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OLG München: Facebook dürfen juristische Entscheidungen in deutscher Sprache zugestellt werden

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Facebook kann man in deutscher Sprache verklagen
Photo by Alex Haney on Unsplash

Facebooks Auslandspräsenz und Organisationsstruktur legen nahe, dass es über Mitarbeiter verfügt, die am Rechtsverkehr in deutscher Sprache vollumfänglich teilnehmen können.

Wer in Deutschland über 31 Mio. Kunden hat, muss auch auf deutschsprachige Korrespondenz eingestellt sein. Verweigert Facebook die Annahme der Schriftstücke, verhält es sich missbräuchlich.

Facebook versteht kein Deutsch?

Die Tochtergesellschaft von Facebook in Irland hatte die Annahme juristischer Schriftstücke des Landgerichts Kempten (Allgäu) verweigert mit der Begründung, sie verstehe nur die englische Sprache. Dabei berief sie sich auf Art. 8 EuZustVO. Das Allgäuer Gericht teilte daraufhin dem Antragsteller mit, er müsse zusätzlich 700 Euro zahlen, um die Schriftstücke übersetzen zu lassen. Sein Prozessvertreter legte dagegen sofortige Beschwerde ein, der das OLG München (OLG München, Beschluss v. 14.10.2019, Az.: 14 W 1170/19) abhalf. Seinen Beschluss begründete das OLG mit Art und Umfang der Geschäftstätigkeit von Facebook.

Leichtigkeit des Rechtsverkehrs und Schutz der Verteidigungsrechte des Empfängers – die zwei Säulen der EuZustVo

Weil Facebook sich auf Art. 8 EuZustVO stützte, ist das OLG München auf die der Verordnung zugrunde liegende Zielsetzung eingegangen. Einerseits bestrebt sie die Schnelligkeit und Wirksamkeit der Übermittlung von Verfahrensschriftstücken und andererseits den Schutz der Verteidigungsrechte des beklagten Empfängers. Letzterer kann nur dann von diesen Rechten Gebrauch machen, wenn er in der Lage ist, das an ihn gerichtete Schriftstück zu verstehen. Die beiden Interessenslagen müssen bei der Auslegung der EuZustVO in Ausgleich gebracht werden.

Art und Umfang der Auslandsgeschäfte bestimmen, ob es einer Übersetzung juristischer Schriftstücke bedarf

Von vornherein besteht keine Vermutung zugunsten des einen oder des anderen Schutzzwecks.  Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass juristische Personen etwa nie die Annahme von Schriftstücken ablehnen dürfen. Ob eine juristische Person die Sprache versteht, in der das jeweilige Verfahrensschriftstück abgefasst ist, hängt davon ab, welche dafür vorgesehene Kapazitäten sie im Unternehmen tatsächlich hat. Maßgeblich ist beispielsweise, ob das Unternehmen Geschäfte in größerem Umfang in einem Mitgliedstaat betreibt. In diesem Fall geht man in der Regel davon aus, dass das Unternehmen Rechtsberater hat, die die Sprache des Mitgliedstaates beherrschen und sich um juristische Angelegenheiten kümmern. Ein Indikator ist ebenfalls, ob das Unternehmen Verträge in einer bestimmten Sprache abschließt und abwickelt. Auch dann liegt die Vermutung nahe, dass der Rechtsverkehr in dieser Sprache geführt werden könne.

Facebook kann in deutscher Sprache verklagt werden

Weil Facebook in Deutschland über 31 Mio. Kunden hat, sein Angebot vollständig in deutscher Sprache unterhält und alle Vertragsunterlagen (Gemeinschaftsstandards und Nutzungsbedingungen) in deutscher Sprache zur Verfügung stellt, sind die o.g. Voraussetzungen erfüllt. Insbesondere ist es unerheblich, wenn Facebooks Rechtsabteilung in Irland nicht deutschsprachig besetzt ist. Dem Unternehmen ist es trotzdem zumutbar, einen externen Rechtsberater herbeizuziehen. Dafür sprechen allein betriebswirtschaftliche Gründe, zumal die große Anzahl der deutschen Facebook-Kunden ohne entsprechend qualifizierte Personalressourcen widersinnig wäre.

Die Thematik ist uns bereits bekannt. Mit derselben Argumentation hat auch das OLG Köln vor einigen Monaten die Annahmeverweigerung von rechtlichen Schriftstücken durch Facebook für rechtsunwirksam erklärt (OLG Köln, Beschluss v. 09.05.2019, Az.: 15 W 70/18). Auch das Amtsgericht Berlin Mitte hat entschieden (AG Mitte, Versäumnisurteil v. 8.3. 2017, Az. 15 C 364/16), dass die Zustellung einer Klageschrift in deutscher Sprache an die in Irland ansässige Facebook Ireland Ltd. wirksam ist.

Wer den US-Riesen auf Deutsch verklagen will, muss sich immerhin um Übersetzungskosten keine Sorgen machen.

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