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Focus Markenrecht
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Vier Finger für ein Halleluja

Kitkat Unionsmarke
Photo by Abi Schreider on Unsplash

Kennen Sie das Gefühl?

Sie haben sich einen brandneuen Wagen geleistet. Den Besten, in Ihren Augen. Mit dem neuen Gefährt stehen Sie das erste Mal an der Kreuzung, die zu Ihrem Heim führt.

Sie schauen nach rechts und sehen Ihren Nachbarn. In einem brandneuen Wagen? Größer. Schneller. Deutlich teurer als Ihrer.

Während Sie zerknirscht noch einmal alle ADAC Berichte durchgehen, um Ihren Kauf vor sich zu rechtfertigen („Aber meiner hatte als einziger die vollen fünf Sterne…das hat der da nicht!“) kommt er hoch…der Neid. Ihr Wagen ist toll. Aber der Wagen des Nachbarn ist besser.

So in etwa muss es auch Mondelēz gegangen sein, immer mit einem Auge auf Nestlés Vier-Finger-Wunderkind: Have a Break have a KitKat! Ein echter Werbeknaller.

Tja. Komm herein, hab ein Daim – das sagt eigentlich niemand.

Dreidimensionale Unionsmarke seit 2006

Vielleicht führte genau dies dazu, dass Mondelēz sich dachte, Nestle für ihre vermeintlich ungerechtfertigte, dreidimensionale Unionsmarke vor das Gericht der Europäischen Union (EuG) zu schicken.

Seit 2006 ist das Produkt „Kitkat 4 Finger“ EU-weit als Unionsmarke eingetragen. Bereits im Jahr 2007 ging Cadburry Schweppes – nunmehr Mondelēz UK Holdings & Services – gegen die Markeneintragung vor. Mondelēz beantragte vor dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) die Nichtigerklärung der Marke – jedoch ohne Erfolg. Das EUIPO war der Auffassung, die Marke habe aufgrund ihrer Benutzung in der Union Unterscheidungskraft erlangt.

Mondelēz sah dies aber ganz anders. Es fehle der Beweis, dass Verbraucher tatsächlich in allen relevanten EU-Ländern die dreidimensionale Form der vier Finger als eigene Marke erkennen würden.

So beantragte Mondelēz beim EuG die Aufhebung der Entscheidung des EUIPO und bekam Recht. Am 15.12.2016 hob das Gericht die Entscheidung des EUIPO auf, mit der Begründung, das EUIPO habe seinen Entschluss auf der Basis falscher Voraussetzungen getroffen: Nur weil die Unterscheidungskraft für zehn Länder (Dänemark, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, die Niederlande, Österreich, Finnland, Schweden und UK) gegeben sei, könne man die Unterscheidungskraft in den übrigen Mitgliedsstaaten wie Belgien, Irland oder Griechenland nicht voraussetzen (EuG, Urteil v. 15.12.2016, Az. T-112/13).

Nestlé, Mondelēz und EUIPO legen Rechtsmittel ein

Daraufhin stritten sich wirklich alle. Mondelēz forderte die Aufhebung der Entscheidung des EUIPO, das EUIPO und Nestlé gingen gegen die Entscheidung des EuG vor und beklagten die vermeintliche Feststellungspflicht der Unterscheidungskraft einer Unionsmarke in allen Mitgliedsstaaten.

Und wenn sich drei streiten, freut sich der Vierte?

Naja. Der EuGH entschied zunächst, dass das Rechtsmittel Mondelēz unzulässig sei, da es nicht die Aufhebung eines Urteils, sondern nur die Änderung bestimmter Urteilsgründe bezwecke. Im Weiteren gab der EuGH jedoch auch dem EuG Recht, dass die Verkehrsdurchsetzung einer Marke, die keine originäre Unterscheidungskraft habe, für die gesamte Union nachzuweisen sei. Nicht bloß für einen wesentlichen Teil (EuGH, Urteil v. 25.07.2018, Az. C-84/17 P; C-85/17 P; C-95/17 P).

Und nun ist wirklich niemand zufrieden. Das hat man davon…

Ich mach erstmal nen Break. Das ganze Urteil finden Sie hier.

Der Beitrag stammt von unserer freien Autorin Katharina Reber. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.

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