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Der Diesel-Skandal ist ein profitables Geschäft für Anwälte: Kanzlei lobte Provision von 150 € pro Fall aus – unzulässigerweise

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Unzulässige Anwaltswerbung Dieselskandal
Photo by frank mckenna on Unsplash

§ 49 b Abs. 3 S. 1 BRAO besagt: „Die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art, ist unzulässig.“

Eine Anwaltskanzlei in Rheinland-Pfalz hat offenbar dagegen verstoßen. Sie machte sich einen der größten Skandale der Automobilindustrie zunutze und versuchte mit „Tippgeberzahlungen“ Aufträge für individuelle Prozessführungen gegen den VW-Konzern zu ergattern versucht. Das berichtet LTO.  

Kontaktaufnahme zu Versicherungsvermittlern

Die Kanzlei schickte im Juli 2019 an mehrere Versicherungsvermittler ein Anschreiben, in dem sie für sich als marktführende Kanzlei in Themen Diesel-Abgasskandal und Autokredit-Widerruf warb und den Versicherungsvermittlern einen „Tippgeberbetrag“ i. H. v. 150 Euro für jede einzelne Kundenverweisung versprach. Die ins Visier genommenen Kunden waren vom Diesel-Abgasskandal betroffene Kfz-Versicherungskunden. Darüber hinaus enthielt das Angebot eine Vertraulichkeitsabrede sowie die Bedingung, dass der Versicherungsvermittler der Kanzlei ein umfangreiches Profil des jeweiligen Kfz-Schadens zur Verfügung stellen müsse, bevor sich die Kanzlei des Mandates annehme.

Damit versuchte die Kanzlei Kfz-Versicherungskunden, die sich der Musterfeststellungsklagen gegen VW vor dem OLG Braunschweig anschließen könnten, als potenzielle Mandanten für zahlreiche individuelle Klagen zu gewinnen.

Keine sachliche Anwaltswerbung

43b 1. Hs. BRAO lässt ausschließlich eine sachliche Anwaltswerbung zu. Ein Anschreiben aber, das den Versicherungsvermittlern ein Angebot zum Abschluss eines nach §49 b Abs. 3 S. 1 BRAO gesetzeswidrigen Vertrags unterbreitet, ist gem. § 134 BGB nichtig. Es wäre widersinnig, ein nichtiges Rechtsgeschäft als sachliche, also zulässige Anwaltswerbung einzustufen.

Durch die Akquisemaßnahmen hat die Kanzlei mehrfach gegen das Gesetz verstoßen. Die Mitwirkung daran, dass Dritte für den Anwalt Werbung betreiben, die ihm selbst verboten ist (vgl. § 6 III BRAO), die Werbung auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall (gem. § 43b BRAO) sowie die Abgabe von Gebühren für die Vermittlung von Einzelaufträgen (gem. § 49b BRAO) sind nach dem Gesetz ausdrücklich unzulässig. Deren Tatbestand durch die rheinland-pfälzische Kanzlei aber erfüllt.

Rechtsfolge von Verstößen gegen die BRAO

Bei Verstößen gegen die BRAO muss der Anwalt eine Rüge seiner Kammer, eine Missbilligung oder auch ein anwaltsgerichtliches Verfahren befürchten (§ 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO, § 74 Abs. 1 BRAO, § 113 BRAO). Das Anwaltsgericht kann eine Warnung, einen Verweis, Geldbuße bis 25.000 €, ein befristetes Berufsverbot (§ 140a BRAO) oder schließlich sogar die Ausschließung aus der Anwaltschaft und ein endgültiges Berufsverbot verfügen (§§ 150 ff. BRAO). Die Einzelfallumstände deuten hier auf einen hohen Schuldgrad hin, sodass das einschneidende Strafrecht eingreifen müsste.

Unzulässige Anwaltswerbung ist kein Einzelnphänomen

Zunehmend sind die Werbepraktiken in letzter Zeit in die Kritik geraten und wir haben mehrfach Erfolge im Zusammenhang mit unzulässigen Werbungspraktiken erzielt. LHR hat immer wieder einstweilige Verfügungen erwirkt, in denen Anwaltswerbung als irreführend und herabsetzend eingestuft worden ist (vgl. nur LG Hamburg, Beschluss v. 12.9.2016, Az. 327 O 363/16).  Der werbende Anwalt hatte in diesem Fall den Verletzten namentlich kritisiert, weil er Kunden abgemahnt hatte, die ihn auf einer Verkaufsplattform negativ bewertet hatten. Die öffentliche Kritik enthielt den Vorwurf von Kalkül, um Kunden einzuschüchtern.

Dies ging bereits zu weit, wie das Landgericht damals bestätigte. Die Werbung im Zusammenhang mit dem Dieselskandal erst recht.

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