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eBay reagiert auf unseren Hinweis auf aktuelle Abmahngefahr wegen "voraussichtlicher" Lieferzeit – die Abmahngefahr bleibt

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Am 29. 10.2012 hatten wir auf ein aktuelles Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen hingewiesen, wonach die die Angabe der Lieferfristen mit  „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ unzulässig und wettbewerbswidrig sei (OLG Bremen, Urteil v. 5.10.2012, Az. 2 U 49/12).

eBay und Amazon fügen die Formulierung automatisch ein

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung liefen Händler auf der Amazon-Plattform aber als auch auf eBay Gefahr, von Konkurrenten abgemahnt zu werden. Das zusätzliche Problem für die Händler bestand darin, dass die Angaben von eBay und Amazon automatisch hinzugefügt wurden. Verkäufer, die auf Nummer sicher gehen wollten, hätten somit den Verkauf über die Plattformen vollständig einstellen müssen.

eBay reagierte auf einen Telefonruf und die Übersendung der Entscheidung

Wir haben uns aber nicht nur darauf beschränkt, in unserem Magazin auf die Gefahr einer Abmahnung hinzuweisen, sondern haben die Plattformen eBay und Amazon telefonisch bzw. per E-Mail unter Verweis auf die oben genannte Entscheidung gebeten, für die Händler, wovon zahlreiche zu unseren Mandanten zählen, mit einer kleinen Veränderung der Formulierung Abhilfe zu schaffen.

Uns hat es sehr gefreut, dass unsere Bemühungen offenbar Früchte getragen haben. eBay hat reagiert und den alten, automatisch hinzugefügtem Hinweis zur Lieferzeit

mit einer neuen Formulierung ersetzt:

An dieser Stelle fragt sich wahrscheinlich so mancher, ob die Ersetzung des Wortes „voraussichtlich“ mit „ca.“ die Abmahngefahr tatsächlich bannt. Besteht zwischen diesen beiden Worten tatsächlich ein so großer Unterschied? Die Antwort lautet – jedenfalls nach Auffassung des hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen – „Ja“. Die Formulierung „ca.“ ist nämlich bisher in der Rechtsprechung für unbedenklich gehalten worden. Das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen führt diesbezüglich in der oben bereits genannten Entscheidung aus:

„Dieser Bewertung steht nicht der Umstand entgegen, dass andererseits Angaben wie „Lieferfrist ca. 3 Tage“ keinen Bedenken unterliegen {Senat, Beseht, v. 18.05.2009 – 2 U 42/09; Gruneberg in: Pafandt BGB 71. Aufl., Rn. 8 zu § 308). Dieselben werden deshalb für zulässig angesehen, weil sich hier die Lieferzeit nach dem Verständnis des Kunden hinreichend zuverlässig eingrenzen lässt. Die „ungefähre“ Festlegung, die die Abkürzung „ca.“ bedeutet, ermöglicht dem Verbraucher ein Verständnis, wonach die Frist – wenn auch unter dem Vorbehalt gewisser Schwankungen – im Wesentlichen festgelegt ist und die tatsächliche Lieferzeit von dem mitgeteilten Zeitrahmen (z.B. 3 Tage) nur in einem geringfügigen Maße (vielleicht 1-2 Tage) abweichen darf.“

Alle Klarheiten beseitigt? Manchmal können auch wir Rechtsprechung nicht immer nachvollziehen. Beachten muss man sie trotzdem.

Exkurs: Neuer Hinweis von eBay wirft weitere Fragen auf

Wir fragen uns allerdings, ob der Austausch der beiden Worte das Problem tatsächlich löst. Hintergrund der Gerichtsentscheidung war nämlich die Überlegung, dass der Verbraucher in der Lage sein muss, eine angegebene Lieferfrist anhand ihm vorliegender Informationen selbst zu ermitteln. eBay hat mit seiner Formulierung daher eine Fehlerquelle nicht beseitigt, in dem es den Beginn der Lieferfrist weiterhin an den „Zahlungseingang“ beim Verkäufer knüpft. Wir hatten hier auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (OLG Frankfurt, Beschluss v. 29.8.2012, Az. 6 W 84/12) hingewiesen, das eine AGB-Klausel zum Zu-Stande-Kommen eines Vertrags zur unzulässig hielt, weil diese an die „Zahlung“ durch den Kunden anknüpfte.

Das Gericht führt dazu aus:

„Wenn der Zahlungseingang bei der Antragsgegnerin Bedingung für die Annahme ihres Vertragsangebots ist, dann wird dem Bestimmtheitsgebot nicht genügt, weil sich dieses Ereignis der Einfluss- bzw. Kenntnissphäre des Kunden entzieht und er daher nicht in der Lage ist, selbst zu erkennen, wie lange er an sein Angebot gebunden ist. (Palandt-Grüneberg, BGB, 71. Aufl., Rn. 5, 8 zu § 308 BGB).“

Die gleichen Überlegungen dürften auch für den vorliegenden Fall gelten. Allerdings stellt sich die Frage, wie man es im Falle der Vorkasse, wie sie bei eBay üblich ist, überhaupt richtig machen soll. Denn, da der Verbraucher vorleistungspflichtig ist, er somit zuerst bezahlen muss bevor der Verkäufer zu liefern hat, kann eine Lieferfrist denknotwendig erst mit dem Eingang der Zahlung beim Verkäufer zu Laufen beginnen. Wann diese Zahlung beim Verkäufer eingeht, weiß der Verbraucher aber nicht. Er kann somit die Lieferfrist vor dem Kauf nicht bestimmen. Es bleibt daher festzuhalten, dass Händler bei Vereinbarung von Vorkasse eine genaue Lieferfrist nicht angeben können, dazu aber streng genommen gesetzlich verpflichtet sind.

Amazon ist noch nicht soweit

Entgegen anders lautender Berichte zum Beispiel bei Internetrecht Rostock, hat Amazon noch nicht reagiert. Bei bestimmten Artikeln und bei bestimmten Versandkosteneinstellungen zeigt Amazon nach wie vor einen Schaukasten mit einer Übersicht zur  „voraussichtlichen Versanddauer an:

Fazit: Die Abmahngefahr bleibt

Zusammengefasst gilt also, dass eBay sich zwar redlich bemüht hat, der aktuellen Rechtsprechung gerecht zu werden, den Hintergrund der Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen jedoch offenbar nicht erfasst hat. Amazon reagiert gar nicht erst. Einem Rechtsanwalt würde eine solche Arbeit umgehend als Beratungsfehler angekreidet. Onlinehändler werden wegen Fehlern wie diesen kostenpflichtig abgemahnt. Milliardenschwere Unternehmen wie eBay und Amazon scheint das hingegen alles überhaupt nicht zu interessieren – obwohl es dort natürlich auch Rechtsabteilung mit fähigen Juristen geben müsste.

Es bleibt zu hoffen, dass Amazon nochl adäquat reagiert. (la)

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