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Angeklagter im Holzklotz-Fall darf nur "verpixelt" gezeigt werden

Das Bundesverfassungsgericht hat in einem einstweiligen Anordnungsverfahren am 27.11.2008 (BVerG, Beschluss vom 27.11.2008, 1 BvQ 46/08) über die Zulässigkeit der nicht anonymisierten Berichterstattung in dem sogenannten „Holzklotz-Fall“ entschieden.

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht auch einen Streitfall im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder für das Gemeinwohl dringend geboten ist. Bei der Prüfung der Zulässigkeit eines solchen „verfassungsrechtlichen Eilantrages“ haben die Gründe, die für eine Verfassungswidrigkeit der Maßnahme vorgetragen werden, außer Betracht zu bleiben. Der Eilantrag ist jedoch abzulehnen, wenn eine entsprechende Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet wäre. Bei offenem Ausgang müssen die Nachteile der jeweiligen Entscheidung abgewogen werden.

In dem vorliegenden Fall ging es um die Berichterstattung der Antragstellerin, die im Gerichtssaal auf Weisung des Vorsitzenden Richters Aufnahmen des Angeklagten machen durfte. Der in diesem Strafverfahren Vorsitzende Richter schränkte dieses Recht insoweit ein, als dass Bildaufnahmen des Angeklagten nur im anonymisierten Zustand (bspw. „verpixelt“) veröffentlicht werden dürfen.

Hiergegen wehrt sich die Antragstellerin, die der Auffassung ist, dass hierdurch das Grundrecht auf Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz verletzt werde. Der Richter hätte im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung das grundrechtlich geschützte Berichterstattungsinteresse mit dem Persönlichkeitsrecht des Angeklagten abwägen müssen. Dies habe er nicht getan. Gerade wegen der Schwere der Tat, der großen Nachahmungsgefahr und der damit verbundenen Unsicherheit der Bevölkerung bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse an der bebilderten Berichterstattung. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Angeklagte sich selbst bereits vor Beginn des Prozesses in die mediale Öffentlichkeit begeben hat.

Das Bundesverfassungsgericht sah dies anders.

Trotz des unstreitig bestehenden erheblichen Informationsinteresses der Öffentlichkeit an diesem außergewöhnlich verwerflichen Fall, überwiegt vorliegend der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Angeklagten. Das Bundesverfassungsgericht argumentiert im Sinne des Grundsatzes „In dubio pro reo“. Dementsprechend gewinnt der Persönlichkeitsschutz der Verfahrensbeteiligten in Gerichtsverfahren eine über den allgemein in der Rechtsordnung anerkannten Schutzbedarf hinausgehende Bedeutung, dies gilt insbesondere für den Angeklagten.

Das Gericht stellt hierzu fest:

Während der Täter einer Straftat sich nicht nur den hierfür verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen, sondern auch dulden muss, dass das von ihm selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in freier Kommunikation auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird, gilt dies für den noch nicht rechtskräftig verurteilten Angeklagten nicht in gleicher Weise. Die bis zur rechtskräftigen Verurteilung zugunsten des Angeklagten sprechende Unschuldsvermutung, die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ableitet, gebietet eine entsprechende Zurückhaltung, mindestens aber eine ausgewogene Berichterstattung. Außerdem ist eine mögliche Prangerwirkung zu berücksichtigen, die durch eine identifizierende Medienberichterstattung bewirkt werden kann.“

Eine Stigmatisierung des Angeklagten durch eine andauernde bildliche Berichterstattung über das Strafverfahren wäre auch bei einem späteren Freispruch wahrscheinlich und würde dessen Persönlichkeitsrechte erheblich verletzen. Da die richterliche Anordnung außerdem auf die Person des Angeklagten beschränkt ist, trage sie den Belangen der Pressefreiheit ausreichend Rechnung, so dass Gericht. Diese Eil-Entscheidung – die ersichtlich die Hauptsache vorweg nimmt – ist unanfechtbar (nh).

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