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Verstoß gegen Health Claims-Verordnung: OLG Hamburg verbietet Werbung für Mittel für Muskelaufbau

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Vor dem Hamburger Oberlandesgericht stritten in zweiter Instanz die Vertreiberin eines Muskelpräparates und ein hanseatischer Wettbewerbsverein mit Mitgliedern aus dem Ärzte-, Apotheker- und Pharmawesen um die Zulässigkeit eines Werbeangebotes für ein Mittel für Muskelaufbau.

Rechtsstreit um Aufbaumittel „BETATOR“ vor dem LG Hamburg 

Bei dem besagten Muskelpräparat handelt es sich um den Stoff „BETATOR“, den eine Vertreiberin von Nahrungsergänzungsmitteln, hauptsächlich gerichtet an Kraftsportler, auf ihrer Internetpräsenz feilbot. Gegen diese Werbung reichte ein Hamburger Wettbewerbsverein, der unter anderem die hanseatische Ärztekammer, den Hamburger Apothekerverein und diverse Pharmaunternehmen vertrat, Klage vor dem Hamburger Landgericht ein.

Im Einzelnen verstoße die angegriffene Werbung nach Ansicht des Vereins unter anderem gegen die europarechtliche Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, kurz VNGA.

Die europarechtliche Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben

Diese erstmals 2006 veröffentlichte Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (auch Health Claims-Verordnung genannt) legt fest, dass Lebensmittelhersteller EU-weit nur nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben machen dürfen, die wissenschaftlich abgesichert sind, und den Anforderungen der Verordnung gerecht werden.

Ziel der Verordnung ist es, ein hohes Schutzniveau für den Verbraucher zu gewährleisten, was konkret bedeuten soll, dass „Gesundheitsversprechen“ nur noch dann gemacht werden dürfen, wenn diese auch tatsächlich eingehalten werden.

Darüber hinaus soll eine europaweit einheitliche Regelung den freien Warenverkehr ermöglichen, indem gleiche Wettbewerbsbedingungen hergestellt werden. Auf diese Weise soll die Verordnung auch der Unternehmerseite zugute kommen.

Neben allgemeinen Bedingungen, die zur Vermeidung von Irreführungen beim Verbraucher verfasst wurden (hierunter fallen primär Kriterien der Deutlichkeit, des Aussagegehaltes und der wissenschaftlichen Nachweisbarkeit sowie die Zusammensetzung des Lebensmittels), entfalten besonders die Regelungen zu Gesundheits- und Nährwertangaben Relevanz. Daneben beinhaltet die Verordnung Spezialregeln für krankheitsbezogene Aussagen.

Ferner handelt es sich bei der VNGA um eine sogenannte „Marktverhaltensregel“ im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG – eine Zuwiderhandlung stellt also eine Verletzung des geltenden Wettbewerbsrechtes dar.

Nach Ansicht des Wettbewerbsvereins enthielt die Werbung unter anderem irreführende Angaben, da auf bestimmte Inhaltsstoffe nicht spezifisch hingewiesen werde sowie unzulässige Formulierungen hinsichtlich der versprochenen Wirksamkeit des Mittels. Das LG Hamburg verpflichtete die Beklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zur Unterlassung der Werbung am 01.03.2016 und bestätigte dieses Urteil schließlich am 24.05.2016 (LG Hamburg, Urteil v. 24.05.2016, Az. 406 HKO 56/16).

Gegen dieses Urteil legte die Betreiberin Berufung vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht ein.

Wettbewerbsverhältnis zwischen Kläger und Beklagtem?

Uneinigkeit bestand zunächst hinsichtlich der Frage, ob Kläger und Beklagter überhaupt in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen. Wie bereits erwähnt, zieht ein Verstoß gegen die VNGA auch eine Verletzung des UWG nach sich. Voraussetzung hierfür ist dabei stets, dass die streitenden Parteien in einem Wettbewerbsverhältnis zueinander stehen, also auf dem freien Markt auch tatsächlich miteinander konkurrieren. Nach Ansicht der Vertreiberin des Mittels handele es sich bei „BETATOR“ um kein Arznei– sondern lediglich um ein Lebensmittel: Demnach konkurriere das Produkt gerade nicht mit den vom Wettbewerbsverein vertretenen Mitgliedern, diese verkauften als Apotheker, Ärzte und Pharmaunternehmen ausschließlich Arzneimittel.

Diesbezüglich bejahten die Richter am Oberlandesgericht jedoch ein solches Verhältnis, da der Wettbewerbsverein unter anderem auch Lebensmittelhersteller, Vertreiber von Naturheilmitteln und Importeure diätischer Mittel zu seinen Mitgliedern zählt. Für ein Wettbewerbsverhältnis reiche bereits eine gewisse Ähnlichkeit der vertriebenen Produkte aus, die damit gegeben sei, insbesondere da aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers Nahrungs- und Nahrungsergänzungsmittel eine hohe Ähnlichkeit aufwiesen. Schließlich entspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Apotheken regelmäßig neben Arzneimitteln auch Nahrungsergänzungsmittel zum Verkauf stellten. Ein Wettbewerbsverhältnis sahen die Richter auch in dieser Hinsicht als gegeben an.

Verstoß gegen die VNGA erfordert gesundheitsbezogene Angaben

Kernfrage im Zuge der Urteilsfindung war ein möglicher Verstoß gegen die Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben. Für einen solchen Verstoß muss es sich bei den im Zuge der Werbung getätigten Aussagen konsequenterweise auch tatsächlich um gesundheitsbezogene Angaben handeln. Wann das der Fall ist regelt die Verordnung folgendermaßen:

  • „Angaben“ im Sinne der Verordnung sind dabei jegliche Aussagen oder Darstellungen, die suggerieren oder auch nur mittelbar zum Ausdruck bringen, dass ein Lebensmittel spezifische Eigenschaften innehat.
  • „Gesundheitsbezogen“ ist eine Angabe dann, wenn sie suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck bringt, dass zwischen dem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und der Gesundheit des Verbrauchers ein Zusammenhang besteht.

Unterschieden wird dabei zwischen spezifischen und nichtspezifischen gesundheitsbezogen Angaben:

  • „Nichtspezifisch“ sind solche Angaben, die auf allgemeine Vorteil eines Lebensmittels für die Gesundheit Bezug nehmen, beispielsweise generelle Formulierungen wie „wohltuend“ oder auch „erhöht die Leistungsfähigkeit“.
  • „Spezifisch“ sind Angaben dann, wenn sich der beschriebene Zusammenhang auf ein einzelnes Körperteil oder eine besondere Körperfunktion bezieht.

Zur weiteren Abgrenzung kommt es darauf an, ob die beschriebene Wirkung auf den menschlichen Organismus im Zuge eines speziellen, in der Verordnung geregelten, wissenschaftlichen Nachweisverfahrens bestätigt werden kann – in diesem Falle handelt es sich dann um spezifische Angaben.

Im vorliegenden Fall warb die Betreiberin des Onlinehandels damit, dass „BETATOR“ den Muskelaufbau fördern und den Muskelabbau hemmen könne, die Angaben bezogen sich demnach auf eine spezifische Körperfunktion und waren darüber hinaus der wissenschaftlichen Überprüfung zugänglich. Mithin handelte es sich hier um spezifische gesundheitsbezogene Angaben. Für diese gelten besondere Anforderungen, so muss klar erkennbar sein, auf welchem Inhaltsstoff die versprochene Wirkung genau beruht. Im Falle von „BETATOR“ war dies nicht gegeben, der muskelstärkende Effekt beruhte auf Inhaltsstoffen, die bei der Bewerbung des Produktes nicht angeben waren.

Darüber hinaus warb die Verkäuferin mit weiteren Eigenschaft des Mittels, im Wortlaut hieß es hier: „Betator beschleunigt den Fettabbau im Training, über 210 % größere Fettreduktion mit Betator“, sowie „Betator für eine TOP-Fettverbrennung“. Nach Ansicht der Richter wurde hiermit eine gesteigerte, besonders effektive Wirkung hinsichtlich der Fettverbrennung versprochen – eine solche kann das Mittel faktisch jedoch nicht aufweisen. Ferner wurde diese Eigenschaft auch hier nur dem Mittel „BETATOR“ als Ganzes zugeschrieben, beruht faktisch aber auf dem Inhaltsstoff „Cholin“.

Beipackzettel und Packungsbeilage

Schließlich sprach die Werbung dem Mittel eine „deutlich schnellere Regeneration und Erholung nach einem intensiven Training“ zu. Nach Ansicht des OLG handelte es sich hier allerdings lediglich um allgemeine gesundheitsbezogene Angaben. Diesen müssen jedoch laut Verordnung bestimmte zusätzliche Informationen beigefügt werden: Ein Hinweis auf eine grundsätzlich ausgewogene Ernährung, Angaben zur Menge und zum Verzehrmuster, das eingehalten werden muss, um die angegebene Wirkung erzielen zu könne, sowie Warnhinweise bezüglich eines übermäßigen Verzehrs und Personen, für die das Mittel ungeeignet ist. An diesen Informationen mangelte es im Falle des Muskelpräparats.

Aus genannten Ausführungen verstoße die Werbung – zumindest weitgehend, der Slogan „BETATOR ist echt revolutionär“ dürfte wohl eher gesundheitsgefährdend als gesundheitsbezogen sein-  demnach nach Ansicht der Richter gegen die Verordnung, und begründe im gleichen Atemzug einen Unterlassungsanspruch aus § 4 Nr. 11 UWG gegen die Vertreiberin (OLG Hamburg, Beschluss v. 30.6.2017, 3 U 130/16)

Fazit: Ordnung muss sein

Genauigkeit bei der Bewerbung von Lebensmitteln sollte demnach stets an den Tag gelegt werden, insbesondere wenn den Produkten bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden: Diese müssen klar verständlich sein, insbesondere hinsichtlich der Frage, auf welchem Inhaltsstoff sie beruhen.

Auch bei der Wortwahl sollte stets auf den Standpunkt eines „Durchschnittsverbrauchers“ abgestellt werden und inwiefern ein solcher bestimmte Aussagen auffassen dürfte.

Darüber hinaus gilt zu beachten, dass im Falle von nichtspezifischen Angaben künftig möglicherweise zusätzliche Informationen neben den Angaben zum Verzehr beigefügt werden müssen, da hier aktuell auf europäischer Ebene noch über einen weiteren Katalog beraten wird. Laut Ansicht des Bundesgerichtshof sind diese aktuell noch nicht beizufügen, im Falle der Veröffentlichung werden diese allerdings obligatorisch.

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