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Die Wertersatzklausel beim Widerruf auf eBay und die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme; eine Fehlentscheidung des KG Berlin

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Dem Beschluss des Kammergerichts (KG Berlin, Beschluss v. 09.11.2008, Az. 5 W 304/07) ist anzumerken, dass man keine Lust mehr hat, sich mit dem Thema zu beschäftigen.

Die Rede ist von Fehlern, die von eBay-Verkäufern innerhalb der im Fernabsatz notwendigen Widerrufsbelehrung gemacht werden. Nachdem selbst rigorose Streitwertsenkungen der Gerichte in diesem Bereich nicht zum gewünschten Erfolg geführt haben, versucht man nun offensichtlich, Mitbewerbern die Streitlust zu verderben, in dem immer häufiger Bagatellverstöße angenommen werden, die keinen Unterlassungsanspruch nach sich ziehen.

In dem vom KG Berlin zu beurteilenden Sachverhalt hatte ein eBay-Händler seine Kunden zwar grundsätzlich ordnungsgemäß über die Möglichkeit eines Widerrufs belehrt. Auch über eine mögliche Wertersatzpflicht und wie diese zu vermeiden sei, hatte er informiert:

„Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie ein Eigentümer in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt.“

Dem Antragsteller und Beschwerdeführer im Verfahren genügte dies aber nicht. Er war der Meinung, dass der Verbraucher darüber aufgeklärt werden müsse, dass diese Wertersatzpflicht nicht für die Verschlechterungen der Sache gelten, die durch die bestimmungsgemäß Ingebrauchnahme entstanden sind. Interessant ist, dass das Gericht dies zwar auch so sieht. Wertersatz für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Sache kann nämlich gem. § 357 Abs. 3 BGB nur verlangt werden, wenn spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge hingewiesen worden ist. Dies ist bei eBay jedoch nicht möglich.

Allerdings kippte das KG den Anspruch unter Verweis auf die Bagatellklausel des § 3 UWG, wonach nur unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, unzulässig sind:

„Die beanstandete Belehrung lässt den Verbraucher darüber im Unklaren, dass Wertersatzansprüche wegen einer durch Ingebrauchnahme erfolgten Verschlechterung der Ware auch dann nicht in Betracht kommen, wenn er die Ware nicht nur, wie ihm das etwa in einem Geschäft möglich ist, prüft, sondern bestimmungsgemäß in Gebrauch nimmt.

Bezogen auf den hier streitgegenständlichen Wettbewerb im Handel mit Autoradios bedeutet dies, dass der Verbraucher zwar erfährt, dass er das Autoradio prüfen darf, ohne Wertersatzansprüche befürchten zu müssen, es also auspacken und für einen Funktionstest provisorisch an eine Stromquelle anschließen darf, dass er aber nicht erfährt, dass er das Autoradio in sein Auto auch einbauen, anschließen und zumindest erstmalig anstellen darf, ohne wegen einer Verschlechterung des Autoradios Wertersatzansprüche befürchten zu müssen. (Vgl. insoweit das Beispiel in der Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 14/6040, S. 200, nach der eine kurze Probefahrt mit dem nicht zugelassenen PKW auf nichtöffentlichem Gelände Prüfung im Sinne des § 357 Abs. 3 Satz 2 BGB ist.)

Da einerseits anzunehmen ist, dass sich aufgrund dieser Unklarheit nur in Ausnahmefällen ein Verbraucher davon abhalten lässt, nach Belieben mit der gekauften Sache zu verfahren, und gegebenenfalls von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, und andererseits zu berücksichtigen ist, dass die Forderung nach einer lückenlosen Aufklärung des Verbrauchers über die Rechtsfolgen des Widerrufsrechts sowohl den Unternehmer wie auch den Verbraucher, für den die Belehrung verständlich bleiben soll, überfordert, erscheint ein etwaiger Verstoß des Antragsgegner gegen eine Marktverhaltensvorschrift hier als nicht verfolgenswerte Bagatelle.“

Bemerkenswert an der Entscheidung ist nicht, dass sie wohl falsch sein dürfte. Auch Obergerichte dürfen irren. Auffällig ist jedoch, wie kurz und praxisfern das Gericht das entscheidende Problem abhandelt, nachdem es den Leser dort umständlich und seitenlang hinführt und wie offenkundig dadurch die Unlust des Gerichts wird, sich mit dieser – im wahrsten Sinne des Wortes – vermeintlichen Bagatelle zu beschäftigen.

Die Feststellung des Gerichts, die Aufklärung sei unwichtig, da Verbraucher nur in Ausnahmefällen davon abgehalten würden, die Sache nach Belieben zu verwenden und gegebenenfalls von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, zumal ja alles ohnehin schon so kompliziert sei, muss jeden entsetzen, der weiß, was Versandhändler mit ihren Verbrauchern alles durchmachen. (Wem die neusten Tricks der Käufer noch nicht geläufig sind, sei die Lektüre des Artikels „Das Online-Null-Leasing des kleinen Mannes“ in der Netzzeitung empfohlen).

Es müsste auch Nicht-Händlern klar sein, dass Ware, die nicht lediglich kurz – wie im Ladengeschäft – geprüft, sondern ausgiebig in Benutzung genommen wurde, nach einem Widerruf nahezu wertlos ist. Ebenso einleuchtend ist, dass derjenige Verkäufer, der sich rechtmäßig verhält und dem potentiellen „Nulleasingnehmer“ dementsprechend mit der Nase darauf stoßen muss, dass der die gekaufte Ware bis zu einem Monat unbekümmert gebrauchen kann, um sie dann ohne Rücksicht auf evtl. Gebrauchsspuren bzw. diesbezüglichen Wertersatz zurückschicken kann, sich in einem möglicherweise ruinösen Wettbewerbsnachteil im Vergleich zu jemandem befindet, der dies in seiner Belehrung geflissentlich verschweigt.

Ein Ski-Verkäufer, dessen Kunden das nagelneu gekaufte Paar Ski nach dem 2-wöchigen Winterurlaub immer jeweils gegen Erstattung des vollen Kaufpreises zurückschicken, muss sich doch wie ein Idiot vorkommen, wenn er sich an seine entsprechende Belehrungspflicht hält, während die Konkurrenz den Mantel des Schweigens über alles deckt und so nicht nur öfter (unberechtigterweise) Wertersatz erhält, sondern auch zahlreiche Verbraucher vor dem Hintergrund der drohenden Wertersatzpflicht von einem Widerruf ganz abhält.

Nicht umsonst hatte bisher das Landgericht Berlin (LG Berlin, Beschluss v. 15.03.2007, Az. 52 O 88/07) die Wertersatzklausel auf eBay ohne Weiteres für unzulässig gehalten.

Um Missverständnisse zu vermeiden: Die Gesetzeslage ist kompliziert, intransparent und eine Reform überfällig. Dafür aber ist der Gesetzgeber zuständig. Gerichte sollten sich hüten, ihre wichtige Funktion als Judikative mit der Legislative zu vermengen. Dies ist auch einem notwendigen Reformdruck, der gegenüber dem Gesetzgeber aufgebaut werden muss, nicht zuträglich. Denn wenn Gerichte geltende Gesetze sowieso nicht mehr anwenden, brauchen sie nicht mehr geändert zu werden. (la) Zum Beschluss

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