Der BGH zur Kostenfalle Online-Branchenverzeichnis
Viele Gewerbetreibende kennen die Situation. In der täglichen Post findet man ein amtlich anmutendes Formular mit vorgedruckten Angaben über das eigene Unternehmen (Adresse, Branche, Kontaktdaten etc.) und der Bitte, diese Daten zum Zwecke der Präsentation in einem Online-Branchenverzeichnis auf die Aktualität zu überprüfen, sie ggf. zu ergänzen und das Formular unterschrieben zurückzusenden.
Kommt man der Aufforderung nach, erhält man in wenigen Wochen ein weiteres Schreiben. In diesem wird die erfreuliche Nachricht über die vorgenommene Eintragung mitgeteilt und die hierfür angefallene Gebühr in Höhe von über 600 Euro in Rechnung gestellt.
In den vielen Fällen, in denen der Betroffene nicht zahlungswillig ist, kommt es regelmäßig zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung in mehreren Instanzen. Auch der BGH musste sich kürzlich mit einer solchen Konstellation beschäftigen (BGH, Urt. V. 26.07.2012 – VII ZR 262/11).
Der BGH spricht ein Machtwort
Die Klägerin betreibt ein Online-Branchenverzeichnis. Um Eintragungen zu gewinnen, übersendet sie Gewerbetreibenden unaufgefordert ein Formular mit der Überschrift „Eintragungsantrag Gewerbedatenbank…„.
Auf der linken Seite des Formulars befinden sich unter der (unterstrichenen) Aufforderung „Bitte ggf. streichen/korrigieren“ mehrere Zeilen, die für Unternehmensdaten vorgesehen sind. Dem folgt eine Unterschriftszeile, deren Beginn mit einem fettgedruckten „X“ hervorgehoben ist. Darunter heißt es in vergrößerter Schrift: „Rücksendung umgehend erbeten“ und sodann (unterstrichen) „zentrales Fax“ (hier wird fett und vergrößert die Faxnummer der Klägerin wiedergegeben).
Auf der rechten Seite des Formulars befindet sich eine umrahmte Längsspalte, die folgenden Text enthält:
„Hinweise zum Ersteintragungsantrag, Leistungsbeschreibung sowie Vertragsbedingungen, Vergütungshinweis sowie Hinweis nach § 33 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz): Sehr geehrte Damen und Herren, die Aufnahme in unser gewerblich geführtes Verzeichnis erfolgt erst nach Rücksendung des Formulars. Wir bieten Ihnen die Veröffentlichung Ihrer nebenstehenden Daten in unserem Branchenverzeichnis […] gegen Entgelt an. Vertragslaufzeit zwei Jahre, die Kosten betragen 650 Euro netto pro Jahr. […] Es besteht zwischen uns aktuell keine Geschäftsbeziehung, es besteht keine Verpflichtung zur Rücksendung des Antrags. Der Auftrag zur Eintragung gilt durch Rücksendung als unwiderruflich erteilt“.
Die Zeilen „Hinweise zum…“ bzw. „Hinweis nach…“ sind fett gedruckt.
Nachdem der Geschäftsführer der Beklagten dieses Formular ausfüllte und zurücksandte, trug die Klägerin ihn in das Verzeichnis ein und stellte dafür 773,50 € brutto in Rechnung. Die sodann eingereichte Klage auf Zahlung dieses Betrags blieb in den beiden Vorinstanzen erfolglos.
Verschleierte Entgeltklauseln sind unwirksam
Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin wies der BGH zurück. Der BGH schloss sich im Wesentlichen der Argumentation des Berufungsgerichts an und stellte fest, dass die dargestellte Entgeltabrede wegen ihres überraschenden Charakters nicht Vertragsbestandteil geworden ist.
Diese Folge ergibt sich aus § 305c Abs. 1 BGB, der nach § 310 BGB auch gegenüber Unternehmern Anwendung findet. § 305c Abs. 1 BGB legt fest, dass sich das Einverständnis des Vertragspartners mit der Geltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht auf solche Bestimmungen erstreckt, die objektiv ungewöhnlich und in subjektiver Hinsicht überraschend sind, mit denen er also nach den Umständen des Falles vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte. Dabei kommt es für diese Beurteilung nicht auf den Kenntnisstand des konkret betroffenen Vertragspartners, sondern auf die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge generell in Betracht kommenden Personenkreises an.
Ausgehend von diesen Grundsätzen urteilte der BGH wie folgt:
„Das Berufungsgericht geht von der Revision unbeanstandet davon aus, dass Eintragungen in Branchenverzeichnisse im Internet zwar nicht generell, aber in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten werden. Die berechtigte Kundenerwartung wird in der vorliegenden Fallgestaltung nicht hinreichend deutlich korrigiert. Die Bezeichnung des Formulars als „Eintragungsantrag Gewerbedatenbank“ macht nicht hinreichend deutlich, dass es sich um ein Angebot zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages handelt. Der Hinweis auf die Vergütungspflicht in der Längsspalte geht im ihn umgebenden Fließtext unter. […] Die Aufmerksamkeit auch des gewerblichen Adressaten wird durch Hervorhebung im Fettdruck und Gestaltung auf die linke Spalte gelenkt. Die in der Längsspalte mitgeteilte Entgeltpflicht ist demgegenüber drucktechnisch so angeordnet, dass eine Kenntnisnahme durch den durchschnittlich aufmerksamen gewerblichen Adressaten nicht zu erwarten ist.“
Dass die Entgeltklausel nicht Vertragsbestandteil geworden ist, berührt zwar nicht die Wirksamkeit der übrigen Vertragsbestimmungen (§306 Abs. 1 BGB), hat aber zur Folge, dass sich der Inhalt des Vertrages insoweit nach den gesetzlichen Vorschriften zu richten hat (§ 306 Abs. 2 BGB).
Für den hier vorliegenden Werkvertrag ist damit die Regelung des § 632 Abs. 1 BGB heranzuziehen. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Herstellung des Werkes (die Eintragung in das Branchenverzeichnis) den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Wie ausgeführt, ist dies im streitgegenständlichen Bereich nicht der Fall. Damit scheidet der Vergütungsanspruch der Klägerin aus, so dass die Beklagte die zweijährige Eintragung kostenlos genießen kann. (pu)