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Bier rechtliche Regelungen
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Jedes Volk hat sein bevorzugtes Getränk. Und über kurz, lang oder ganz lang wird diese besondere Liebe zum Thema rechtlicher Regelungen. Manchmal geht so etwas bis zu den höchsten Instanzen.

Touché!

Der Europäische Gerichtshof bestätigte jüngst die geschützte Ursprungsbezeichnung „Champagne“, mit der die deutsche Handelskette „Aldi Süd Dienstleistungs-GmbH & Co. OHG“ ein Tiefkühlprodukt beworben hat („Champagner Sorbet“) und auf diese Weise unberechtigt von deren Ansehen profitieren wollte (EuGH, Urteil v. 20. 12.2017, Az. C-393/16); der BGH zog entsprechend nach und befand zugunsten des klagenden „Comité Champagne“ (Verband der französischen Champagnerwirtschaft), dass ein Nachtisch nicht nur nach Champagner schmecken muss, der Champagner muss zudem auch geschmacksbestimmend sein, was er im Falle des Aldi-Sorbets nicht war (BGH, Urteil v. 19. 07.2018 , Az. I ZR 268/14). Die deutsch-französische Freundschaft wankte kurz, fiel aber nicht.

„Wer schlechtes Bier macht, soll gestraft werden“

Des Deutschen Liebling ist – klar: das Bier. Und auch das ist seit Jahrhunderten Gegenstand juristischer Regelungen und Auseinandersetzungen. Bayern wurde dabei zum Epizentrum der rechtlichen Würdigung des Biers. Angefangen hat alles im Jahr 1156 mit der Justitia Civitatis Augustensi. Im ältesten deutschen Stadtrecht heißt es:

„Wenn ein Bierschenker schlechtes Bier macht oder ungerechtes Maß gibt, soll er gestraft werden“.

Von Augsburg trat der Einsatz für gutes Bier in gerechtem Maß durch verschiedene Städte seinen Siegeszug an: 1303 wurde in Nürnberg die Gerste als malzbringendes Getreide festgelegt (Grund war eine Hungersnot), 1319 wurde in Eichstätt ein Gesetz erlassen, das nur Gerste, Hopfen und Wasser zum Bierbrauen erlaubte. München (1447) und Regensburg (1469) zogen in diesem Sinne nach, ehe die Bayerische Landesordnung von 1516 das Reinheitsgebot zur verbindlichen Brauvorschrift erhob. Motto: „Auch Wasser wird zum edlen Tropfen, mischt man es mit Malz und Hopfen“.

Bayerns Weg nach Deutschland

Wer so intensiv und über einen so langen Zeitraum strafbewehrte Regeln zum Schutz seines Lieblingsgetränks erlässt, der reagiert auf jede Änderung empfindlich. Nachdem das Königreich Bayern zum Freistaat Bayern geworden war und sich (zumindest in weiten Teilen) gesamtdeutschem Recht unterwerfen musste, war es auch mit der rechtlichen Eigenständigkeit beim Bier vorbei; maßgebend war das Gesetz über den Eintritt der Freistaaten Bayern und Baden in die Biersteuergemeinschaft vom 24. Juni 1919. Doch der Kampf um das bayrische Bier tobte weiter und kulminierte vierzig Jahre später vor dem BGH (BGH, Urteil v. 27. 10.1959, Az. I ZR 94/58). Der I. Zivilsenat stellte klar, dass auch zuckerhaltige Malzbiere in Bayern vertrieben werden dürfen. Deutschland war einig (Malz-)Bierland – dreißig Jahre vor dem Mauerfall.

Am Namen erkannt: Bier

Sind damit alle Bier-Probleme vom Schanktisch? Herrscht endlich Ruhe vor dem Schaum? Nicht ganz. Zum einen wurde das Reinheitsgebot 2017 faktisch abgeschafft (LG München I, Urteil v. 3. 07.2017, Az. 4 HK O 19176/16), nachdem bereits 1987 der EuGH die Rechtmäßigkeit der Bezeichnung „Bier“ auch für nicht nach dem Reinheitsgebot gebraute Getränke bestätigt (EuGH, Urteil v. 12. 03.1987, Az. Rs 178/84) und die „Bierverordnung“ von 1990 die brautechnische Kapitulation erklärt hatte, wenn es dort in § 1, Abs. 2 heißt, dass

„im Ausland hergestellte gegorene Getränke […] unter der Bezeichnung ,Bier‘ gewerbsmäßig in den Verkehr gebracht werden [dürfen], wenn sie im jeweiligen Herstellungsland unter der Bezeichnung ,Bier‘ oder einer dieser Bezeichnung entsprechenden Bezeichnung des Lebensmittels verkehrsfähig sind“.

Demnach gilt: Bier ist, was Bier heißt. Der späte Sieg des Nominalismus im Universalienstreit.

Von „gesundheitsbezogenen Angaben“ und „Spitzenstellungsbehauptungen“

Zum anderen ging es zuletzt nicht nur beim Champagner, sondern auch beim Bier um diverse unzulässige Zuschreibungen in der Werbung. Bier darf demnach nicht „bekömmlich“ (BGH, Urteil v. 17. 05.2018, Az. I ZR 252/16) oder „weltbestes“ (LG München I, Urteil v. 8. 03.2019, Az. 37 O 7198/18) genannt werden. Es spricht jedoch – nach meiner Information – nichts dagegen, den weltbesten Freunden überhaupt ein „Wohl bekomm‘s“ zuzuprosten. Geht auch mit Champagner.

Der Beitrag stammt von unserem freien Autor Josef Bordat. Er ist Teil unserer Reihe “Berichte aus der Parallelwelt”. Dort werfen Autoren aus anderen Fachbereichen einen Blick auf die Rechtswissenschaft in Theorie und Praxis. Die Beiträge betrachten, anders als unsere sonstigen Fachbeiträge Begebenheiten und Rechtsfälle daher auch nicht juristisch, sondern aus einem völlig anderen Blickwinkel. Aus welchem, das soll der Beurteilung der Leser überlassen bleiben. Interessant wird es, wie wir meinen, allemal.

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