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LG Köln: Online-Shop-Betreiber kann Lieferanten in Regress nehmen

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photo by Sunny studio

Ein Händler muss auf seinem Schaden nicht sitzen bleiben, wenn er wegen eines Verstoßes gegen die Registrierungspflicht aus § 6 ElektroG von einem Wettbewerbsverband  in Anspruch genommen wurde. Er kann im Wege des Regresses gegen seinen Lieferanten vorgehen, wenn diesem der gleiche Vorwurf zu machen ist. Schließlich verpflichtet § 6 ElektroG grundsätzlich jeden Vertreiber von Elektro- und Elektronikgeräten. 

Zum Fall

Eine Händlerin vertrieb in ihrem Internetshop Beleuchtungskörper. Die betreffenden Produkte waren jedoch nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 6 ElektroG registriert. Gegen diesen Verstoß sah sich ein Wettbewerbsverband veranlasst vorzugehen. Nach erfolglosen Abmahn-Bemühungen klagte der Verband schließlich erfolgreich vor Gericht. Der Händlerin entstanden dadurch Gerichts- und Anwaltskosten von insgesamt € 4.101,21.

Die Händlerin war verärgert. Die Ware habe sie von ihrer Lieferantin erhalten, die wiederum die betreffenden Produkte direkt vom Händler beziehe und diese sodann an gewerbliche Kunden vertreibe. Es könne nicht sein, dass sie für die fehlende Registrierung aufkommen müsse, obwohl bereits an früherer Stelle eine Registrierung durch den Hersteller oder die Lieferantin hätte erfolgen müssen.

Daraufhin ging die Händlerin gegen ihre Lieferantin vor. Die Lieferantin hingegen war sich keiner Schuld bewusst. Sie lasse die Ware über einen Vorlieferanten liefern und verfüge über kein eigenes Lager. Deshalb sei es ihr überhaupt nicht möglich gewesen, die Ware auf eine Registrierung zu prüfen. Nach erfolgloser Abmahnung erhob die Händlerin schließlich Klage auf Unterlassung weiteren Vertriebs nicht registrierter Produkte und Ersatz des ihr infolge des Verstoßes entstandenen Schadens. Sie machte die Gerichts- und Anwaltskosten geltend, die sie an den Verband zu entrichten hatte sowie die Kosten der erfolglosen Abmahnung gegen die Lieferantin. Die beklagte Lieferantin hingegen wies jegliche Ansprüche zurück.

Pflicht nach dem ElektroG

Nach § 6 ElektroG müssen Hersteller von Elektro- und Elektronikgeräten mit der Geräteart und Marke bei der zuständigen Stiftung EAR (Stiftung Elektro-Altgeräte Register) registriert sein. Sind Hersteller nicht entsprechend registriert, ist die Ware nicht verkehrsfähig. Insoweit dürfen Hersteller und Vertreiber sie auch nicht in den Verkehr bringen oder etwa zum Verkauf anbieten. Daraus leitet sich eine Prüfpflicht für Hersteller und Vertreiber ab, eine erfolgte Registrierung sicherzustellen. Wir berichteten bereits ausführlich zum ElektroG.

Unterlassungsanspruch

Zunächst verurteilte das Gericht die beklagte Lieferantin es zu unterlassen, Elektronikgeräte unter Verstoß gegen die Registrierungspflicht zu vertreiben, §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 3 a UWG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 Satz 2 ElektroG (LG Köln, Urteil v. 23.10.2018, Az. 31 O 103/17).

Das Urteil des LG Köln v. 23.10.2018, Az. 31 O 103/17, als PDF

Der Hersteller betreffender Ware sei bei der zuständigen Stiftung EAR zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht registriert gewesen. Die Ware sei deshalb nicht verkehrsfähig und hätte nicht vertrieben werden dürfen. Die Beklagte verstoße deshalb gegen § 6 Abs. 2 Satz 2 ElektroG.

Schadensersatzanspruch

Des Weiteren sprach die Kammer der Händlerin auch Anspruch auf Schadensersatz zu, § 9 Satz 1 UWG. Im Gegensatz zu Unterlassungsansprüchen ist für Schadensersatzansprüche ein sog. Verschulden erforderlich. Verschulden liegt bei Fahrlässigkeit vor, die vorliegt, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wird.

Die Lieferantin bestritt jedoch jede Verantwortlichkeit. Sie ist der Ansicht, dass ihr eine Prüfung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ElektroG überhaupt nicht möglich gewesen sei, weshalb ihr ein Verstoß gegen Sorgfaltspflichten nicht vorgeworfen werden könne. Die Ware habe sich zu keinem Zeitpunkt in ihren Händen befunden. Sie liefere über ihren Vorlieferanten und verfüge über kein Lager. Insofern treffe sie kein Verschulden und der Schadensersatzanspruch sei deshalb unbegründet.

Davon blieb die Kammer unbeeindruckt. Die beklagte Lieferantin treffe nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ElektroG die Pflicht, zum Vertrieb bestimmte Waren hinsichtlich einer Registrierung zu prüfen. Komme sie dieser Pflicht nicht nach, handele sie fahrlässig. Hier könne sich die Lieferantin nicht dadurch entlasten, dass sie über kein Lager verfüge und die zu prüfende Ware nie besessen habe. Die Pflicht richte sich an den Vertreiber der Ware, nicht an dessen Besitzer.

Die der Händlerin infolge der Klage des Wettbewerbsverbandes entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten stellten einen ersatzfähigen Schaden dar. Schließlich wäre es zu der Klage durch den Wettbewerbsverband nie gekommen, wenn die Lieferantin nicht gegen § 6 ElektroG verstoßen hätte.

Rügeobliegenheit, § 377 HGB

Die Lieferantin ist der Ansicht, dem  Schadensersatzanspruch der Händlerin stehe § 377 HGB im Wege. Die Norm führe dazu, dass Mangelgewährleistungsansprüche bei einem Handelskauf nicht geltend gemacht werden können, wenn nach Erhalt der Ware, Mängel nicht unverzüglich gerügt würden. Dies wirke sich auch auf wettbewerbsrechtliche Schadensersatzansprüche aus. Wer nicht unmittelbar rüge, dass Ware nicht ordnungsgemäß registriert sei, der genehmigt die erhaltene Ware. Dies führe zum Verlust des Schadensersatzanspruches.

Die Kammer ließ sich davon nicht überzeugen. Mangelgewährleistungsansprüche seien vertragliche Ansprüche. Hier mache die Klägerin jedoch Ansprüche wettbewerbsrechtlicher Natur geltend, die nicht dem Vertragsrecht, sondern dem Recht der unerlaubten Handlungen zuzuordnen sei. Auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung sei die Norm nicht anwendbar. Eine fehlende Rüge führe daher nicht zum Entfall wettbewerbsrechtlicher Schadensersatzansprüche.

Erhebliches Mitverschulden der Klägerin

Die Kammer verpflichtete die Beklagte allerdings nicht zur Zahlung des gesamten Schadens in Höhe von € 4.321,36. So müsse nach § 254 BGB der Verschuldensbeitrag der Klägerin in Abzug gebracht werden. Schließlich treffe beide Parteien zumindest leichte Fahrlässigkeit. Beide hätten jeweils eine Registrierung sicherstellen müssen. Insofern sei der Anspruch um den Verursachungsbeitrag der Klägerin von 50% zu kürzen und die Beklagte zum Ersatz von € 2.160,68 € verpflichtet.

Hinweise für die Praxis

Unmittelbare Inanspruchnahme

Für die Praxis bedeutet das Urteil Folgendes: Verstößt ein Händler gegen die Registrierungspflicht aus § 6 ElektroG, muss dies nicht unmittelbar seine volle Inanspruchnahme bedeuten. Ist auch der Lieferant für den Verstoß gegen die Registrierungspflicht verantwortlich, kann sich der Händler grundsätzlich denjenigen Betrag vom Lieferanten zurückholen, welcher der Verantwortlichkeit des Lieferanten entspricht.

Rückgriff-/Regressanspruch

Auch für den Fall, dass der Händler – wie im hiesigen Urteil – bereits infolge eines Verstoßes in Anspruch genommen wurde, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, gegen den Lieferanten vorzugehen. Juristen sprechen von einem sog. Rückgriff- oder Regressanspruch: Ein Schadensersatzpflichtiger (Händler) nimmt einen Dritten (Lieferanten) in Anspruch, der ihm gegenüber haftet.

Übertragen auf die Entscheidung heißt das: Die Händlerin hatte in dem Prozess gegen den Wettbewerbsverband wegen unerlaubtem Anbieten nicht registrierter Elektroartikel Schadensersatz zu leisten. Gegenüber der Händlerin haftet aber auch die Lieferantin, da sie ebenfalls gegen § 6 Abs. 2 Satz 2 ElekroG verstoßen hatte. In diesem Fall nahm die Händlerin die Lieferantin in Rückgriff.

So führt die Inanspruchnahme durch den Wettbewerbsverband nicht dazu, dass die Händlerin hier auf ihrem Schaden sitzen bleibt. Sie kann den ihr entstandenen Schaden grundsätzlich von der Lieferantin herausverlangen, den jeweiligen Verschuldensanteilen entsprechend.

Ware nach Empfang stets prüfen – Elektronikgerätehändler doppelt

Händler sollten bestellte Ware direkt nach Erhalt untersuchen. Einerseits gilt dies für Händler von Elektro- und Elektronikgeräten hinsichtlich der Registrierung des Herstellers, § 6 ElektroG. Andererseits gebietet sich ohnehin eine Prüfung angesichts der handelsrechtlichen Rügeobliegenheit nach § 377 HGB im Falle eines Handelskaufs. Unterlassen Händler die Prüfung erhaltener Ware, entstehen ihnen erhebliche Nachteile, die es zu vermeiden gilt.

Prüfpflicht nach ElektroG

Wie die hiesige Entscheidung zeigt, führte die fehlende Prüfung der Registrierung zu einer Mitverantwortlichkeit des Händlers gem. § 254 BGB an dem Verstoß gegen §§ 3 Abs. 1, 3 a UWG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 Satz 2 ElektroG.

Erst das Angebot der nicht registrierten Ware im Internet hat den Wettbewerbsverband auf den Plan gerufen, was schließlich kostspielige rechtliche Schritte nach sich zog. Hätte die Klägerin aber direkt nach Erhalt die Registrierung der Ware geprüft, hätte sie die unregistrierte Ware im Internet wohl nie angeboten. Kostspieligen Ärger mit dem Wettbewerbsverband hätte sich die Händlerin dann erspart.

Daneben musste sich die Klägerin ihre unterlassene Prüfung als (Mit-) Verschulden an der Entstehung des Schadens zur Hälfte anrechnen lassen. Hätte die Klägerin die Registrierung geprüft, hätte sie direkt gegen die Beklagte vorgehen können. Es wäre zu keiner Auseinandersetzung mit dem Verband gekommen und den hälftigen Schaden hätte sie nicht tragen müssen.

Prüfpflicht nach § 377 HGB

Daneben ergeben sich Prüfpflichten aus § 377 HGB. Diese Pflichten wurden in der Entscheidung zwar nicht als ausschlaggebend angesehen. Allerdings weisen wir hier auf diese Norm hin, da sie für die Praxis ebenfalls relevante Prüfpflichten hinsichtlich gelieferter Waren regelt.

Schließen zwei Gewerbetreibende einen Kaufvertrag, so handelt es sich um einen sog. Handelskauf und § 377 HGB findet Anwendung. Erhaltene Ware aus einem Handelskauf sollte vom Käufer unmittelbar nach Erhalt auf Mangelfreiheit geprüft werden, um sich aus § 377 HGB ergebende Nachteile zu vermeiden. § 377 HGB:

(1) Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so hat der Käufer die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen.

(2) Unterläßt der Käufer die Anzeige, so gilt die Ware als genehmigt, es sei denn, daß es sich um einen Mangel handelt, der bei der Untersuchung nicht erkennbar war.

(3) Zeigt sich später ein solcher Mangel, so muß die Anzeige unverzüglich nach der Entdeckung gemacht werden; anderenfalls gilt die Ware auch in Ansehung dieses Mangels als genehmigt.

(4) Zur Erhaltung der Rechte des Käufers genügt die rechtzeitige Absendung der Anzeige.

(5) Hat der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen, so kann er sich auf diese Vorschriften nicht berufen.

Konkrete Prüfung

Es ist grundsätzlich zu prüfen, ob die erhaltene Ware die gemäß § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB vertraglich geschuldete Beschaffenheit aufweist. Dabei wird der Prüfpflicht in aller Regel durch stichprobenartige Kontrollen hinsichtlich offensichtlicher Mängel genüge getan. Die Prüfpflicht erstreckt sich hingegen nicht auf sog. versteckte Mängel. Versteckte Mängel sind aber unverzüglich anzuzeigen, sobald sich diese zeigen, § 377 Abs. 3 HGB.

Folgen unterlassener Prüfung/unterlassener rechtzeitiger Anzeige

Unterlässt der Käufer eine Prüfung hinsichtlich offensichtlicher Mängel oder zeigt er versteckte Mängel nicht rechtzeitig an, so gilt eine sog. Genehmigungsfiktion. Die Ware gilt dann als genehmigt, das heißt als mangelfrei und damit vertragsgemäß. Vertragliche Mängelgewährleistungsansprüche wie Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt oder Schadensersatz, § 437 BGB, können dann nicht mehr geltend gemacht werden.

Zur Vermeidung des Verlusts kaufvertraglicher Gewährleistungsansprüche sollte der Gewerbetreibende aus einem Handelskauf empfangene Waren stets entsprechend kontrollieren. Da Elektro- und Elektronikgeräte-Händler ohnehin zur Prüfung der Registrierung verpflichtet sind, § 6 Abs. 2 Satz 2 ElektroG, empfiehlt sich dabei – nach dem Motto: „Zwei Fliegen mit einer Klappe“ – direkt auch die Prüfung der Ware hinsichtlich etwaiger Mängel vorzunehmen.

Ob § 377 HGB auch zum Verlust deliktischer Ansprüche aus dem Wettbewerbsrecht führt, wurde in der Vergangenheit heftig umstritten. Inzwischen dürfte es aber allgemeiner Ansicht entsprechen, dass § 377 HGB keine Auswirkung auf deliktische Ansprüche hat. Dennoch sollte dies angesichts oben genannter Folgen kein Grund darstellen, auf eine Prüfung zu verzichten.

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Wer als Weiterverkäufer in Anspruch genommen wird, sollte schnellstmöglich qualifizierten anwaltlichen Rat einholen. Dies ermöglicht die beste Verteidigung, aber auch die Prüfung etwaiger (Regress-) Ansprüche gegen Lieferanten.

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