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OLG Köln: Kein Schadensersatz wegen fehlendem Urheberhinweis bei „kostenlosen“ Bildern?

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Creative Commons Urheberrecht Schadensersatz
© Olivier Le Moal – fotolia.com

Das OLG Köln hat erneut zu den Voraussetzungen eines Lizenzschadensersatzanspruchs des Urhebers einer Fotografie bei der Verletzung der Bedingungen der „Creative Commons“-Lizenzen entschieden (OLG Köln, Urteil v. 13.4.2018, Az. 6 U 131/17, hier als PDF abrufbar).

Urheberrechtsverletzung durch Nichteinhaltung der CC-Lizenz

Der Kläger ist Fotograf, der mehrere seiner Bilder auf der Plattform „Wikimedia“ zur kostenlosen Nutzung anbietet. Voraussetzung für diese Nutzung ist jedoch, dass die Bedingungen der sogenannten „Creative Commons“-Lizenz eingehalten werden.

Das Unternehmen „Creative-Commons“ beschreibt sich selbst als gemeinnützige Organisation, die im Internet verschiedene Lizenzierungsmodelle für Urheber bereitstellt. Mit Hilfe solcher vorformulierten Lizenzen können anderen Personen Nutzungsrechte an verschiedenen Werken eingeräumt werden. Im konkreten Fall beinhaltete die Lizenz die Berechtigung zur kostenlosen Nutzung des streitgegenständlichen Fotos. Eingeschränkt wurde dieses Nutzungsrecht jedoch unter anderem mit der Bedingung, bei der Verwendung der Bilder erkennbar auf deren Herkunft und ihrenUrheber hinzuweisen.

Der Beklagte hatte im vorliegenden Fall eine Fotografie des Klägers kopiert und in seine eigene Internetpräsenz eingepflegt, ohne dabei die Bedingungen der „Creative-Commons“-Lizenz einzuhalten. Insbesondere fehlten die Informationen zur Herkunft des Bildes und zu seinem Urheber.

LG Köln bejaht Schadensersatzanspruch

Da sich der Beklagte weigerte, Rechtsanwaltskosten und Lizenzschadensersatz zu zahlen, wurde eine Klage vor dem Landgericht Köln wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht des Klägers erforderlich. Das Gericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung der Kosten und des Lizenzschadensersatzes (LG Köln, Urteil v. 24.08.17, Az. 14 O 336/15) und wich dabei von der höhergerichtlichen Rechtsprechung des OLG Köln ab. Dieses hatte im Jahre 2014 zu  einem ähnlich gelagerten Sachverhalt entschieden (OLG Köln, Urteil v. 31.10.2014, Az. 6 U 60/14). Wir berichteten.

Im dortigen Verfahren hatte ein Fotograf sein Lichtbild ebenfalls unter einer „Creative-Commons“-Lizenz angeboten. Diese sah unter anderem vor, dass der dortige Kläger als Urheber genannt werden und die Nutzung nicht-kommerziell erfolgen muss. Ob letztere Bedingung eingehalten wurde, blieb letztendlich streitig.Das Gericht lehnte einen Lizenzschadensersatzanspruch mit der folgenden Begründung ab:

Der „objektive Wert“ der nicht-kommerziellen Nutzung eines unter der Creative Commons-Lizenz angebotenen geschützten Inhalts kann nur mit Null angesetzt werden.

Im Fall der fehlenden Urheberbenennung eines Fotografen wird zwar üblicherweise ein 100%iger Aufschlag auf den nach der Lizenzanalogie berechneten Schaden gewährt. Aber 100% von 0 sind immer noch 0 […].

OLG Köln stellt seine Rechtsprechung mit Blick auf BGH klar

Auf diese Entscheidung nahm der Beklagte Bezug und legte gegen das Urteil des Landgerichts Köln, mit dem er zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt wurde, Berufung zum OLG Köln ein.

Das OLG Köln verweist nun in seinen Urteilsgründen (OLG Köln, Urteil v. 13.04.2018, Az. 6 U 131/17) auf die ebenfalls im Jahr 2014 ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Ct-Paradies“ (BGH, Urteil v. 18.09.2014, Az. I ZR 76/13).

Das OLG Köln stellt hierzu fest, dass es nach der Entscheidung des BGH rechtlich unbedenklich sei, in einem Fall wie dem vorliegenden (kostenlose Nutzungseinräumung bei Einhaltung der Verlinkung) auf den wirtschaftlichen Wert der durch den elektronischen Verweis bewirkten Werbung für die Internetseite des dortigen Klägers abzustellen. Auch die Verdopplung des Wertes wegen fehlender Urhebernennung habe der BGH dort unbeanstandet gelassen.

Nach alledem sei auch im vorliegenden Fall zunächst von dem vom BGH gebilligten Ansatz auszugehen, dass auf den wirtschaftlichen Wert der durch den verlangten elektronischen Verweis bewirkten Werbung für den Kläger abgestellt und bei fehlender Urhebernennung eine Verdopplung in Betracht gezogen werden könne.

Vorliegend führe jedoch die Anwendung dieses Ansatzes nicht zu einem Schadensersatzanspruch des Klägers, da er zu einer eigenen Lizenzierungspraxis im streitrelevanten Zeitraum (2012) nichts habe vortragen können. Zwar sei es für eine hier in Betracht kommende Schadensschätzung nach § 287 ZPO im Rahmen der Lizenzanalogie nicht relevant, ob der Verletzte überhaupt lizenziert hätte oder dies hätte tun können, da es sich um eine fiktive Lizenzgebühr handele. Es sei auch nicht erforderlich, dass eine Lizenzierung üblich sei, sondern nur dass das geschützte Recht seiner Art nach vermögenswert genutzt werde oder jedenfalls werden könne.

Der Kläger habe sich im konkreten Fall jedoch gerade dafür entschieden, das Lichtbild nicht unmittelbar vermögenswert zu nutzen, indem er es kostenfrei zur Verfügung gestellt habe. Komme es danach nur auf den wirtschaftlichen Wert der durch eine Verlinkung bewirken Werbung für die Internetseite des Klägers an, sei vorliegend zu berücksichtigen, dass der Kläger keine Verlinkung auf seine eigene Internetseite, sondern auf die Internetseite Wikimedia.org begehrt habe. Der durch eine Verlinkung auf die Seite Wikimedia.org bewirkte Werbewert für seine eigene Internetseite sei nicht ersichtlich. Anders möge dies bei einer unmittelbaren Verlinkung auf eine Angebotsseite des Urhebers selbst sein, auf der Dritte als potentielle Kunden auf weitere, auch vergütungspflichtige Lichtbilder des Urhebers stoßen könnten oder auf der der Urheber – wie im vom BGH entscheidenden Fall – ein gewerbliches Angebot vorhalte.

Zwar stelle auch die fehlende Urhebernennung eindeutig ein Verstoß gegen § 13 Satz 1 Urhebergesetz und die Lizenzbedingungen dar und dies könne zu dem verlangten materiellen Schadensersatz führen, doch seien entgangene Folgeaufträge, so wie der BGH sie in einer weiteren Entscheidung „Motorradteile“ (BGH, Urteil v. 15.1.2015, Az. I ZR 148/13) zur Bejahung eines Schadensersatzanspruchs voraussetze, aufgrund der bereits genannten Gründe nicht ersichtlich.

Fazit

Das OLG Köln hat nunmehr unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH seine Rechtsprechung zum Lizenzschadensersatz bei Verstößen gegen die „Creative-Commons“-Lizenz klargestellt. Danach ist ein Lizenzschadensersatzanspruch nicht grundsätzlich deswegen ausgeschlossen, weil der Urheber seine Lichtbilder auch unter bestimmten Bedingungen zur kostenlosen Nutzung anbietet.

Kann der Fotograf darlegen, dass die Einhaltung der Bedingungen einen Vermögenswert für ihn hat, ist dieser Schaden zu ersetzen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn bei Einhaltung der Bedingungen eine Verlinkung auf seine Webseite stattgefunden hätte, auf der die Lichtbilder kostenpflichtig angeboten werden. Dann liegt auch nicht fern, dass ihm aufgrund der fehlenden Verlinkung Folgeaufträge entgangen sind.

Man kann somit festhalten, dass das OLG Köln die Tür, die es im Jahr 2014 für Urheber, die ihre Lichtbilder zur kostenlosen Nutzung anbieten „zugeschlagen“ hat wieder „einen Spalt breit“ geöffnet hat. Ob es dabei die Vorgaben des BGH überspitzt angewendet haben mag, steht auf einem anderen Blatt.

Der karnevalistische anmutende Erfahrungssatz dass „100% von 0 sind immer noch 0“ seien, ist jedenfalls nicht mehr haltbar.

Folgen für die Praxis

Vor den Hintergrund dieser Rechtsprechung haben es diejenigen Urheber und insbesondere Fotografen schwer, Lizenzschadensersatz gerichtlich durchzusetzen, die am Beginn ihrer Karriere stehen und dementsprechend keine Lizenzierungspraxis oder eine längere Historie von Aufträgen nachweisen können. Diesen muss mit Blick auf die Rechtsprechung des OLG Köln bewusst sein, dass sie durch das kostenlose Angebot der Nutzung ihrer Lichtbilder die Grundlage der im Rahmen der Lizenzanalogie zu beachtende Schadensschätzung nach § 287 ZPO zu ihren Ungunsten beeinflussen.

Konsequente Rechtsverfolgung mit Augenmaß

Was Rechtsverletzer und deren Anwälte häufig übersehen: Die Urheberrechtsverletzung durch die lizenzwidrige Nutzung wird auch durch das OLG Köln nach wie vor uneingeschränkt anerkannt. Auch Creative-Commons-Fotografen, die ihre Bilder unter bestimmten Bedingen kostenlos anbieten steht daher ein Unterlassungsanspruch und ein Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten zu.

Für die Rechteinhaber auch klarer Rechtspositionen gilt es bei allem Ärger, Augenmaß zu wahren. Man muss nicht gegen alles und jeden (z.B. private Blogger, kleine Händler) sofort die „Abmahnkeule herausholen“. Oft ist es die beste Werbung für einen Fotografen, wenn er sich gütlich mit ehemaligen Rechtsverletzern einigen kann. Es gibt aber auch Fälle, in denen sich ein couragiertes Eintreten für das eigene Recht nicht nur lohnt, sondern auch Teil der Strategie sein muss, um schützenswertes Eigentum auf Dauer zu sichern und nachhaltige Werte zu schöpfen.

(Offenlegung: Unsere Kanzlei hat den Kläger vertreten.)

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