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Facebook: Kann man die Klarnamenpflicht bald vergessen?

facebooklogoSchon lange wird über dieses Thema diskutiert: darf Facebook von seinen Usern wirklich verlangen, dass diese sich mit ihren korrekten und vor allem vollen Namen präsentieren?

Der Netzwerkbetreiber meint ja, wacht sogar streng über die Einhaltung dieser Regel. Wer mit einem offensichtlichen Fantasienamen auffällt, wird gesperrt, bis er seinen Klarnamen angibt. Und auch wenn er das einmal gaetan hat, kommen für diese Person keine Namensänderungen mehr in Frage. Auch wer nach einer Heirat einen neuen Nachnamen angeben möchte, müsste Facebook dann erst seinen Personalausweis zuschicken.

Dieses strikte Vorgehen nimmt manchmal absurde Züge an. In Großbritannien hatte 2008 etwa die Userin Jemma Rogers nicht ihren richtigen Namen angeben wollen und nannte sich auf ihrem Profil darum „Jemmaroid Von Laalaa“. Sieben Jahre später verlangte Facebook plötzlich von ihr, einen „authentischen“ Namen, wie Facebook es nennt, anzugeben. Da sie dies nicht wollte, sperrte Facebook ihren Account. Das Problem mit der Sperrung liegt darin, dass gesperrte User auf nichts mehr zugreifen können, sie können ihren Account nicht einmal mehr löschen. Auch einen neuen Account können sie nicht erstellen, zumindest nicht unter der schon vorher benutzten E-Mail-Adresse. Was tut man also in so einem Fall? Die Britin griff zu einem radikalen Mittel und ließ sich offiziell in „Jemmaroid Von Laalaa“ umbenennen, um Facebook einen Personalausweis mit diesem Namen zuschicken zu können. Doch muss das wirklich sein?

Seine Methoden erklärt der Netzbetreiber damit, dass Klarnamen zur Sicherheit beitragen. Wer unter seinem Klarnamen agiert, sei weniger dazu geneigt, Cybermobbing zu betreiben oder hetzerische Texte im Netz zu verbreiten. Dass das nicht wirklich funktioniert, sollte jedem Facebook-User aufgefallen sein. Kritiker sind daher der Ansicht, dass Facebook vielmehr darum auf die Klarnamen bestehe, da es immer wieder Daten seiner Mitglieder an Werbekunden verkaufe.

Und obwohl gerade das vielen Usern ein mulmiges Gefühl bereitet, hält Facebook in Europa konsequent am Klarnamenzwang fest, besonders nachdem deutsche Gerichte dies 2013 für zulässig erklärten (OVG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 22.04.2013, Az. 4 MB 10/13, wir berichteten hier und hier). Grund dafür ist der Serverstandort des Internetriesen in Irland. Die Europäische Datenschutzrichtlinie sieht nämlich vor, dass das deutsche Recht keine Anwendung findet, wenn personenbezogene Daten durch eine Niederlassung in einem anderen EU-Mitgliedstaat erhoben und verarbeitet werden. Somit gilt nicht deutsches, sondern irisches Datenschutzrecht und das wiederum erlaubt die Verpflichtung zu Klarnamen.

Doch reicht ein Serverstandort im Ausland, um nationales Recht so einfach zu umgehen? In einer EuGH-Entscheidung vom 13.05.2014 zum sog. “Recht auf Vergessen” vertrat der EuGH die Ansicht, für Google gelte spanisches Datenschutzecht, obwohl es in Spanien keinen Serverstandort besitzt. Grund für diese Entscheidung war, dass Google in Spanien geschäftlich aktiv ist (EuGH, Urteil vom 13.05.2014, Az. C 131/12).

Aber gilt das nicht auch für Facebook? Zumal der Netzbetreiber sogar einen dreistöckigen Sitz in Hamburg hat und in Deutschland durch Werbeanzeigen auch auf dem Markt durchaus tätig ist. Sieht man davon ausgehend die Facebook Germany GmbH als Niederlassung i.S.d. § 1 V S. 1 BDSG an, müsste nach dem EuGH tatsächlich auch deutsches Recht Anwendung finden. Dann  würde Facebook mit seiner Klarnamenpflicht jedenfalls gegen § 13 Abs. 6 TMG verstoßen. Diese Vorschrift verpflichtet Dienstanbieter dazu, die Nutzung eines “Telemediums” anonym oder unter Nutzung eines Pseudonyms zu ermöglichen. Auch würde die Anforderung eines Personalausweises zur Identifizierung gegen das neue Personalausweisgesetz verstoßen (vgl. z.B. hier). Der Personalausweis, wie er nun in Deutschland eingeführt wurde, bietet neben der Ausweisfunktion nämlich inzwischen auch Möglichkeit zur Signatur und zur Authentisierung. Zum Schutz dieser Funktionen soll der neue Personalausweis nicht mehr kopiert oder an nicht hoheitliche Stellen weitergegeben werden.

Bisher hat der EuGH sich jedoch noch nicht zu Facebook geäußert. Rechtlich bleibt es somit bei dem bisherigen Standpunkt. Und um die Rechte eines jeden Deutschen gegenüber Facebook durchzusetzen wird es nicht reichen, sich an die deutschen Gerichte zu wenden. Denn nach wie vor gelten für Europa die europäischen Datenschutzrichtlinien aus dem Jahr 1995. Problematisch ist jedoch, dass es zu diesem Zeitpunkt noch keine sozialen Netzwerke und so auch die damit verbundenen Problematiken noch nicht gab. Nichtsdestotrotz regelt der noch immer geltende Art. 7 der Richtlinie abschließend, unter welchen Bedingungen eine Datenverarbeitung zulässig ist. Nationalen Gesetzgebern ist es dabei jedenfalls verboten, darüber hinaus zusätzliche Bedingungen aufzustellen, was eine Berufung auf das deutsche TMG aussichtlos macht.

Hoffnung spendet allein der sich zurzeit noch in Arbeit befindliche Entwurf neuer EU-Datenschutzrichtlinien, die in allen EU-Ländern einheitliche Regeln aufstellen sollen. Europäische Nutzer sollen damit endlich mehr Rechte und besseren Schutz ihrer Daten gegenüber Internetkonzernen wie Facebook,  Google und anderen Anbietern erhalten. Grundpfeiler der Reform soll dabei die „Recht auf Vergessen“ – Entscheidung des EuGH sein. Ob damit auch endlich die Klarnamenpflicht entfällt, bleibt abzuwarten.

Noch kann man sich also nicht wirklich gegen den Internetriesen wehren. Jedoch sollte dadurch niemand davon abgehalten werden, ein Pseudonym im Internet zu benutzen. Oft dauert es Jahre, bis Facebook den Schwindel auffliegen lässt und wenn alles gut läuft, wird die neue Reform 2018 dem sowieso ein Ende machen. (ne)

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