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Aus aktuellem Anlass: Facebook und der postmortale Persönlichkeitsschutz

Die Persönlichkeit des Menschen wird über den Tod hinaus geschützt.

Aus aktuellem Anlass ist es erforderlich darauf hinzuweisen, dass der Berichterstattung über Verstorbene klare Grenzen gesetzte sind. Nach dem Terroranschlag in Russland, bei dem auch ein junger Deutscher ums Leben kam, über welchen nun in einschlägigen Medien umfassend identifizierend berichtet wird, ist es wichtig, die diesbezüglichen Vorgaben  zu verdeutlichen, da die Medien diese Vorgaben leider nicht immer respektieren.

Nach Todesfällen im Zusammenhang mit Ereignissen, die die Öffentlichkeit in besonderem Maße interessieren, wie z. B. Flugzeugabstürze oder – wie aktuell – ein Terroranschlag, fangen Journalisten bestimmter Medien an, das Umfeld der Toten systematisch zu durchleuchten, um an Informationen zu gelangen.

Dabei ist wieder einmal das Internet eine sehr hilfreiche Unterstützung. Im Internet kann man über soziale Netzwerke wie „facebook“ am schnellsten an sehr persönliche Informationen über die Verstorbenen gelangen. Neben den privaten Hobbies kann man insbesondere Fotos finden, um die Artikel mit diesen Fotos zu „schmücken“. So wurden in der Vergangenheit immer wieder Fotos – insbesondere von „facebook“ – ohne jegliche Rücksprache mit den Angehörigen veröffentlicht, um den Opfern in der Berichterstattung „ein Gesicht zu geben“. Dass  durch eine solche Bildberichterstattung auch die Neugierde einer bestimmten Leserschaft befriedigt und damit auch die Auflage gesteigert wird, ist ein weiterer Gedanke hinter solchen Vorgängen, der offensichtlich stärker ist als der Gedanke, journalistische Sorgfaltspflichten zu beachten.

Ein solches Vorgehen bestimmter Boulevard-Medien ist nicht nur moralisch in besonderem Maße verwerflich, sondern zudem in den Fällen ohne Autorisierung auch grundsätzlich rechtsverletzend.

Der Bildnisschutz eines Verstorbenen wird über § 22 S. 3 KUG in die Hände der Angehörigen gelegt, welche das besondere Persönlichkeitsrecht des Bildnisschutzes dann für den Verstorbenen ausüben können.

Nach § 22 S. 3 KUG darf eine Veröffentlichung jeglichen Bildnisses des Verstorbenen ausdrücklich nur nach Einwilligung der Angehörigen erfolgen. Wird ein Bildnis damit ohne Rücksprache mit den Angehörigen veröffentlicht, ist diese Veröffentlichung grundsätzlich immer rechtswidrig und sollte umgehend untersagt werden. Das Einwilligungserfordernis der Angehörigen wird über einen Zeitraum von zehn Jahren nach dem Tod des Abgebildeten durch den Gesetzgeber gewährt. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.

Zu problematisieren ist im Rahmen einer juristischen Prüfung dann immer noch, ob eine Veröffentlichung ausnahmsweise einwilligungsfrei erfolgen durfte, weil es sich nach § 23 Abs. 1 um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Zunächst einmal ist diesbezüglich festzustellen, dass die verwendeten Bildnisse zumeist in ganz anderem Kontext aufgenommen wurden und damit gerade nicht Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte sein müssen, obwohl das Ereignis, bei welchem der Verstorbene zu Tode kam, möglicherweise ein solches Ereignis der Zeitgeschichte ist. Zudem ist die Regelung des § 23 Abs. 2 KUG zu beachten, nach welchem eine nach den Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KUG grundsätzlich einwilligungsfreie Veröffentlichung wiederum rechtsverletzend ist, wenn durch die Veröffentlichung ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten beziehungsweise seiner Angehörigen verletzt wird.

Auch der Wortberichterstattung über einen Verstorbenen sind klare Grenzen gesetzt.

So sind selbstverständlich alle falschen Tatsachenbehauptungen über den Verstorbenen rechtsverletzend. Der postmortale Persönlichkeitsschutz ist nach den Vorgaben der Rechtsprechung zwar enger als der Schutz bei Lebenden, gewährleistet wird aber insbesondere ein zu respektierender Wert- und Achtungsanspruch des Verstorbenen (BVerfG, NJW 1971, 1645, 1648). So sind beispielsweise negativ verzerrte Darstellungen des Verstorbenen durch eine Wortberichterstattung zu unterlassen.

Unserer Kanzlei sind Fälle bekannt, in denen Journalisten gerade über soziale Netzwerke wie „facebook“ Kontakt mit Freunden der Verstorbenen aufgenommen haben, um – teilweise durch bewusste Täuschung über die Rolle als Journalist  – an Informationen und Fotos zu gelangen.

Eine Untersagung der noch bevorstehenden, rechtverletzenden Berichterstattung ist in vielen Fällen grundsätzlich auch schon vor der zeitnah erfolgenden Veröffentlichung möglich, da aufgrund der Umstände des konkreten Einzelfalls eine sogenannte Erstbegehungsgefahr in Bezug auf die drohende Veröffentlichung bestehen kann.

Die Umsetzung dieses vorgreifenden Schutzes durch Untersagung der ersten Veröffentlichung ist in der Praxis aber meist nur schwer umsetzbar. Für die anwaltliche Beratung ergibt sich in diesen Fällen die Problematik nämlich zumeist gerade nicht aus den rechtlichen, sondern aus den tatsächlichen Umständen.

Die Angehörigen als Rechteinhaber haben zunächst in der ersten Trauerphase keinen Blick für das Handeln der Presse und sollten in dieser Trauerphase auch schlicht und einfach in Ruhe gelassen werden. Weil sie sich nicht mit Anwälten über Unterlassungsansprüche unterhalten wollen und können. Da die Presse aber mit erheblichem Zeitdruck arbeitet, welcher wiederum dem Quotendruck geschuldet ist, wird keine Rücksicht auf eine Trauerphase genommen. So ist in vielen Fällen die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs vor der ersten Veröffentlichung von Fotos aus tatsächlichen Gründen nicht möglich. Da der Anspruch auf Unterlassung aber nach der ersten Veröffentlichung in jedem Fall weiter besteht und gerade im Internet die Verbreitung in erheblich stärkerem Maß erfolgt als bei Printmedien, sollte der Anspruch auf Unterlassung nach der ersten Trauerphase in aller Konsequenz durchgesetzt werden, wenn dies von den Angehörigen, welche am Besten im Sinne des Verstorbenen entscheiden können, dann gewollt wird.

Um das Andenken des Verstorbenen zu wahren, benötigt es in den meisten Fällen keine, den Verstorbenen in der breiten Öffentlichkeit identifizierende, Berichterstattung, insbesondere nicht durch Veröffentlichung von Fotos des Verstorbenen. Etwas anderes gilt ausschließlich für die Fälle, in denen die Angehörigen einer Veröffentlichung von Fotos ausdrücklich zugestimmt haben, um damit einen Weg der Trauer zu finden. (ha)

 

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