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Patentrecht: Künstliche Intelligenz kann kein Erfinder sein

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Künstliche Intelligenz Patentrecht
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Mit künstlicher Intelligenz werden Technologien beschrieben, die kognitive Kompetenzen imitieren, zu denen bisher nur Menschen fähig waren – zum Beispiel strategisches Denken oder sprachliche Fähigkeiten.

Aufgrund des menschenähnlichen Denkvermögens stellt sich rechtlich unter anderem die Frage, ob künstliche Intelligenz (KI) womöglich auch ein Erfinder im Sinne des Patentgesetzes sein kann.

Lebensmittelbehälter 

Der Beschwerdeführer meldete im Oktober 2019 einen Gegenstand mit der Bezeichnung „Lebensmittelbehälter“ an. Die Erfinderbenennung enthielt jedoch weder einen Namen des Anmelders noch den einer anderen natürlichen Person. Stattdessen stand auf dem amtlichen Formblatt „Die Erfindung wurde selbständig durch eine künstliche Intelligenz (KI) erzeugt“.

Daraufhin teilte die zuständige Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts dem Anmelder mit, die eingereichte Erfinderbenennung entspreche nicht den gesetzlichen Bestimmungen. Erfinder im Sinne von §§ 6, 37 Patentgesetz (PatG) könne nur eine natürliche Person sein. Darunter sei ein Mensch zu verstehen, der nach § 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) rechtsfähig sei. Auf eine künstliche Intelligenz treffe dies nicht zu. Aus diesem Grund könne das Formblatt zur Erfinderbenennung, das der Anmelder am Anmeldetag eingereicht habe, nicht als Erfinderbenennung im Sinne von § 37 PatG und § 7 der Verordnung zum Verfahren in Patentsachen vor dem Deutschen Patent- und Markenamt (PatV) anerkannt werden. Der Anmelder müsse vielmehr mit einer Zurückweisung der Anmeldung, die auf § 42 PatG i.V.m. § 37 PatG gestützt werde, rechnen. 

Daraufhin reichte der Anmelder eine geringfügig geänderte Erfinderbenennung ein, in der er lediglich einen Adresszusatz „c/o T“ ergänzte. Er ist der Ansicht, es entspreche nicht den tatsächlichen Gegebenheiten, wenn er sich selbst als Erfinder bezeichne. Vielmehr habe die von ihm entwickelte KI selbständig agierend die Erfindung hervorgebracht und sei ein vollkommen autonom operierendes, neuronales Netzwerk, das in der Lage sei, ohne vorherige Aufgabenstellung neue technische Lösungen zu generieren. Zwar sei er Eigentümer dieser KI, er habe aber auf die Aufgabenstellung und deren Lösung, die zur vorliegenden Erfindung geführt habe, keinerlei Einfluss gehabt. Zudem schreibe das deutsche Patentgesetz nicht ausdrücklich fest, dass ein Erfinder eine natürliche Person sein müsse. Insofern müsse der Begriff des „Erfinders“ stets unter Berücksichtigung des technischen Fortschritts neu ausgelegt werden, was letztlich Aufgabe der Rechtsprechung sei. 

Mit Beschluss wies das DPMA die Patentanmeldung aus vorgenannten Gründen zurück. Gegen diesen Beschluss richtete sich die Beschwerde des Anmelders, der die Prüfungsstelle des DPMA nicht abhalf, sondern die die Beschwerde dem Bundespatentgericht zur Entscheidung vorlegte.

Rechtsschutzinteresse aufgrund von angesehener Rechtsmeinung 

Das Bundespatentgericht (BPatG, Beschluss v. 11.11.2021, Az. 11 W (pat) 5/21) hielt die Beschwerde in der Sache teilweise für erfolgreich. 

Zunächst führt das Gericht hierzu aus, dass der Anmelder durch die Zurückweisung seiner Anmeldung beschwert sei. Außerdem verfolge der Anmelder mit seinem Rechtsmittel nicht nur ein wissenschaftliches Interesse an der Klärung einer interessanten Rechtsfrage – dies würde der Beschwerde mangels Rechtsschutzbedürfnisses die Zulässigkeit nehmen – sondern strebe weiter einen Schutzrechtserwerb an, womit er ein legitimes wirtschaftliches Interesse verfolge. 

Dennoch komme es nach deutschem Recht für die Beurteilung, ob eine Erfindung vorliegt und im Sinne von § 4 PatG auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, nicht darauf an, auf welchem tatsächlichen Werdegang die Erfindung sich gründe und ob benannte Personen in zutreffender Weise als Erfinder anzusehen seien. Vielmehr sei eine Erfindung nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Danach sei es gleichgültig, ob sie auf bewusstem Denken, systematischem Arbeitseinsatz oder lediglich auf der Ausnutzung zufällig aufgedeckter, naturgesetzlicher Zusammenhänge beruhe oder eben auf dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Die Richter weisen darauf hin, dass in keinem der genannten Fälle eine Notwendigkeit erkennbar sei, auf die Benennung einer natürlichen Person als Erfinder zu verzichten, um das begehrte Patent zu erhalten. 

Beschreibt der Anmelder das „Dilemma“, einerseits sei er nach § 124 PatG verpflichtet, wahrheitsgemäß den Erfinder zu benennen. Andererseits habe diese pflichtgemäß vorgenommene Benennung des Erfinders zur Folge, dass seine Anmeldung zurückgewiesen werde, sei dem entgegenzuhalten, dass dies hier keine Rolle spiele. Denn die in § 124 PatG geregelte Wahrheitspflicht beziehe sich ausschließlich auf tatsächliche Umstände, nicht aber auf Rechtsmeinungen. Bei der Überzeugung des Anmelders, dass nicht er selbst, sondern seine von ihm entwickelte KI der Erfinder ist, handele es sich um eine Rechtsmeinung. Daher bestehe für den Anmelder kein rechtliches Hindernis, sich selbst als Erfinder zu benennen. Allerdings führe dieser Umstand nicht dazu, dem Anmelder ein Rechtsschutzinteresse abzusprechen. Denn seine Überzeugung, dass eine KI in gleicher Weise wie eine natürliche Person als Erfinder in Betracht kommt und die Benennung eines entsprechenden Systems als Erfinder statthaft sein muss, spiegele eine Rechtsmeinung wider, die mittlerweile von einigen Stimmen für vertretbar angesehen werde. 

Künstliche Intelligenz ist keine natürliche Person

Soweit der Anmelder den Antrag stellt, festzustellen, dass es keiner Erfinderbenennung bedürfe, führt das Gericht aus, dies sei mit dem Erfinderbenennungsgebot des § 37 Abs. 1 PatG unvereinbar. Aus der gesetzlichen Fiktion des § 7 Abs. 1 PatG ergebe sich, dass der Anmelder im Zweifelsfall sich selbst benennen müsse.

Der für die Durchführung der Offensichtlichkeitsprüfung erkennende Senat werde seine Prüfung darauf beschränken, ob eine vorgelegte Erfinderbenennung gemessen an den Vorgaben von § 37 Abs. 1 PatG und § 7 PatV offensichtliche Mängel aufweist. Maßstab sei hier der Regelfall und nicht der Sonderfall, so die Richter. Dieser bestehe nach gängiger Praxis darin, dass nur eine natürliche Person als Erfinder benannt werden könne. In der Sache schließt sich der Senat der Auffassung an, dass nach gegenwärtiger Rechtslage nur natürliche Personen, nicht aber Maschinen als Erfinder benannt werden können. Durch das Recht des Erfinders auf Namensnennung, welches sich aus § 37 Abs. 1 PatG ergebe, solle ebenso die Anerkennung der Erfindereigenschaft – Erfinderlehre – zum Ausdruck kommen. Nach deutschem Recht könne eine KI weder als Erfinder noch als Miterfinder benannt werden. 

Soweit der Anmelder dem entgegentritt und behauptet, der Gesetzgeber habe die Möglichkeit, dass eine Erfindung auch von einer KI generiert werden könne, nicht vorgesehen, sei dem entgegenzuhalten, dass dies für eine richterliche Rechtsfortbildung nicht ausreiche. Denn für eine richterliche Rechtsfortbildung mit dem Ziel auch eine künstliche Intelligenz als Erfinder benennen zu können bestehe mangels Gesetzeslücke kein Raum. Der in den Regelungen enthaltene Begriff der „Person“ umfasse nach wie vor alle relevanten Sachverhalte.

Frist- und formgerechter Antrag 

Dennoch entschied das Gericht, die Erfinderbenennung sei insoweit nicht zu beanstanden, als sie in dem dafür vorgesehenen Feld die Angaben „c/o T“ enthält und auf der darauffolgenden Seite den Zusatz „Erfinder ist Anmelder“ vermerkt hat. Das aus dem Grund, weil § 7 Abs. 2 PatV gerade keinen abschließenden Katalog enthalte. Demnach war der Beschluss aufzuheben und die Sache an das DPMA zurückzuweisen. 

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