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Cordoba: Schafft der EuGH das Urheberrecht für Private ab?

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© DavidShaun – fotolia.com

Im Rahmen eines Schulreferates hatte eine Schülerin ein frei verfügbares Bild aus dem Internet genutzt. Das Referat samt Bild wurde auf der Internetpräsenz ihrer Schule veröffentlicht. Der Fotograf erhob daraufhin Klage, mit der sich letztlich der Bundesgerichtshof und der Europäische Gerichtshof auseinandersetzten.

Jetzt hat der Generalanwalt seine Empfehlung zum Fall ausgesprochen. Und die dürfte Urhebern nicht gefallen.

Fotograf verklagt Bundesland

Bei der strittigen Fotografie handelte es sich um eine Panoramaaufnahme der Stadt Córdoba. Die Schülerin hatte das Bild auf der Seite eines Reisemagazins gefunden und in ihren Vortrag eingefügt. Unter der Fotografie hatte sie eine Verlinkung zu der entsprechenden Internetseite angeführt, welche allerdings selber keine Hinweise zum Urheber bereithielt. Wenig später wurde das Referat inklusive Bild auf die Homepage der Schule geladen. Der Urheber des Fotos hatte daraufhin die Stadt Waltrop, in der sich die Schule befand, sowie das Bundesland Nordrheinwestfalen auf Unterlassung und Schadensersatz verklagt.

Einzelheiten zum Fall und bisherigen Verfahrensgang finden sich hier:

EuGH-Generalanwalt: Keine öffentliche Wiedergabe

Der BGH legte die Entscheidung letztlich dem europäischen Gerichtshof vor. Kernfrage war dabei, ob es sich bei dem Hochladen des Bildes um eine „öffentliche Wiedergabe“ gemäß Artikel 3 Absatz 1 der Urheberrechtsrichtlinie (Richtlinie 2001/29/EG) handelt (BGH, Beschluss v. 23.2.2017, Az. I ZR 267/15 und EuGH, Rechtssache C-161/17 – Renckhoff).

In seinem Schlussantrag betonte Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona, dass es keine erlaubnispflichtige, öffentliche Wiedergabe darstelle, ein Schulreferat auf der Schulhompage einzustellen, das ein frei im Netz zugängliches Foto aus einem Online-Reisemagazin enthält.

Bemerkenswerte Thesen

Zusammengefasst legt der Generalanwalt seinem Vorschlag die folgenden Aspekte zu Grunde, die nach dem deutschen Verständnis des Urheberrechts keine oder jedenfalls nur am Rande eine Rolle spielen würden.

Da noch nicht feststeht, ob der EuGH den bemerkenswerten Thesen des Generalanwalts folgen wird und diese vielleicht ohnehin bald in den Tiefen des Archivs des Europäischen Gerichtshofs verschwinden werden, werden wir nicht den Versuch wagen, diese systematisch einzuordnen.

Grundsätzlich mutet es jedoch bereits denklogisch merkwürdig an, die Beurteilung, ob der objektive Tatbestand einer Norm erfüllt sein könnte, danach auszurichten, in welcher Absicht sie ausgeführt wurde. Diese Überlegungen klangen bereits in der Framing-Entscheidung des EuGH (EuGH, Urteil v. 8.9.2016, Az. C-160/15) an und bereiteten deutschen Gerichten bereits Schwierigkeiten:

Wir listen die Thesen daher nur wie folgt stichpunktartig auf und ziehen daraus jeweils ein – zugegebenermaßen — spitz formuliertes Fazit.

Das Bild hatte bloß akzessorischen Charakter auf der Homepage der Schule als Bestandteil des Referats  

Die Schülerin und die Schule hatten nicht die Absicht, die Betrachtung der Fotografie von Córdoba weit über das hinaus zu erstrecken, was ihr Einstellen auf der Internetseite des Reisemagazins mit sich brachte (dessen potenzielle Adressaten wahrscheinlich über die Besucher einer bescheidenen Schulseite hinausgehen).

  • Fazit: Wer eine bestimmte Handlung nicht vorsätzlich begeht, muss dafür nicht haften

Das Bild war ohne Hinweis auf Nutzungsbeschränkungen auf dem Internetportal eines Reisemagazins veröffentlicht

Die Schülerin und der Lehrer handelten sorgfältig, und es könne ihnen nicht zum Vorwurf gemacht werden, den Namen des Fotografen, der nicht am Fuß des Bildes angegeben war, nicht genannt zu haben. Umgekehrt könne vom Rechtsinhaber daher eine gewisse Sorgfalt bei seinem Schutz verlangt werden, um verstärkte Konflikte mit den Nutzern“ zu vermeiden.

  • Fazit: Wer im Internet Lichtbilder veröffentlicht, ohne sie zu kennzeichnen, verliert den Urheberschutz

Fehlende Gewinnerzielungsabsicht

Die Schülerin und die Schule handelten ohne Gewinnerzielungsabsicht. Im schulischen Kontext könnten diejenigen, die dank der auf der Internetseite eingestellten Arbeit Zugang zu der Fotografie haben, nicht als „Kunden“ im geschäftlichen Sinn betrachtet werden. Dieses Element spielte bereits eine Rolle in einer EuGH-Entscheidung, in der die Herausgeberin des „Playboy“ geklagt hatte , nachdem ein holländisches Portal auf eine weitere Homepage mit geschützten Inhalten verlinkt hatte, für die es keine Veröffentlichungsgenehmigung gegeben hatte (EuGH, Urteil v. 8.9.2016, Az. C-160/15 – GS Media).

  • Fazit: Private können keine Urberrechtsverletzungen begehen

Das Bild erreichte kein neues Publikum

Das allgemeine Internetpublikum, das die Internetseite des Reisemagazins besucht, ist dasselbe wie das, das sich für das Portal der Schule interessiert. Da das Bild für alle Internetnutzer leicht und rechtmäßig (also mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers) zugänglich war, ist nicht nachvollziehbar, wie das Tätigwerden der Schülerin und ihres Lehrers dafür entscheidend sein sollten, einer größeren Anzahl an Personen den Zugang zu ermöglichen.

  • Fazit: Wer im Internet Lichtbilder ohne Zugangsbeschränkungen veröffentlicht, verliert den Urheberschutz

EuGH schafft das Urheberrecht im privaten Bereich womöglich ab 

Der EuGH ist an diesen Vorschlag zwar nicht gebunden, faktisch folgt er jedoch in etwa dreiviertel aller Fälle den Vorschlägen des Generalanwalts. Unsere Befürchtung, dass sich das Verfahren vor dem EuGH vom Krimi zum Drama entwickeln könnte, scheint sich daher zu bestätigen.

Bereits im Januar 2018 hatten wir die Folgen einer solchen Rechtsprechung wie folgt skizziert:

De facto führt nach dieser Auffassung  jede Veröffentlichung eines Werks durch den Urheber im Internet zu dessen Gemeinfreiheit insofern, dass jeder Dritte dieses, losgelöst von einer Funktion des Framings, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, weiter öffentlich zugänglich machen kann. Dann wäre für das Urheberrecht im Zeitalter des Internets nahezu kein Raum mehr. Dies gilt nach den Überlegungen des Generalanwalts jedenfalls für private Handlungen.

Europäische „Fair Use“-Doktrin?

Es könnte sein, dass der EuGH ohne es zu merken bzw. jedenfalls ohne sie als solche zu bezeichnen, eine europäische Variante Art der zum Beispiel im US-amerikanischen Copyright geltenden „Fair Use“-Doktrin einführen wird.

„Fair Use“ besagt, dass die Wiedergabe urheberrechtlich geschützten Materials zum Zwecke der Kritik, der Stellungnahme, der Berichterstattung, der Bildung und der Wissenschaft keine Urheberrechtsverletzung darstellt. Ob eine Verwendung urheberrechtlich geschützten Materials angemessen ist oder nicht, ist im Einzelfall nach folgenden Kriterien abzuwägen:

  1. Zweck und Art der Verwendung (gewerbsmäßig oder nicht; umgestaltende Nutzung oder nicht (sog. transformative use)
  2. Art des urheberrechtlich geschützten Werks
  3. Umfang und Bedeutung des verwendeten Auszugs im Verhältnis zum ganzen Werk
  4. Auswirkung der Verwendung auf den Wert und die Verwertung des geschützten Werks

Ein Unterlassungsanspruch wird sich für den Urheber zwar womöglich auch zukünftig losgelöst vom Ausgang des Verfahrens vor dem EuGH gestützt auf die Verletzung seines Vervielfältigungsrechts durchsetzen lassen.

Sollte der EuGH jedoch entscheiden, dass es sich bei der streitgegenständlichen Handlung nicht um eine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Richtlinie handelt und bleibt dem Urheber dann eben auch „nur“ die Verletzung des Vervielfältigungsrechts, wird dies erhebliche Konsequenzen für die Annexansprüche, wie zum Beispiel den Schadensersatzanspruch haben. Denn es ist davon auszugehen, dass die Verletzung des Urheberrechts durch eine einmalige Vervielfältigungshandlung, wie zum Beispiel das Speichern auf dem Server des Verletzers, weitaus geringer wiegt, als das unbeschränkte Bereithalten auf der Webseite gegenüber der breiten Publikumsmasse des Internets.

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