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OLG Köln: Internationale Zuständigkeit begründet in der Regel auch örtliche Zuständigkeit

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Das OLG Köln hat in einem aktuellen Beschluss kurz und schmerzlos klargestellt, dass die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Rechtsverletzungen im Internet in der Regel auch zur örtlichen Zuständigkeit aller deutschen Gerichte führt. 

Was selbstverständlich klingt, wurde von vielen Landgerichten bisher nicht so praktiziert.

In einem Beitrag aus  dem September 2018 hatten wir über die  Schwierigkeiten berichtet, Rechtsverletzungen auf ausländischen Internetplattformen zu verfolgen.

Ausländische Plattformen eigenen sich ideal für Persönlichkeitsrechtsverletzungen

Insbesondere WordPress tut sich hier immer wieder als unrühmliches Beispiel hervor. Täter von Persönlichkeitsrechtsverletzungen wissen, dass der Betreiber nicht nur seinen Sitz in San Francisco, USA hat, sondern auch bekannt dafür ist, sich auch bei recht eindeutigen Rechtsverletzungen regelmäßig hinter automatisch generierten E-Mails und der „Freedom of Speech“ zu verstecken. Die Ahndung von Rechtsverletzungen wird dadurch bereits auf tatsächlicher Ebene zu einer long and winding road.

Um seinem Opfer auch die rechtliche Verfolgungsmöglichkeit  der Rechtsverletzungen zu nehmen, konnte es bisher ausreichen, die dortigen Schmähungen auf Englisch zu verfassen. Denn der Rechteinhaber musste – jedenfalls bis zum Jahr 2016 – darlegen, dass die Internetseite, auf der sich die Rechtsverletzung befand, bestimmungsgemäß auch in Deutschland abgerufen werden konnte. Die bloße Abrufbarkeit der Seite reichte nicht aus. Der Rechteinhaber musste daher regelmäßig mühsam anhand von objektiven Indizien darlegen, dass mit der Internetseite auch deutsche Nutzer angesprochen werden sollten.

LG Köln erleichtert die Rechtsverfolgung

Dankenswerterweise ist das Landgericht Köln in einem von unserer Kanzlei geführten Verfahren – soweit ersichtlich – als erstes Instanzgericht in einem einstweiligen Verfügungsverfahren dem BGH gefolgt, wonach es für eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für ein Verfahren wegen Urheberrechtsverletzungen genügt, dass die entsprechende Internetseite (auch) in Deutschland abrufbar ist.

Das erleichtert die Durchsetzung von Ansprüchen deutscher Rechteinhaber im Urheberrecht insbesondere gegen die Big Player im Internet, von die ihren Sitz überwiegend im schönen Kalifornien in den USA haben. Einzelheiten dazu können unserem Beitrag

entnommen werden.

Internationale Zuständigkeit = örtliche Zuständigkeit. Oder etwa nicht?

Nach der Annahme seiner internationalen Zuständigkeit ist die Prüfung des angerufenen Gerichts  jedoch noch nicht beendet. Der Richter prüft danach nämlich unmittelbar, ob er auch innerhalb Deutschlands örtlich der richtige Ansprechpartner für den Gläubiger ist.

Selbst nach Annahme der internationalen Zuständigkeit kann die Angelegenheit für den Gläubiger damit noch zur Irrfahrt werden. Denn es kommt vor, dass die beanstandete Internetveröffentlichung keinen erkennbar regionalen Bezug zum angerufenen Gericht hat, das sich sodann –  auf den ersten Blick nachvollziehbarer Weise – für örtlich unzuständig erklärt.

Das diese Überlegung zu kurz greift, erschließt sich allerdings dann, wenn man bedenkt, dass ein Rechtsverstoß dieser Art  in der Regel auch keinen erkennbaren regionaler Bezug zu anderen Orten in Deutschland hat. Damit ergibt sich die für den Gläubiger gerade zu kafkaeske  Situation, dass alle deutschen Gerichte zwar grundsätzlich international zuständig sind, jedoch keines davon örtlich.

OLG Köln bejaht auch örtliche Zuständigkeit

Das Oberlandesgericht Köln hat sich diesem Dilemma dankenswerter Weise in einem Verfahren gegen eine italienische Antragsgegnerin mit einem ebenso schlichten wie überzeugenden Argument angenommen: Ist die internationale Zuständigkeit zu bejahen, ist auch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts gegeben, da nicht ersichtlich ist, weshalb sich der Schadenserfolg der monierten Handlung – in diesem Fall die Sperrung einer Internetseite – zwar im Inland, nicht aber auch am Gerichtsort ausgewirkt haben soll (OLG Köln, Beschluss v. 22.10.2018, Az. 6 W 102/18).

Ähnlich simpel entschied bereits das Kammergericht Berlin unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG Brandenburg, Urteil v. 28.11.2016, Az. 1 U 6/16):  Zwar weise die beanstandete Internetveröffentlichung keinen erkennbar regionalen Bezug zu Berlin auf. Da sich ein erkennbarer regionaler Bezug aber auch nicht zu anderen Orten in Deutschland ergebe, sei eine bestimmungsgemäße Kenntnisnahme an jedem Ort in der Bundesrepublik gleichermaßen wahrscheinlich (KG Berlin, Beschluss v. 26.09.2017, Az. 10 W 84/17).

Fazit und Praxistipp:

Wichtig ist die OLG-Entscheidung für die immer häufiger notwendig werdenden Klagen gegen Google oder andere ausländische Anbieter. Es steht zu hoffen, dass – wie es eigentlich selbstverständlich sein müsste – weitere Instanzgerichte dieser Rechtsprechung folgen.

Auch, wenn eine deutsche Entscheidung im Ausland, insbesondere wenn es Länder außerhalb der Europäischen Union betrifft, oft nicht unmittelbar vollstreckbar ist, kann es sinnvoll sein, einen entsprechenden Titel zu erwirken. Dieser gilt zwar nur unmittelbar zwischen den Streitparteien, kann aber zur Illustration der Rechtslage bzw. für den Beleg der Tatsache, dass ein deutsches Gericht das Verhalten bereits als unzulässig beurteilt hat, auch Dritten, wie zum Beispiel Hostprovidern und nicht zuletzt Suchmaschinenbetreibern, wie zum Beispiel Google vorgelegt werden. Ab Kenntnis eines Rechtsverstoßes haften diese nämlich jedenfalls als Störer auf Unterlassung und gegebenenfalls sogar auch auf Schadensersatz.

Last but not least kann es natürlich auch nützlich sein, Geschäftspartner davon in Kenntnis zu setzen, dass die im Internet kursierenden Äußerungen nicht nur – gerichtlich festgestellt – unwahr sind, sondern dass er sich man dagegen auch entschieden zur Wehr setzt.

(Offenlegung: Unsere Kanzlei  hat die jeweilige Antragstellerin sowohl vor dem OLG Köln als auch vor dem KG Berlin vertreten.)

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