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Fußball ist unser LebenDie Fußball-EM kommt in die heiße Phase: wenn heute alles glatt läuft, wird Deutschland am Sonntag im Finale stehen.

Während die Spieler bei den Fernsehübertragungen naturgemäß im Mittelpunkt stehen, schwenkt die Kamera zwischendurch immer wieder auf die Tribünen, wo die Fans mimisch und gestisch am Spielverlauf Anteil nehmen, ihr Team anfeuern, mit ihm leiden, es vorantreiben und nach dem Schlusspfiff ihren Emotionen freien Lauf lassen.

Spätestens dann, wenn der Kameramann sekundenlang auf einen niedergeschlagenen griechischen Fan zoomt, dessen übers gesamte Gesicht geschminkte Nationalflagge unter dem Einfluss von Tränen und Schweiß vollkommen verschmiert ist, stellt sich jedoch die Frage: „Darf der TV-Sender diesen Moment persönlicher Trauer ohne Wissen des Betroffenen in Millionen Haushalte senden?“

Nach deutschem Recht gelten Filmaufnahmen von Personen als Bildnisse im Sinne des Kunsturhebergesetzes (KUG). Sie dürfen daher grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden (§ 22 KUG). Wird eine solche nicht erteilt, ist die Verbreitung nur zulässig, wenn ein Ausnahmetatbestand des § 23 KUG eingreift. Die dort abschließend geregelten einwilligungsfreien Ausnahmen umfassen Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG), Bilder mit Personen als Beiwerk (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG), Bilder von Versammlungen (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und Bildnisse im höheren Interesse der Kunst (§ 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG).

Eine Einwilligungsfreiheit nach § 23 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 KUG erscheint in unserem Beispielsfall von vornherein abwegig, doch auch mit § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG lässt sich eine Zulässigkeit der Verbreitung des Bildnisses des Griechen ohne dessen Einwilligung nicht herleiten. Denn „Versammlung“ im Sinne dieser Vorschrift ist zwar auch eine Sportveranstaltung, jedoch bedarf die Verbreitung nur dann keiner Einwilligung, wenn das Bild die Versammlung als Vorgang bzw. einen repräsentativen Ausschnitt dessen zeigt. Die Vorschrift legalisiert also den Schwenk der Kamera auf die Zuschauertribüne, nicht jedoch das Herausstellen einzelner Individuen.

Insofern wäre die Verbreitung ohne Zustimmung nur erlaubt, wenn es sich bei dem Bildnis des Griechen entsprechend § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG um ein solches aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Nachdem der BGH seine Unterscheidung in absolute und relative Personen der Zeitgeschichte mehr oder minder aufgegeben hat, kommt es nun nicht mehr primär darauf an, ob die abgebildete Person selbst eine Person der Zeitgeschichte ist, sondern in erster Linie darauf, ob die Berichterstattung ein Ereignis der Zeitgeschichte betrifft (vgl. BGH GRUR 2007, 523). Ob der BGH auf dieser Grundlage zu dem Schluss käme, dass jeder Zuschauer in einem Fußballstadion allein wegen seiner Präsenz bei einem Spiel von öffentlichem Interesse eine Verbreitung seines Bildnisses über sich ergehen lassen muss, darf aber nach unserem Dafürhalten bezweifelt werden, zumal die Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG dann regelmäßig ins Leere liefe.

Andererseits ließe sich gegebenenfalls argumentieren, dass neben dem Spiel, auch die Geschehnisse auf der Tribüne ein eigenständiges Ereignis der Zeitgeschichte darstellen: wenn Spanier als schnurrbärtige Flamenco-Tänzerinnen, Holländer als Frau Antje und Dänen als Wikinger verkleidet ins Stadion ziehen, dann verstehen sie sich als Teil einer Event-Kultur, die möglicherweise ebenso im Interesse der Öffentlichkeit steht wie das Fußballspiel selbst. Unter Zugrundelegung dieser Argumentation müsste sich wohl auch der trauernde Grieche aus unserem Beispiel vorhalten lassen, dass er sich mit seiner Gesichtsbemalung selbst zum Gegenstand der Berichterstattung gemacht hat.

Selbst wann man aber grundsätzlich von einem Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte ausgehen sollte, wäre zu berücksichtigen, dass die Verbreitung gemäß § 23 Abs. 2 KUG jedenfalls dann nicht ohne Einwilligung möglich wäre, wenn hierdurch ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Wer während des Spiels in der Nase bohrt, mit seinem Partner (oder viel schlimmer – nicht seinem Partner) in einen innigen Kuss versinkt oder sogar das Spiel verschläft und dabei von der Kamera in Nahaufnahme eingefangen wird, dürfte sich mit dem Verweis auf § 23 Abs. 2 KUG erfolgreich gegen die Verbreitung seines Bildnisses wehren können. Auch der Grieche aus unserem Beispiel könnte sich gegebenenfalls auf diese Vorschrift berufen. Aber dass der Grieche in Deutschland Verletzungen seines Rechts am eigenen Bild geltend gemacht, ist letztlich ebenso unwahrscheinlich wie die Annahme, Deutschland würde nicht Europameister.

Letztlich dürften die gesamten Überlegungen auch eher theoretischer Natur sein: die UEFA als Ausrichterin der EM wird sich von jedem Stadionbesucher beim Kauf der Karte in ihren AGB eine Einwilligung zur Verbreitung von Bildnissen eingeräumt haben. Ob solche pauschalen Einwilligungen einer AGB-Prüfung standhalten, ist dann wieder eine andere Frage. Aber: wo kein Kläger, da kein Richter. Solange kein Fan gegen die Verbreitung seines Bildnisses vorgeht, bleiben die aufgezeigten Fragen wohl ungeklärt. (ab)

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