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Tausende Ärzte am SPIEGEL ONLINE-Pranger: Ist die Datenbank zu Zahlungen an Ärzte rechtmäßig?

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Pharmalohn für Ärzte Spiegel Berichterstattung
© Ljupco Smokovski – Fotolia.com

Der SPIEGEL hat am 14.07.2016 eine neue Enthüllungsstory präsentiert. Unter anderem unter der Überschrift „Pharmalohn für Ärzte: Vielen Dank für die Millionen!“ wird eine aus unserer Sicht fragwürdige Berichterstattung betrieben.

Die Art und Weise hat man sich offenbar bei der Süddeutschen abgeschaut, die in Bezug auf die “Panama Papers” in einer Art Portal über einen längeren Zeitraum immer wieder neue Beiträge veröffentlichte. Auch der SPIEGEL versucht, seine Leser durch die häppchenweise Freischaltung immer neuer Artikel bei Laune zu halten.

Interaktive Datenbank mit 20.000 Ärzten, die Geld erhalten haben

Der SPIEGEL rühmt sich, gemeinsam mit dem „Recherchezentrum Correctiv“ eine interaktive Datenbank mit den Namen von mehr als 20.000 Ärzten zusammengetragen zu haben, die im letzten Jahr Geld von der Pharmaindustrie erhalten haben. Innerhalb dieses “Herzstücks” der Berichterstattung wird den Lesern eine Landkarte präsentiert, auf der man die Namen der Ärzte und die „Zahlungen der Pharmaindustrie“ finden kann.

Der Leser kann sich durch die Landkarte klicken und erhält auf einer weiterführenden Seite eine Tabelle mit Name, Anschrift und dem „Gesamtbetrag“ aller Zahlungen, die der jeweilige Arzt erhalten hat. Das ist aus Sicht aller Nichtärzte natürlich alles sehr spannend und empörend. Wirklich?

Woher stammen die Daten?

Aufgrund des am 22.5.2014 in Kraft getretenen neuen FSA-Transparanzkodex ist jedes Mitglied des Vereins Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e.V. (“FSA”) verpflichtet, bestimmte geldwerte Leistungen zu dokumentieren und zu veröffentlichen soweit die befragten Ärzte mit der Erhebung und Veröffentlichung der Daten einverstanden sind.

LHR liegt die datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung zur Speicherung und Veröffentlichung dieser Daten vor, die die betreffenden Ärzte abgeben konnten. Danach werden erfasst:

  • Name,
  • Anschrift,
  • lebenslange Arztnummer,
  • Name und Zeitpunkt der Veranstaltung,
  • geldwerte Leistungen wie Beraterhonorar oder Kosten für Reiseaufwand, Hotelübernachtung und Kongressgebühren.

Veröffentlicht werden diese Daten nur bei dem ausdrücklichen Einverständnis des Arztes einmal jährlich für einen Zeitraum für 6 Jahren

  • auf der Internetseite des jeweiligen Mitgliedsunternehmens, das die Zuwendungen gezahlt hat.

Schaut man sich nun die Seiten der Pharmaunternehmen an, so findet man dort Tabellen, in denen zu jeder Zahlung genau aufgeführt ist, ob es sich dabei um eine geldwerte Leistung im Zusammenhang mit einer Fortbildungsveranstaltung, ein Dienstleistungs-/Beratungshonorar oder um die Erstattung von Auslagen handelt.

Welchen Informationswert hat eine Tabelle aus der sich der Gesamtbetrag der Zahlungen ergibt?

In den aufgearbeiteten Daten des SPIEGEL findet sich nur noch eine Gesamtsumme wieder.

Zunächst stellt sich – abgesehen von der rechtlichen Einschätzung – auf tatsächlicher Ebene die Frage nach dem Informationswert einer so gestalteten Datenbank. Er dürfte gegen Null gehen.

Die Datenbank des SPIEGEL ist intransparent

Es ist nämlich nicht ersichtlich, ob der Arzt eine Gegenleistung für die Zahlungen erbracht hat oder nicht. Dem Artikel des SPIEGEL ist lediglich zu entnehmen, dass in der Datenbank die Namen der Ärzte geführt werden, „die im vergangenen Jahr Geld von der Pharmaindustrie erhalten haben“.

Artikelüberschriften wie „Datenbank: Wie viel Geld hat mein Arzt angenommen?“ erwecken zudem den Eindruck, als habe es Zuwendungen der Pharmaindustrie gegeben, die auf irgendeine Art „anrüchig“ seien bzw. von den Empfängern deswegen hätten zurückgewiesen werden müssen. Dem Leser wird suggeriert, der Arzt habe Geld von der Pharmaindustrie ohne Gegenleistung erhalten bzw. “angenommen” und dadurch unethisch gehandelt oder sei dadurch gegebenenfalls sogar irgendwie beeinflusst worden. Da ist der gedankliche Weg zu Vorteilsannahme und Bestechlichkeit gem. §§ 331 ff. StGB, beides strafrechtliche Vorschriften, die ganz ähnliche Begriffe verwenden, nicht weit. Im Verlauf des Artikels werden in diesem Zusammenhang auch die „Spitzenreiter“ unter den namentlich bekannten Geldempfängern genannt, die im Licht dieser Berichterstattung natürlich ganz besonders anprangerungswürdig erscheinen.

Die Darstellung ist daher nicht nur falsch sondern angesichts der laufenden Diskussionen nicht förderlich. Von der “vierten Gewalt” darf man etwas anderes erwarten.

Die Datenbank verstößt gegen Datenschutz- bzw. Persönlichkeitsrechte

Die Datenbank ist auch rechtlicher Hinsicht inakzeptabel.

Sie verstößt erstens gegen das Datenschutzrecht bzw. das Persönlichkeitsrecht der genannten Ärzte, weil diese dem jeweiligen Pharmaunternehmen gegenüber explizit erstens nur in Bezug auf eine Veröffentlichung auf dessen Internetseite zugestimmt haben. Zweitens sollten diese Daten – was in den Einwilligungserklärungen (siehe oben) ausdrücklich geregelt ist, aber natürlich auch selbstverständlich sein sollte – nur vollständig und als einzeln aufgeschlüsselte und genau bezeichnete Zahlungen veröffentlicht werden.

Das ist in der von SPIEGEL/Correctiv aufgearbeiteten Daten nicht der Fall, soweit dort nur eine Gesamtsumme angegeben wird. Zu dieser Art der Datenverarbeitung hat der Arzt nicht eingewilligt. Sie erweckt auch einen völlig falschen Eindruck, soweit dazugehörige Artikel suggerieren, es handele sich dabei um Geldbeträge, die ohne Gegenleistung des Arztes gezahlt wurden.

Die Eingriffe in die grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte liegen bei der Verbreitung falscher Tatsachen auf der Hand. Aber auch die Verkürzung von Tatsachen führen zu rechtswidrigen Eingriffen.

Die Datenbank verstößt gegen das Urheberrecht der Pharmaunternehmen

Die Datenbank verletzt zudem das Urheberrecht an den Daten gem. § 87b Abs. 1 UrhG der jeweiligen Pharmaunternehmen. Eine Datenbank ist gem. § 87a Abs. 1 UrhG eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. Diese Voraussetzungen sind in der geordneten Sammlung der aufwändig, da bei jedem Arzt einzeln beschafften Daten in Gestalt der umfangreichen, detailreichen und insbesondere im einzelnen aufgeschlüsselten Tabellen ohne Weiteres erfüllt.

Ob der SPIEGEL die einzelnen Pharmaunternehmen um ihr Einverständnis gebeten oder im Namen des Kampfs um Transparenz schlicht entwendet hat, können wir natürlich nicht sagen. Fest steht, dass die Veröffentlichung der Datenbank schlimmstenfalls eine gem. § 186 StGB und § 108 UrhG strafbare Handlung und im besten Fall eine fragwürdige journalistische Leistung darstellt.

Einziger Lichtblick ist der offenbar in einem Anflug von Selbstkritik am Samstag, den 16.7.2016 veröffentlichte Artikel mit dem Titel Geld von Pharmakonzernen: Warum Ärzte schweigen. Der entscheidende Absatz, der für sich genommen Grund genug sein müsste, die Datenbank umgehend wieder zu löschen, lautet:

„Eine entscheidende Information fehlt”

„Ich finde Transparenz richtig und okay“, sagt Jan Wehkamp, Professor für Innere Medizin an der Uniklinik Tübingen. Aber die jetzige Transparenzinitiative würde nicht weiterhelfen. Weil in der Öffentlichkeit leicht ein falscher Eindruck entstehen könne. Denn eine entscheidende Information fehle bei der Veröffentlichung: Welche Leistung für die Zahlungen erbracht wurde.

Also entschied auch Wehkamp, die Auskunft über seine Zusatzeinnahmen zu verweigern. „Im Zweifelsfall gebe ich keine Daten preis, wenn ich nicht weiß, was damit passiert.”

Eben.

Interessant ist, dass sich die SPIEGEL-Leser ausweislich der Kommentare zum Artikel nicht, wie erhofft, für künstliche Empörung instrumentalisieren lassen, sondern die Berichterstattung ebenfalls durchaus kritisch sehen. (ro/la)

UPDATE 20.7.2016:

Nach anfänglichen Unstimmigkeiten haben SPIEGEL bzw. Correctiv nachträgliche Änderungen an der Darstellung der Datenbank vorgenommen. Diese Optimierungen sind begrüßenswert. Die Berichterstattung und die Aufbereitung der Daten bleiben rechtlich fragwürdig.

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