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BGH: DSGVO-Auskunftsanspruch erfasst im Zweifel auch Namen eines Tippgebers, der Betroffene anschwärzt

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Der BGH hat mit einem aktuellen Urteil klargestellt, dass der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO im Zweifel auch den Namen eines Tippgebers umfasst, der sich über den Betroffenen beschwert hat. (BGH, Urteil v. 22.02.2022,  Az. VI ZR 14/21)

Art. 15 bildet zusammen mit Art. 13 und Art. 14  DSGVO einen elementaren Bestandteil („Magna Charta“) der Betroffenenrechte. So wird der Betroffene in vielen Fällen erst durch die Auskunft in die Lage versetzt, von einer Verarbeitung der ihn betreffenden Daten Kenntnis zu erhalten und diese auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen. Insgesamt gesehen stellt der Auskunftsanspruch ein zentrales Instrument zur Durchsetzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dar.

In dem Fall ging es um einen mietrechtlichen Konflikt.

Der Mieter machte gegen seine Vermieterin einen DSGVO-Auskunftsanspruch geltend. Die Beklagte hatte den Kläger außergerichtlich wie folgt angeschrieben:

„Auf Grund von Beschwerden über starke Geruchsbelästigung und Ungeziefer im Treppenhaus möchten wir eine Begehung Ihrer Wohnung durchführen. Unser Mitarbeiter, Herr K., wird am Donnerstag, den 15. August 2019 um 10 Uhr die Wohnungsbesichtigung durchführen.“

Der Mieter verlangte daraufhin Auskunft, welche Person genau sich über ihn beschwert hätte. Dies verweigerte die Vermieterin unter Hinweis auf die vorrangig schutzwürdigen Interessen des Betroffenen.

Weigerung des Vermieters Auskunft zu erteilen war rechtswidrig

Der BGH entschied nun, dass diese Weigerung rechtswidrig war. Im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung sei zu ermitteln, ob ein Auskunftsanspruch bestünde. 

In die demnach vorzunehmende Abwägung zwischen den Interessen des Auskunftsberechtigten und des Hinweisgebers seien zugunsten des Auskunftsberechtigten Bedeutung, Gewicht und Zweck des Auskunftsrechts über die Herkunft der Daten gemäß Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 lit. g DS-GVO einzubeziehen. Das Recht jeder Person, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken, ist in Art. 8 Abs. 2 Satz 2 der Charta im Rahmen des Rechts auf Schutz personenbezogener Daten verbürgt. Es dient dem Zweck, dass sich die betroffene Person der Verarbeitung der sie betreffenden Daten bewusst wird und deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann (Erwägungsgrund 63 Satz 1 der DS-GVO). Sie soll sich insbesondere vergewissern können, dass sie betreffende personenbezogene Daten richtig sind und in zulässiger Weise verarbeitet werden.

Das Auskunftsrecht gemäß Art. 15 Abs. 1 DS-GVO ist insbesondere erforderlich, um es der betroffenen Person zu ermöglichen, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen etwa die Berichtigung oder Löschung ihrer Daten zu verlangen.

Fehlendes überwiegendes Interesse an der Geheimhaltung der Informationen 

Allein der Einwand des auf Auskunft in Anspruch genommenen Verantwortlichen, dem Hinweisgeber – im Ergebnis ohne Rücksicht auf das Auskunftsrecht des Betroffenen – Vertraulichkeit zugesichert zu haben, führt noch nicht zum Recht, dem Auskunftsersuchenden die Information zu verweigern, so der BGH in den Entscheidungsgründen. Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung im Einzelfall die Verweigerung der begehrten Auskunft über die Person des Hinweisgebers rechtfertigen sollen, trage nach allgemeinen Grundsätzen der auf Auskunft in Anspruch genommene Verantwortliche.

Dieser dürfe sich aber dabei nicht auf bloße Vermutungen stützten, sondern hat die konkreten Tatsachen zu benennen, die das überwiegende Interesse des Hinweisgebers an seiner Geheimhaltung begründen sollen und dieses nachvollziehbar darzulegen. 

Rechte und Freiheiten des Hinweisgebers werden nicht beeinträchtigt.

Im vorliegenden Fall entschied der BGH, dass die Vermieterin hätte Auskunft geben müssen:

Danach sei insbesondere nicht davon auszugehen, dass durch die vom Kläger verlangte Auskunft über die Herkunft der von der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten („starke Geruchsbelästigung und Ungeziefer im Treppenhaus“ mit Bezug zur Wohnung des Klägers) die Rechte und Freiheiten des Hinweisgebers beeinträchtigt würden.

Die Offenlegung der Identität sei zur Wahrung des berechtigten Interesses des Klägers, insbesondere seines Rechtes auf Auskunftserteilung gemäß Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 lit. g DS-GVO, erforderlich.

Der BGH betonte, dass die Verweigerung der Auskunft entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht auf das Interesse der beklagten Hausverwaltung an einer sachgerechten und effektiven Aufgabenerfüllung, insbesondere der Erhaltung der Ordnung und des Friedens in der Hausgemeinschaft, gestützt werden könne.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bestehe bei Annahme einer Auskunftspflicht über die Identität des Hinweisgebers auch nicht die Gefahr, dass sich niemand mehr an die Hausverwaltung wenden würde, um Missstände im Haus anzuzeigen und um Abhilfe zu bitten. Denn auf Missstände könne auch anonym hingewiesen werden, ohne dass die Anonymität des Hinweisgebers einer Reaktion der Hausverwaltung grundsätzlich entgegenstehen würde. Anders als etwa öffentliche Stellen im Bereich der Bekämpfung der Kriminalität, die unter Umständen unter Verweis auf § 34 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 1 lit. a BDSG die Auskunft verweigern können, weil diese die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben gefährden würde, stehe der Hausverwaltung als nichtöffentlicher Stelle diese rechtliche Möglichkeit nicht offen.

Nach Auffassung des BGH sei eine Hausverwaltung zur Erfüllung ihrer Aufgaben, deren Wahrnehmung nicht dem Schutz wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses diene, grundsätzlich auch nicht darauf angewiesen, dass sie die Identität von Personen, die auf Missstände im Haus hinweisen, geheim hält. 

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