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Erster Erfolg vor dem LG Hildesheim: Amazon gibt kurz vor mündlicher Verhandlung Guthaben von fast 30.000 € frei

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Wir hatten darüber berichtet:

Das Landgericht Hildesheim hat in einer einstweiligen Verfügung vom 26.6.2019 beschlossen, dass Amazon die Sperre eines Verkäuferkontos unverzüglich aufheben, gelöschte Angebote wiederherstellen sowie vorhandenes, einbehaltenes Guthaben auf dem Konto umgehend freigeben muss. Im Falle der Zuwiderhandlung droht ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € oder bis zu sechs Monate Ordnungshaft.

Der für sich genommen nicht sonderlich bemerkenswerte Vorgang hat sich aufgrund – gelinde gesagt – ungewöhnlicher Vorkommnisse zu einer Angelegenheit entwickelt, die man als Posse bezeichnen könnte, wenn sie nicht so ernst wäre.

Amazon hält sich nicht an das Verbot, vereitelt die Zustellung, räumt aber ungeniert ein: Kündigungsgrund war nur vorgeschoben

An die Verbotsverfügung hält sich nämlich Amazon in Bezug auf die Konto-Deaktivierung bis heute nicht – der Händler ist nach wie vor gesperrt.

Amazon macht vor Gericht zudem keinerlei Hehl draus, dass der Kündigungsgrund nur vorgeschoben war und verteidigt sich anstelle von Sachargumenten vor allem mit prozessualen Besonderheiten, die sich aus den eigenen AGB ergeben sowie mit der angeblich fehlerhaften Vollziehung der Verfügung. Danach könne Amazon jeden jederzeit und ohne Begründung sperren bzw. kündigen. Der Händler könne außerdem vor deutschen Gerichten gar nicht klagen, er müsse dies in Luxemburg tun.

Amazon verschweigt wichtige Änderungen der Vertragsbedingungen

Was Amazon bisher nicht erwähnt hatte: Die AGB gelten in dieser Form gar nicht mehr. Der Konzern verpflichtete sich bereits im Juli 2019 auf Druck des Bundeskartellamts, unter anderem diese Regelungen zu Gunsten der rund 300.000 Amazonhändler abzuändern, um eine nicht unerhebliche Geldstrafe zu vermeiden und hat dies mit einer Aktualisierung dieser Vertragsbedingungen am 16.8.2019 auch bereits getan.

Die bisherige Chronologie kann in den folgenden Beiträgen nachgelesen werden:

Amazon stellt AGB-Änderung unstreitig, behauptet jetzt Kündigung

Unter dem Druck unserer Berichterstattung hat Amazon die Änderungen in einem aktuellen Schriftsatz gegenüber dem Landgericht zwar schnell unstreitig gestellt.

Wer davon ausgeht, dass der Konzern daraus auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen würde, der irrt. Anstatt die entsprechende Rechtsverteidigung aufzugeben, behauptet Amazon nun in den neuesten Ausführungen, dass der betroffene Händler nicht bloß gesperrt bzw. sein Konto deaktiviert worden sei, sondern dass diesem sogar „unstreitig“gekündigt worden sei. Die triumphierende Schlussfolgerung Amazons: Händlern, mit denen Amazon nicht mehr in einem Vertragsverhältnis stehe, könne auch eine AGB-Änderung nicht mehr zugute kommen.

Von einer Kündigung ist dem Händler allerdings bisher nichts bekannt geworden. Im Gegenteil. Im Backend des Kontos wird der Status nach wie vor als „gültig“ angegeben.

Amazon gibt kurz vor mündlicher Verhandlung Guthaben von fast 30.000 € frei

In Bezug auf die eingefrorenen Beträge, die der Auffassung Amazons grundsätzlich  für einen unbestimmten Zeitraum („90 Tage oder länger“) einbehalten werden können, wurde es den Verantwortlichen offenbar jetzt zu heikel: Amazon hat nach einem Antrag der Antragstellerin, Amazon ein nicht unerhebliches Ordnungsgeld aufzuerlegen, einige Tage vor mündlicher Verhandlung nun wenigstens das „eingefrorene“ Guthaben des Händlers von fast 30.000 € endlich freigegeben und an diesen überwiesen.

Das Gericht wird so voraussichtlich nur noch über die Freischaltung des Kontos zu entscheiden haben. Wir werden weiter berichten.

UPDATE 9.9.2019

(Offenlegung: Unsere Kanzlei vertritt die Antragstellerin.)

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