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Europarecht: In welchem Land können Verbraucher Unternehmer verklagen?

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Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 07.12.2010 (in der verbundenen Rechtssache C-585/08 und C-144/09) wird die Verordnung der Europäischen Union über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen präzisiert.

Auch die genannte Richtlinie dient unter anderem dem Verbraucherschutz. Liegt ein Verbrauchervertrag vor, gelten für diesen besondere, privilegierende Regeln über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte innerhalb der Mitgliedstaaten. Kommt es zum „grenzüberschreitenden“ Streit zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer, der die Tätigkeit seines Unternehmens auf den Mitgliedstaat ausweitet, in dem sich der Wohnsitz des Verbrauchers befindet, kann dieser Klagen vor dem Gericht „seines“ Mitgliedstaates erheben. Zudem kann der Verbraucher auch nur in dem Staat verklagt werden, in dem er wohnt.

Der EuGH hatte in der verbundenen Rechtssache zu entscheiden, ob ein Unternehmer seine Tätigkeit nach der Verordnung auf den Mitgliedstaates des Wohnsitzes des Verbrauchers „ausrichtet“ und zwar dann, wenn er zur Vertragsanbahnung und Kommunikation mit dem Verbraucher eine Internetseite nutzt. Der EuGH nennt Anhaltspunkte, die dafür sprechen können, dass eine Ausrichtung auf den Wohnsitz des Verbrauchers vorliegt:

„Die folgenden Gesichtspunkte, deren Aufzählung nicht erschöpfend ist, sind geeignet, Anhaltspunkte zu bilden, die die Feststellung erlauben, dass die Tätigkeit des Gewerbetreibenden auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtet ist, nämlich der internationale Charakter der Tätigkeit, die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen Mitgliedstaaten aus zu dem Ort, an dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung mit der Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, die Tätigung von Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst, um in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers zu erleichtern, die Verwendung eines anderen Domänennamens oberster Stufe als desjenigen des Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden und die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt. Es ist Sache des nationalen Richters, zu prüfen, ob diese Anhaltspunkte vorliegen.“ (EuGH, Urt.v. 7.12.10 C-585/08, Rn. 95.

Der EuGH stellt weiter klar, dass die bloße Verfügbarkeit der Website im Mitgliedstaat des Verbrauchers nicht ausreicht, um die Tätigkeit auf diesen Mitgliedstaat auszurichten:

„Hingegen ist die bloße Zugänglichkeit der Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, nicht ausreichend. Das Gleiche gilt für die Angabe einer elektronischen Adresse oder anderer Adressdaten oder die Verwendung einer Sprache oder Währung, die in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden die üblicherweise verwendete Sprache und/oder Währung sind.“ (EuGH, a.a.O.)

Ausschlaggebend wird daher für die örtliche Zuständigkeit der Gerichte im Mitgliedstaat des Verbrauchers oder des Unternehmers sein, ob der jeweilige Websitebetreiber gezielt Angebote an Verbraucher in anderen Mitgliedstaaten abgeben will. Unternehmer sollten sich darüber bewusst sein, dass durchaus der Fall eintreten kann, dass sie ihre Rechte vor Gerichten anderer Mitgliedstaaten verteidigen müssen. (cs)

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