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Ich dachte Du wärst tot…

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Stellt man sich vor, dass man aus der Zeitung von seinem eigenen Tod erfährt, dann klingt dies zunächst wie das Drehbuch zu einem schlechten Hollywood-Film.

Dass dieser Film-Plot jedoch auch ganz schnell reelle Dimensionen annehmen kann, musste vor kurzem eine Studentin erfahren. Wie die Betroffene in ihrem Blog sowie im Interview mit jetzt.de berichtete, veröffentlichte Bild Online ein Foto von ihr im Zusammenhang mit einem Mord in einer Berliner Studenten-WG und behauptete, bei der Abgebildeten handle sich um das Mordopfer. Darauf aufmerksam gemacht wurde die Betroffene von einer Bekannten, die den Artikel gelesen hatte und sich nun zu Unrecht Sorgen machte.

„Lebst Du noch oder bist Du schon tot?“ Diese bange Frage mag sich so manch einer aus dem persönlichen Umfeld der Studentin gestellt haben. Fakt ist: die Betroffene hat den gleichen Vornamen wie das Mordopfer, hat ebenfalls mal in Berlin gelebt und ist ebenfalls Studentin. Für Bild Online war die Recherche mit diesen drei Gemeinsamkeiten offensichtlich abgeschlossen: die Abgebildete wurde kurzerhand zu der ermordeten Studentin, ein öffentlichkeitswirksamer Fall bekam ein Gesicht. Die Betroffene hat bereits angekündigt, dass sie sich gegen die Veröffentlichung zu Wehr setzen will.

In Bezug auf die Veröffentlichung der Fotografie dürften der fälschlich für tot erklärten Studentin unproblematisch Unterlassungsansprüche zustehen, da nach § 22 Satz 1 KUG Bildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden können und eine entsprechende Einwilligung hier gerade nicht vorlag. Da die Fotografie mit dem Mord in keinerlei Zusammenhang steht, handelt es sich auch um kein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte, bei dem eine Veröffentlichung trotz fehlender Einwilligung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG rechtmäßig sein kann, sofern nicht gemäß § 23 Abs. 2 KUG ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird.

Auch hinsichtlich der Wortberichterstattung ist ein Unterlassungsanspruch zu bejahen: Bezüglich Tatsachenbehauptungen bestehen Unterlassungsansprüche, wenn diese unrichtig sind und in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen eingreifen. Hinsichtlich Meinungsäußerungen bestehen Unterlassungsansprüche hingegen nur dann, wenn die Grenze zur Schmähkritik überschritten wird. Dass die abgebildete Person ermordet wurde, ist aber eine Tatsachenbehauptung, welche in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Studentin eingreift. Den quicklebendigen Beweis der Unrichtigkeit wird sie im Falle des Bestreitens leibhaftig erbringen können.

Daneben steht der Betroffenen wohl auch ein Berichtigungsanspruch zu, welcher neben der Unwahrheit der Tatsachenbehauptung eine fortdauernde Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechtes voraussetzt.

Interessanter ist aber die Frage, ob die Betroffene auch Geldentschädigungsansprüche gegenüber dem Betreiber von Bild Online geltend machen kann. Ein solcher Anspruch setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt, der schuldhaft erfolgt ist. Ferner darf die erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden können. Als letzte Voraussetzung kommt noch hinzu, dass ein unabwendbares Bedürfnis für die Zuerkennung des Anspruchs besteht (vgl. z.B. NJW 1996, 1131).

In Bezug auf diesen immateriellen Schadensersatzanspruch wird das deutsche Recht weitgehend noch von „Prominenten“-Fällen bestimmt. „Normalsterbliche“ tauchen in der Rechtsprechungs-Praxis eher am Rande auf und dort wo sie auftauchen geht es dann zumeist um eine Berichterstattung, in der diese fälschlicherweise als Täter einer Straftat bezichtigt wurden. Insofern ist bedauerlich, dass die Betroffene in dem Interview bereits kenntlich hat, dass es ihr nicht um die Geltendmachung einer Geldentschädigung geht. Dieser Fall von journalistischem Dilettantismus böte sich jedenfalls an, um den immateriellen Schadensersatzanspruch aufgrund rechtswidriger Wort- und Bildberichterstattung auch jenseits von turtelnden Adelssprösslingen und Filmschauspielern endgültig zu etablieren.

Zu guter Letzt stellt sich die Frage, ob auch Ansprüche bestünden, wenn die Abgebildete und die Ermordete tatsächlich personengleich gewesen wären. Diesbezüglich wiesen wir bereits an verschiedener Stelle auf den postmortalen Persönlichkeitsschutz hin (hier und hier), welcher von den Erben des Verstorbenen in Bezug auf Bildnisse bis 10 Jahre nach dem Tod des Erblassers ausgeübt werden kann.

Im vorliegenden Fall hat die Bild Online übrigens bereits reagiert und eine Richtigstellung veröffentlicht. Ob dies freiwillig oder auf Betreiben des Anwalts der Betroffenen geschah, ist uns unbekannt. Bezeichnend ist jedoch, dass sich die Richtigstellung nur auf das absolute Minimum bezieht und keinerlei Unrechtsbewusstsein auf Seiten von Bild Online erkennen lässt. (ab)

(Bild: © Pictures4you – Fotolia.com)

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