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Fund der Air-France-Maschine Flug AF 447: Die BILD-Zeitung und das postmortale Persönlichkeitsrecht

An anderer Stelle hatten wir bereits festgestellt, dass das Persönlichkeitsrecht auch über den Tod hinaus geschützt wird.

Aktuell berichtet die BILD in ihrer Online-Ausgabe im Zusammenhang mit dem Fund der Flugschreiber und des Wracks der am 01. Juni 2009 abgestürzten Air-France-Maschine auf dem Flug von Rio de Janeiro nach Paris in einer Art und Weise auch über die deutschen Opfer des Absturzes, dass wir es für erforderlich halten, noch einmal klar zustellen, dass der Berichterstattung über Verstorbene nach den Vorgaben der Rechtsprechung klare Grenzen gesetzt sind.

Die BILD nimmt den Artikel, der grundsätzlich allein den aktuellen Bezug aufgreift, dass das Wrack der Maschine und der Flugschreiber gefunden wurde, zum Anlass, um ausführlich in identifizierender Art und Weise über die deutschen Opfer des Absturzes zu berichten.  So wird eine Foto-Galerie angeboten, in welcher die Opfer nicht nur ohne jegliche Unkenntlichmachung abgebildet werden, sondern zudem weitere Informationen wie der Wohnort oder der Beruf des jeweiligen Opfers preisgegeben wird.

Grundsätzlich darf auch das Bildnis eines Verstorbenen nach den Vorgaben des diesbezüglichen Persönlichkeitsschutzes bzgl. des Rechts am eigenen Bild nicht ohne Einwilligung veröffentlicht werden.

Die Wahrnehmung des Bildnisschutzes des Verstorbenen wird über § 22 S. 3 KUG auf die Angehörigen übertragen, welche dieses besondere Persönlichkeitsrecht  dann für den Verstorbenen ausüben.

Nach § 22 S. 3 KUG darf eine Veröffentlichung jeglichen Bildnisses des Verstorbenen danach ausdrücklich nur nach Einwilligung der Angehörigen erfolgen. Wird ein Bildnis damit ohne Rücksprache mit den Angehörigen veröffentlicht, ist diese Veröffentlichung grundsätzlich immer rechtswidrig. Das Einwilligungserfordernis der Angehörigen wird über einen Zeitraum von zehn Jahren nach dem Tod des Abgebildeten durch den Gesetzgeber gewährt. Angehörige im Sinne dieses Gesetzes sind der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten und, wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten.

Zu problematisieren ist im Rahmen einer juristischen Prüfung dann bei der Prüfung des Einzelfalls immer noch, ob eine Veröffentlichung ausnahmsweise einwilligungsfrei erfolgen durfte, weil es sich nach § 23 Abs. 1 KUG um ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt.

Selbst wenn man der Annahme folgen möchte, dass das Bildnis einer Person dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist, weil die besagte Person bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen ist und ansonsten in keiner Weise dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen war, muss im aktuellen Beispiel das Vorliegen eines Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte wohl stark bezweifelt werden.

Der Absturz der Air-France-Maschine liegt bereits knapp zwei Jahre zurück und der aktuelle Bezug ist allein der Fund des Wracks, so dass nach unserer Ansicht eine erneute identifizierende Bildberichterstattung über einzelne Opfer des Absturzes nach den klaren Vorgaben der Rechtsprechung nicht zulässig sein kann, da diese fast zwei Jahre nach dem Absturz mit Sicherheit nicht mehr dem Bereich der Zeitgeschichte (nach früherer Rechtsprechung „realtive Person der Zeitgeschichte“) zugeordnet werden können.  In diesem Zusammenhang  ist zudem auch die Regelung des § 23 Abs. 2 KUG zu beachten, nach welchem eine nach den Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KUG grundsätzlich einwilligungsfreie Veröffentlichung wiederum rechtsverletzend ist, wenn durch die Veröffentlichung ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten beziehungsweise seiner Angehörigen verletzt wird.

Das Zusammenspiel dieser beiden gesetzlichen Vorgaben macht deutlich, dass eine Veröffentlichung der Bilder gegen den Willen der Angehörigen in jedem Fall unzulässig ist. Anders ausgedrückt kann die Veröffentlichung nur in den Fällen zulässig sein, in denen die Angehörigen einer Veröffentlichung ausdrücklich zugestimmt haben. Auf eine Verlinkung des Beitrages in der Online-Ausgabe der BILD haben wir bewusst verzichtet.

Man darf gespannt sein, ob im vorliegenden Fall die Angehörigen gegen die Veröffentlichung vorgehen werden, soweit sie eine Einwilligung nicht erteilt haben. Man kann sich nämlich durchaus erfolgreich gegen die ansonsten oft übermächtig wirkende BILD-Zeitung wehren.

Das KG Berlin und das Hanseatische OLG haben im April in insgesamt drei von unserer Kanzlei betreuten Klageverfahren in der Berufungsinstanz eine Persönlichkeitsrechtsverletzung unserer Mandanten durch die Berichterstattung der BILD (genauer: des Axel Springer Verlags über seine Printausgabe der BILD-Zeitung und der Bild digital GmbH & Co. KG über die Online-Ausgabe der BILD-Zeitung) bestätigt. Die Berufungen der BILD waren insofern nicht erfolgreich und die Ansprüche unserer Mandanten wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen konnten auch zweitinstanzlich erfolgreich durchgesetzt werden. Wir werden auf die Einzelheiten dieser Verfahren nach Erhalt der Entscheidungsgründe noch einmal zurückkommen. (ha)

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