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Böhmermanns Erben: „Nazi Schlampe“ – Zulässige Satire oder Verletzung von Persönlichkeitsrechten?

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zulässige Satire Pesönlichkeitsrecht
© Peter Atkins – Fotolia.com

Deutsche Gerichte werden sich nach Böhmermanns Schmähgedicht gegen Erdogan nun mit einer weiteren „Unter-Umständen“-Entscheidung zur Meinungsfreiheit befassen müssen.

Denn „unter Umständen“ könnte es Persönlichkeitsrechte einer Politikerin nicht verletzten, wenn sie öffentlich „Nazi-Schlampe“ genannt wird, z.B. dann, wenn die so bös‘ Titulierte im Vorfeld einer Satiresendung die Gesellschaft öffentlich aufruft, „die Political Correctness auf dem Müllhaufen der Geschichte zu begraben“.

Ist das Satire oder gehört das auf den Müllhaufen der Geschichte?

Der NDR-Satiriker Christian Ehring hat den Aufruf von AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel Ernst genommen und diese in einem Beitrag in der Sendung „Extra 3“ mit diesem zweifellos politisch unkorrekten Titel bedacht und damit eine interessante Diskussion zur Verortung der Meinungs- und Satirefreiheit in Deutschland eröffnet.

Ehring hatte in der Satire-Sendung auf Weidels Rede beim AfD-Parteitag in Köln reagiert:
„Jawohl. Schluss mit der politischen Korrektheit, lasst uns alle unkorrekt sein. Da hat die Nazi-Schlampe doch recht.“

NDR weist Unterlassungsbegehren zurück

AfD-Frontfrau Alice Weidel erwägt auf jeden Fall juristische Schritte gegen den NDR, denen dieser nach eigener Aussage „gelassen“ entgegensieht. Der Moderator Christian Ehring habe sich damit konkret auf Weidels Forderung bezogen, „die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte“, argumentiert der NDR. „Mit seiner satirischen Überspitzung zeigt er die Konsequenzen dieser Forderung, dass nämlich ohne politische Korrektheit die Beschimpfung von Menschen wieder salonfähig werden könnte.“

Zu keinem Zeitpunkt hätten er oder die Redaktion Alice Weidel persönlich beleidigen wollen. „Aber ihrer öffentlich geäußerten Polemik darf aus Sicht des NDR Satire ihrerseits zugespitzt entgegentreten.“

Die Äußerung dürfte zulässig gewesen sein

Im vorliegenden Fall könnte der Schuss für die AfD nach hinten losgehen. Denn wer auf der einen Seite verlangt, die Grenzen der politischen Korrektheit (damit ist wohl ein übervorsichtiger Sprachgebrauch gemeint) zu überschreiten, sollte sich auf der anderen Seite dann doch bitte nicht aufregen, wenn Journalisten genau das tun. Und zwar in so überzeichneter Weise, dass dem Hörer nichts anderes übrigbleibt, als die Bezeichnung „Nazi-Schlampe“ in dem konkreten Kontext als Satire zu verstehen.

Zwei beleidigte Politiker: Präsident Erdogan und AfD-Spitzenkandidatin Weidel

Es stehen spannende juristische Zeiten bevor. Der aktuelle Fall zeigt, wie Böhmermann in der Diskussion um Satire einen Boden bereitet hat, auf dem derzeit breitflächig nicht nur Umdenken vorbereitet wird, sondern auch in der Interaktion von Politikern etwas mehr Umsicht verlangt.

Die Kontrollfrage ist im vorliegenden Fall: Welche Reaktion hätte sich Frau Weidel denn gewünscht auf ihren vollmundigen Ausstieg aus der Political Correctness: Einen politisch korrekten oder einen satirisch überzeichneten? Wie will man kritisch auf so etwas reagieren, wenn nicht mit Überzeichnung?

Zulässige Satire: Auf den Kontext kommt es an!

Damit keine Missverständnisse aufkommen: „Nazi-Schlampe“ dürfte für sich genommen grundsätzlich die Grenzen der zulässigen Schmähkritik überschreiten. Zur zulässigen Satire wird der Titel erst durch die konkrete Verwendung in ihrem Kontext. Nämlich im Zusammenhang mit der Forderung einer Spitzenpolitikerin nach der Abschaffung allzu höflicher Umgangsformen als Steilvorlage für deren umgehenden, überspitzten Umsetzung in Gestalt einer überzeichneten Schmähung.

Genau das ist  – geschmackvoll oder nicht – Satire. Böhmermann und Erdogan lassen grüßen.

Wer das  Thema vertiefen möchte, sollte den Artikel unseres Kollegen Niklas Haberkamm „Zum Fall Böhmermann: Die Zulässigkeit des Schmähgedichts“ lesen, dessen Überlegungen sich auf den vorliegenden Fall übertragen lassen.

UPDATE 17.5.2017:

LG Hamburg weist Antrag auf einstweilige Verfügung zurück: AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel durfte „Nazi Schlampe“ genannt werden.

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