Abwerben von Mitarbeitern: Wie weit dürfen Headhunter gehen?
Das Auffinden und Abwerben von qualifiziertem Personal gehört grundsätzlich zu den anerkannten Prinzipien der freien Marktwirtschaft. Doch wie weit dürfen Headhunter im Einzelnen gehen, insbesondere wenn diese potentielle Arbeitnehmer direkt an ihrem Arbeitsplatz kontaktieren? Wir klären auf.
Rosenkrieg unter Arbeitgebern
Gutes Personal ist auf dem Arbeitsmarkt ähnlich begehrt wie die „Hauptdarsteller“ des RTL-Quotenhits „Der Bachelor“. Während im Falle der Fernsehshow die Dschungelcamp-Bewohner von morgen um die Gunst des Objekts der Träume werben, läuft dies in der Wirtschaft professioneller ab. Headhunter sind hier spezialisierte Experten, die gezielt nach Fachkräften auf dem Arbeitsmarkt suchen. Die Arbeit der Dienstleister wird dabei angesichts sinkender Zahlen von Beschäftigungslosen immer begehrter.
Zwangsläufig kollidieren hier oftmals die Interessen konkurrierender Unternehmen miteinander. Arbeitgeber, die Stellen besetzen wollen, geraten in Konflikte mit solchen, die ihr Personal zu halten versuchen. Während die einsamen Kandidaten bei RTL jeden Mittwoch Abend ohne jegliche Hilfe auskommen müssen, wendet sich der versierte Personalchef an besagte Headhunter.
Lizenz zum Abwerben
Grundsätzlich gilt: Das Abwerben von Arbeitnehmern ist als anerkanntes Prinzip der freien Marktwirtschaft durchaus zulässig. Dies hat zwei einfache Gründe. Einerseits steht es jedem Arbeitnehmer frei, wem er letztlich seine metaphorische Rose überreichen, ergo für wen er im Einzelnen arbeiten will. Auf der anderen Seite dürfen Unternehmen, die neues Personal suchen, auch bei der Konkurrenz die Augen offenhalten und potentiellen Arbeitnehmern lukrative Offerten machen.
Während beim Privatsender-Casanova besonders unverfrorenes Herangehen mit guten Quoten belohnt wird, gelten im Falle der Headhunter bestimmte Regeln. So hat der Bundesgerichtshof bereits 2007 diverse Grundsätze für das Abwerben von Personal via Festnetztelefon oder Handy unmittelbar am Arbeitsplatz aufgestellt (BGH, Urteil v. 22.11.2007, Az. I ZR 183/04).
Abwerben nach Regeln
Demnach ist der Arbeitgeber zunächst verpflichtet, ein solches Herantreten zu dulden. Dies gilt allerdings nur in einem bestimmten Maße. So dürfen Headhunter lediglich eine einmalige, kurze Kontaktaufnahme initiieren. Hier darf zunächst nach einem grundsätzliche Interesse gefragt werden. Besteht ein solches, darf die freie Stelle kurz erläutert und gegebenenfalls der Termin eines Treffens nach Büroschluss besprochen werden.
Geht das Telefonat über diese Vorgaben hinaus, beispielsweise wenn der Angeworbenen nach seinen Qualifikationen und Referenzen befragt wird, liegt ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vor. Dann nämlich handelt es sich nicht mehr um ein „Recruiting“-Gespräch, sondern bereits um ein konkretes Abwerben. Ein solches stellt am Arbeitsplatz des Konkurrenten eine unlautere geschäftliche Handlung dar, die bewusst und zielgerichtet den Mitbewerber schädigen kann und soll.
Hierunter fallen grundsätzlich alle Handlungen, die im Zuge der Kontaktaufnahme mit Arbeitnehmern primär die Leistungsfähigkeit des Mitbewerbers schwächen sollen, wie etwa die Erschleichung von Geschäftsgeheimnissen oder das Abwerben von Kunden. Auch die Art und Weise des Herantretens ist hier entscheidend. Werden beispielsweise verunglimpfende Aussagen über den bisherigen Arbeitgeber getroffen oder werden irreführende und unwahre Angaben zur neuen Stelle gemacht, ist dies stets unlauter.
Arbeitskollege adé
Vollends unzulässig ist dagegen das Abwerben von Arbeitskollegen durch den Arbeitnehmer selber. Dies gilt beispielsweise dann, wenn ein solcher bereits seine Kündigung eingereicht hat. Wird nun der neuen Stelle bereits eifrig entgegengefiebert, dürfen beliebte Kollegen nicht dazu bewegt werden, ebenso dem Arbeitgeber den Rücken zu kehren. Dies folgt aus der im Arbeitsvertrag verankerten Treuepflicht zu Unternehmen und Arbeitgeber. Eine solche existiert beim „Bachelor“ übrigens nicht…
Darüber hinaus ist auch ein persönlicher Besuch des Headhunters in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers stets unzulässig. Neben vermeintlichen Verstößen gegen die Hausordnung wird hier das Wettbewerbsrecht verletzt, da aktiv in die Betriebsabläufe eingegriffen wird und diese gestört werden können.
Fazit
Die Kontaktaufnahme und damit potentielle Übernahme des eigenen Personals ist also zumindest in gewissem Maße zulässig. Fraglich ist, wann sich der Arbeitgeber gegen ein unzulässiges Herantreten am effektivsten zur Wehr setzen kann. Die Schwelle ist hier immer dann überschritten, wenn eine zielgerichtete Schädigung der Konkurrenz im Vordergrund steht und nicht die Suche nach neuen Fachkräften.
In diesem Fall stehen dem Arbeitgeber wettbewerbsrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gegen den Headhunter zu. In bestimmten Konstellationen kann auch ein temporäres Beschäftigungsverbot für den abgeworbenen Ex-Kollegen erlassen werden.
Soll darüber hinaus auch verhindert werden, dass Personal auf legalem Wege abgeworben wird, können besondere Kündigungsfristen im Arbeitsvertrag für mehr Sicherheit sorgen.
Am einfachsten ist aber wohl, dem Arbeitnehmer ein angenehmes und erstrebenswertes Arbeitsumfeld anzubieten. Zufriedene Mitarbeiter lassen sich schwerer abwerben. Hier besteht auch beim „Bachelor“ noch Aufklärungsbedarf: Sämtliche durch die Fernsehshow zustande gekommenen Traumpaare sind inzwischen wieder getrennt…