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Pressefreiheit stellt keinen Freibrief für Wettbewerbsverstöße dar

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Presse Schild VIIIn einem vom Bundesgerichtshof Anfang des Jahres entschiedenen Fall stritten sich die Parteien über die Verantwortlichkeit der Beklagten, der Herausgeberin der Zeitschrift „TIP der Woche“, für den von der Klägerin als wettbewerbswidrig beanstandeten Inhalt von zwei dort erschienenen Werbeanzeigen (BGH, Urteil v. 05.02.2015, Az. I ZR 136/13).

Was war geschehen?

Die Zeitschrift der Beklagten setzt sich hauptsächlich aus Werbeanzeigen für Produkte zusammen, die in Kaufland-Märkten erhältlich sind. Daneben erscheinen dort vereinzelt Anzeigen anderer Einzelhandelsgeschäfte und unterhaltende Beiträge wie Horoskope, Rätsel oder Prominentenporträts.

Die Beklagte veröffentlichte in der Ausgabe vom 10.10.2011 eine Werbeanzeige für Geschirrspülmaschinentabs. Diese bildete unter der Überschrift „Ausgezeichnete Qualität für Ihre Spülmaschine“ vier verschiedene Sorten von Geschirrspülmaschinentabs ab, wobei im Vordergrund die Packung der Tabs „fit Grüne Kraft ALLES in 1“ und rechts davor – teilweise überlappend – die Packung des Produkts „fit Grüne Kraft CLASSIC“ zu sehen waren. Davor war – teilweise überschneidend mit der vorderen Packung – das Logo der Stiftung Warentest mit folgendem Zusatz abgedruckt: „TESTSIEGER GUT (2,1) Im Test: 17 Geschirrspültabs Ausgabe 08/2010“. Untersucht und bewertet wurden in der besagten Ausgabe allerdings nur die Tabs „fit GRÜNE KRAFT CLASSIC“.

Ähnlich gestaltete sich die Situation in Bezug auf die weitere im Verfahren beanstandete Werbeanzeige, mit der auf vergleichbare Weise diverse Nudelprodukte beworben wurden.

Der Kläger, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände, beanstandete die beiden Werbeanzeigen als irreführend nach §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 UWG und bekam sowohl in den Vorinstanzen, als auch nunmehr vor dem Bundesgerichtshof Recht.

Wettbewerbsförderung durch Hinweis auf eigenes einschlägiges Angebot

Das Berufungsgericht stellte in seiner rechtlichen Bewertung zunächst fest, dass es sich bei der Veröffentlichung der fraglichen Werbeanzeigen um eine relevante geschäftliche Handlungen der Beklagten handele. Damit habe die Beklagten zum einen den Absatz der die Werbeanzeigen geschalteten Hersteller der beworbenen Waren gefördert. Zum anderen habe sie aber nach dem Erscheinungsbild der Zeitschrift und namentlich dem Hinweis auf die Einkaufsmöglichkeit bei „Kaufland“ auch den Wettbewerb der Betreiber der Kaufland-Märkte gefördert. Diese Beurteilung lasse nach den Feststellungen des Bundesgerichtshofs keinen Rechtsfehler erkennen.

Verstoß gegen das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot

Das Vorbringen der Revision blieb ferner ohne Erfolgt, soweit damit die Annahme des Berufungsgerichts gerügt wurde, es liege ein Verstoß gegen das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot vor. Dieser sei tatsächlich gegeben. Denn die Werbeanzeigen seien in ihrer konkreten Form insofern irreführend, als sie dem Verbraucher den unzutreffenden Eindruck vermitteln, auch die in räumlicher Nähe des Logos der Stiftung Warentest abgebildeten, tatsächlich jedoch nicht getesteten Produkte seien mit den ausgewiesenen Gesamtnoten bewertet worden.

Keine Rechtfertigung durch die Pressefreiheit

Schließlich vermochte vorliegend auch der in der Praxis sehr beliebte und von Unternehmen zur Rechtfertigung wettbewerbswidriger (Werbe-)Äußerungen immer wieder gern bemühte Rückgriff auf die Pressefreiheit der Beklagten nicht aus der Haftung heraus zu helfen.

Bereits das Berufungsgericht stellte fest, dass die Beklagte für den wettbewerbswidrigen Inhalt der Werbeanzeigen auch im Lichte der grundrechtlich geschützten Pressefreiheit verantwortlich sei. Bei der Zeitschrift „TIP der Woche“ handele es sich nicht um ein klassisches Presseerzeugnis, sondern um ein kommerziell ausgerichtetes konzerninternes Werbeblatt, das in Bezug auf seinen presserechtlichen Schutz einem Werbeprospekt gleichstehe, so dass die für die Beklagte streitende Pressefreiheit hinter dem Schutz der Verbraucher vor irreführender Werbung zurücktreten müsse.

Dieser Beurteilung bestätigte nunmehr auch der Bundesgerichtshof und führte hierzu insbesondere wie folgt aus:

„(1) Der Schutzumfang der Pressefreiheit ist umso geringer, je weniger ein Presseerzeugnis der Befriedigung eines Informationsbedürfnisses von öffentlichem Interesse oder der Einwirkung auf die öffentliche Meinung dient und je mehr es eigennützige Geschäftsinteressen wirtschaftlicher Art verfolgt (vgl. BGHZ 116, 47, 54 – Amtsanzeiger; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 3 Rn. 83; zu Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG Ahrens in Harte/Henning aaO Einl G Rn. 76). Danach kann sich ein Presseunternehmen grundsätzlich nicht mit Erfolg auf eine eingeschränkte Haftung für gesetzwidrige Werbeanzeigen Dritter berufen, wenn die fragliche Zeitschrift keinen nennenswerten meinungsbildenden Bezug hat, sondern nahezu ausschließlich Werbung enthält.

(2) Nach diesen Maßstäben ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Zeitschrift „TIP der Woche“ in Bezug auf ihren presserechtlichen Schutz einem (reinen) Werbeprospekt gleichgestellt hat. Die Zeitschrift weist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keinen meinungsbildenden Bezug, sondern eine fast durchweg kommerzielle Ausrichtung auf. Sie wird von Werbeanzeigen beherrscht und nur zu dem Zweck herausgegeben, die Leser zu bewegen, „im Kaufland einzukaufen“. Die unterhaltenden Bestandteile der Zeitschrift treten in ihrem Umfang und ihrer Bedeutung dahinter zurück.“

Ferner stellte der Bundesgerichtshof in Bezug auf einen weiteren Einwand der Beklagten fest, dass sie nicht für sich geltend machen könne, dass ihr die inhaltliche Überprüfung des veröffentlichen Materials auf etwaige Gesetzesverstöße unzumutbar gewesen sei. Denn bei ihrer Zeitschrift handele es sich nicht um ein der aktuellen Berichterstattung verpflichtetes Presseerzeugnis. Sie kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, sie stehe als Herausgeberin dieses Blattes bei der Bearbeitung der Anzeigenaufträge unter dem Gebot einer raschen Entscheidung, welches  der Pressefreiheit wiederum grundsätzlich den Vorzug hätte gewähren können. (pu)

(Bild: © Daniel Ernst – Fotolia.com)

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