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BGH bestätigt Rechtsprechung unterer Gerichte: MFM-Tabelle nur auf „Profifotos“ anwendbar

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BGH: MFM-Tabelle nur auf „Profifotos“ anwendbar
Photo by Jakob Owens on Unsplash

Fotoklau ist eine ärgerliche Angelegenheit. Verständlich also, wenn der Fotograf im Wege des Schadensersatzes dagegen vorgehen möchte.

Doch die Höhe des Anspruches hinge von der Professionalität des Fotos ab, so die Richter des BGH. Daneben äußern sie sich zum sog. Anscheinsbeweis und zur Auslegung strafbewehrter Unterlassungserklärungen.

Der bearbeitende Fotodieb

Der BGH hatte mal wieder einen klassischen Fotoklau-Fall zu entscheiden (Urteil v. 13.09.2018 – Az.: I ZR 187/17): Der Kläger fotografierte sein Auto. Das Foto stellte er in einem sozialen Netzwerk ins Internet. Dem Beklagten gefiel das Bild augenscheinlich, sodass er es auf seinem Computer speicherte und bearbeitete. Schließlich lud er die Bearbeitung im Internet hoch, um für eine seiner Veranstaltungen zu werben.

Der Kläger mahnte den Dieb ab und ließ sich strafbewehrt Unterlassung versprechen. Doch genügte dies nicht, den Kläger zufriedenzustellen. Auch nach der Erklärung verletze der Beklagte die Rechte des Klägers und verstoße gegen die Unterlassungserklärung. Es wurde geklagt bis in die Revisionsinstanz. 

MFM-Tabelle und Schadensersatz

Der Erste Zivilsenat hatte sich nun mit der Berechnung der Höhe von Schadensersatzforderungen zu beschäftigen. Im vorliegenden Urteil geht es um die Berechnung nach der sog. Lizenzanalogie. Danach bemisst sich die Höhe der Forderung nach einer hypothetischen Lizenzgebühr: Maßgeblich ist, welchen Betrag der Fotograf vernünftigerweise für die konkrete Nutzung hätte verlangen können, wenn der Nutzer sich diese hätte lizensieren lassen. 

Hat der Fotograf – wie im vorliegenden Fall – keine am Markt durchgesetzte Lizensierungspraxis vorzuweisen, wird die Ersatzforderung anhand branchenüblicher Vergütungssätzen und Taxen bestimmt. Für die Bestimmung branchenüblicher Vergütungssätze ziehen Richter regelmäßig die MFM-Tabelle (Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing-Tabelle) heran. 

MFM-Tabelle nicht auf Amateur-Fotos anwendbar

Die Richter des Ersten Zivilsenates orientierten sich dieses mal aber nicht an den MFM-Empfehlungen. Es sei in Zweifel zu ziehen, ob die MFM-Tabelle überhaupt branchenübliche Vergütungssätze enthalte. Jedenfalls diene die Tabelle nicht als Grundlage zur Berechnung der durchschnittlichen Lizenzgebühr für Amateur-Fotos. Es sei nicht plausibel, dass sich die Parteien bei der Vereinbarung einer Lizenzgebühr an für professionelle Fotografen geltenden Maßstäben orientierten. 

Können keine branchenüblichen Vergütungssätzebestimmt werden, haben die Richter die Höhe der Forderung nach freier Überzeugung im Sinne des § 287 ZPO zu schätzen. Für die Schätzung komme es darauf an, ob das Foto professionell hergestellt wurde.

Danach lässt sich sagen: Je aufwendiger und künstlerischer das Bild, desto höher die Schadensersatzforderung. 

Prima-Facie-Beweis

Die Klägerseite klagte zudem aus einer sog. Verwirkung der Vertragsstrafe. Wer eine strafbewehrte Unterlassungserklärung unterzeichnet, hat grundsätzlich die Vertragsstrafe zu entrichten, wenn er der erteilten Erklärung zuwiderhandelt. Eine solche Zuwiderhandlung sah die Klägerseite, als sie das bearbeitete Bild auf der Internetseite eines Dritten entdeckte. 

Die Beklagte habe erklärt, es für die Zukunft zu unterlassen, weitere Rechtsverletzungen herbeizuführen, wie etwa die öffentliche Zugänglichmachung im Internet. Der Beweis des ersten Anscheins, der sog. Prima-facie-Beweis, spreche für eine Verwirkung der Vertragsstrafe durch den Kläger. Das liege quasi auf der Hand. Das Bild wurde schließlich durch ihn bearbeitet und es wirbt für seine Veranstaltung. Insofern habe er das Bild auch auf der Seite des Dritten hochgeladen. Folglich sei eine Verwirkung der Vertragsstrafe eingetreten.

Diesem sog. Anscheinsbeweis erteilte das Gericht eine Absage. Es sei nicht davon auszugehen, dass das betreffende Bild von dem Beklagten stammen müsse: „Im Internet veröffentlichte Inhalte können grundsätzlich von jedermann beliebig reproduziert werden.“ Ebenso denkbar wäre, dass ein beliebiger Dritter das bearbeitete Bild im Internet gefunden, es sich heruntergeladen und eigenverantwortlich anderweitig ins Internet gestellt habe. Aus diesem Grunde scheide eine Verwirkung durch den Beklagten aus.

Auslegung strafbewehrter Unterlassungserklärung

Die Klägerseite sah die Vertragsstrafe aber auch verwirkt, weil der Beklagte sich in der strafbewehrten Unterlassungserklärung verpflichtet habe, für eigene Verletzungshandlungen einstehen zu wollen. Diese Erklärung sei dahingehend auszulegen, dass sich der Unterlassungsschuldner dazu verpflichtet habe, einen eingetretenen Störungszustand zu beseitigen, sofern ihm dies möglich und zumutbar sei. Danach sei die Vertragsstrafe verwirkt, indem ein Dritter das Foto hochgeladen habe und es dem Beklagten möglich und zumutbar war, diese Verletzungshandlung zu verhindern.

Dies lehnte das Gericht ab. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass der Erklärende seine Handlungsfreiheit nicht weiter einschränken wolle, als der konkrete Verstoß es gebiete. Dabei stehe er nicht dafür ein, dass Dritte das Bild ins Internet stellen und öffentlich zugänglich machten.

Der Schuldner habe nur für Verletzungshandlungen einzustehen, die ihm wirtschaftlich zugutekämen und mit denen er ernstlich rechnen müsse. Das Gericht erkannte zwar einen wirtschaftlichen Vorteil durch Werbung für die Veranstaltung des Beklagten. Allerdings sei nicht ersichtlich, dass der Beklagte hätte erkennen können, dass eine erneute Verletzung durch den Dritten drohe.

Kurzum

Die Bestimmung der Höhe der Schadensersatzforderung erfolgte in der Vergangenheit nicht immer einheitlich. Die Richter zogen oft – aber nicht immer – die MFM-Tabelle heran. Nun sorgt der BGH jedenfalls im Amateur-Bereich für Rechtssicherheit: Auf Amateur-Fotos findet die MFM-Tabelle keine Anwendung. 

Auch wird der BGH durch seine Rechtsprechung zum Anscheinsbeweis den Anforderungen einer modernen Informationsgesellschaft gerecht: Bloß, weil die Bearbeitung eines Nutzers auf einer Internetseite auftaucht, begründet dies eben noch lange nicht die Annahme, der Bearbeiter selbst habe diese auch ins Internet gestellt. Ist die Bearbeitung einmal im Internet, so kann sie von jedermann beliebig vervielfältigt und öffentlich zugänglich gemacht werden. Auch scheint es geboten, die Auslegung des Vertragsstrafe-Versprechens auf Mögliches und Zumutbares zu beschränken. Konnte der Erklärende nicht ernstlich mit der Verletzungshandlung rechnen, so ist es billig, ihn aus der Haftung zu nehmen.

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