Mitteilung über die Vermietung zum gefragten Zeitpunkt in der Klageerwiderung habe im Verfahren offengelegt, dass dem Anspruch von vornherein die Grundlage gefehlt habe.

Fazit:

Der Beschluss zeigt auf, dass § 269 Abs. 3 ZPO mit Blick auf die Erledigung entsprechend § 91a ZPO interpretiert werden muss. Ein „Anlass zur Einreichung der Klage“ kann daher nicht angenommen werden, wenn die Klage aus objektiver Sicht zu keinem Zeitpunkt begründet war. Denn auf diesen Fall ist die Vorschrift gerade nicht anwendbar.

War eine Klage also zu keinem Zeitpunkt zulässig und begründet, bleibt es bei der Regel, dass der Kläger bei Rücknahme die Kosten trägt.

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