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Pippi Langstrumpf und das Urheberrecht

Pippi ist ein freches neunjähriges Mädchen mit Sommersprossen, dessen rotes Haar zu zwei abstehenden Zöpfen geflochten ist. Zudem vereinigt sie viele Eigenschaften in sich, die sich Kinder wünschen. So hat sie ein eigenes Pferd, lebt allein in einem eigenen Haus, der Villa Kunterbunt, und ist sehr mutig„,

so beschreiben die ersten Sätze bei Wikipedia die bekannte und beliebte Romanfigur von Astrid Lindgren.

Genau diese Vorgaben hat der BGH nunmehr in einer aktuellen Entscheidung (BGH, Urteil v. 17. Juli 2013, Az. I ZR 52/12) neben weiteren Eigenschaften von Pipi Langstrumpf herangezogen, um die urheberrechtliche Schutzfähigkeit dieser „fiktiven literarischen Figur“ zu begründen, welche nach den grundsätzlichen Vorgaben des BGH, gerade auch auch außerhalb der bekannten Geschichten als urheberrechtlich geschützte Sprachwerke, besteht.

Die Figur Pipi Langstrumpf ist grundsätzlich urheberrechtlich geschützt

Ein urheberrechtlicher Schutz besteht demnach, wenn die Figur „der Phantasie des Urhebers entsprungen, ausreichend individuell ist und auch außerhalb der konkreten Geschichte eine charakteristische und unverwechselbare Persönlichkeit aufweist“, wie das LG Köln bereits in der 1. Instanz treffend festgestellt hat (LG Köln, Urteil vom 10. August 2011, Az. 28 O 117/11).  Diese rechtliche Einschätzung wurde vor der nunmehr grundsätzlich erfolgten Bestätigung durch den BGH auch in der 2. Instanz durch das OLG Köln getragen (OLG Köln, Urteil vom 24. Februar 2012, Az. 6 U 176/11).

Auf den durch den BGH nunmehr bestätigten Umstand, dass auch fiktive Figuren urheberechtlichen Schutz genießen und insofern eine Verwendung dieser Figuren immer mit gewisser Vorsicht bzw. Sorgfalt zu genießen ist, haben wir bereits vor geraumer Zeit im Zusammenhang mit Comic-Avataren bei Facebook hingewiesen.

Fiktive Figuren sind demnach immer dann geschützt, wenn sie sowohl in Bezug auf ihr Äußeres, als auch hinsichtlich der Eigenschaften, Charakterzüge, Fähigkeiten und Verhaltensweisen von ihrem jeweiligen Schöpfer ausreichend konkretisiert wurden und dadurch eine schützenswerte Eigenart innehaben.

Das Penny-Markt-Pippi-Langstrumpf-Kostüm verletzt das Urheberrecht nicht

Eine Verletzung des Urheberrechts durch die Bewerbung eines Pippi-Langstrumpf-Kostüms würde man nach diesen Vorgaben zur grundsätzlichen Schutzfähigkeit von Pippi Langstrumpf wahrscheinlich ohne mit der Wimper zu zucken bejahen. Schließlich weiß jedermann aus dem Bauch heraus und sogar „nachts um drei, jäh aus dem Schlaf geweckt“, wie Pippi aussieht und was ihren eigenwilligen, unangepassten Charakter ausmacht. Da der BGH aber weder aus dem Bauch heraus, noch nächtens schlaftrunken entscheidet, kam es jetzt bei der Entscheidung zu einer doppeltfaustdicken Überraschung: Trotz der allgemeinen Bestätigung zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Literaturfiguren verneinte der BGH im streitgegenständlichen Pippi Langstrumpf-Fall entgegen der vorherigen Entscheidungen des LG und des OLG Köln das Vorliegen einer Urheberrechtsverletzung durch die konkrete Verwendung der literarischen Vorgaben in der Bewerbung des Pippi-Langstrumpf-Kostüms durch die Handelskette Penny-Markt.

Gerade der Umfang der Verwendung der tatsächlichen literarischen Vorgaben in der konkreten Bewerbung des Kostüms haben den immer sehr genau prüfenden BGH zu seiner durchaus für Erstaunen sorgenden Entscheidung bewogen, zu welcher bislang lediglich eine Pressemitteilung vorliegt.

Wir erwarten die diesbezüglichen Entscheidungsgründe mit Spannung und werden uns derweil bezüglich des Themas Pippi Langstrumpf mit dem Auswendiglernen ihres vollen Namens begnügen: Pippilotta, Viktualia, Rollgardina, Pfefferminz, Efraimstochter Langstrumpf… nochmal: Pippilotta, Viktualia, Rollgardina,… (ha)

(Bild: shutterstock – goccedicolore.it)

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