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BGH: Zu den Voraussetzungen einer unzulässigen Werbung mit Selbstverständlichkeiten

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GoldbarrenIn der Entscheidung „kostenlose Schätzung“ urteilte der Bundesgerichtshof über die Anwendbarkeit der lauterkeitsrechtlichen Grundsätze über eine unzulässige Werbung mit Selbstverständlichkeiten (vgl. z.B. hier und hier) auf Bewerbung freiwilliger Sonderleistungen eines Unternehmers (BGH, Urteil v. 28.11.2013, Az. I ZR 34/13).

Hintergrund des Revisionsverfahrens war die Frage, ob in der streitbefangenen Anzeige eines Edelmetallhändlers eine Selbstverständlichkeit hervorhebend beworben wurde und diese damit wettbewerbswidrig wäre. In der Anzeige warb der in Anspruch genommene Händler für den Ankauf von Edelmetallen und bot dabei eine „kostenlose Schätzung“ an.

Das mit der Sache befasste Berufungsgericht vermochte in den werbenden Angaben des Händlers keinen Wettbewerbsverstoß zu erkennen (wir berichteten) und fand nun auch seine Bestätigung im besagten Urteil des Bundesgerichtshofs.

Nach der ständigen Rechtsprechung des unter anderem mit Wettbewerbssachen befassten I. Zivilsenats kann eine Werbung mit objektiv richtigen Angaben gemäß § 5 Abs. 1 UWG dann unzulässig sein, wenn sie bei einem erheblichen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise einen unrichtigen Eindruck erweckt. Ein solcher unrichtiger Eindruck kann etwa entstehen, wenn Werbebehauptungen etwas Selbstverständliches in einer Weise hervorheben, dass der Adressat der Werbung hierin einen besonderen Vorzug der beworbenen Ware oder Leistung vermutet. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn gesetzlich vorgeschriebene Eigenschaften oder zum Wesen der angebotenen Ware oder Leistung gehörende Umstände derart besonders hervorgehoben werden, dass der angesprochene Verkehr darin irrtümlich einen Vorteil sieht, den er nicht ohne weiteres, insbesondere auch nicht bei Bezug der gleichen Ware oder Leistung bei einem Mitbewerber, erwarten kann.

Ein solches oder rechtlich gleichwertiges Verhalten war dem beklagen Edelmetallhändler jedoch nicht vorzuwerfen:

„Die Revision rügt ohne Erfolg, […] die Werbung mit der freiwilligen Sonderleistung (kostenlose Schätzung der zum Kauf angebotenen Artikel) vermittle den Werbeadressaten den Eindruck, der Goldankauf durch die Beklagte sei besonders vorteilhaft, weil Mitbewerber vom Kaufpreis noch die für die Schätzung des Werts anfallenden Kosten abzögen. […]

Die Werbung mit dem Hinweis „kostenlose Schätzung“ umfasst nicht nur die Fallgestaltung, dass der Wert eines der Beklagten zum Kauf angebotenen Gegenstands vor Abgabe eines Ankaufgebots kostenfrei ermittelt wird. Diese Schätzung muss die Beklagte schon deshalb vornehmen, um dem potentiellen Kunden einen konkreten Preis für den Fall eines Ankaufs nennen zu können. Dass diese Wertermittlung kostenlos erfolgt, ist eine Selbstverständlichkeit und wird von einem durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher auch ohne weiteres erkannt, so dass eine Irreführung bereits von vornherein ausscheidet.

Die von der Klägerin beanstandete Werbung der Beklagten erstreckt sich ihrem Wortlaut nach auch auf den Fall, dass die Beklagte von einem Verbraucher, der keine Verkaufsabsicht hat, um eine Schätzung gebeten wird, weil er erfahren möchte, wieviel ein bestimmter Gegenstand wert ist. […] Auch wenn es sich bei der Schätzung des Wertes einer zum Kauf angebotenen Sache um eine üblicherweise von Edelmetallankäufern unentgeltlich vorgenommene Leistung handelt, bleibt es doch gerade in den Fällen, in denen die Wertermittlung unabhängig von einer Verkaufsabsicht des Verbrauchers erfolgt, eine freiwillige Sonderleistung der Beklagten, die nicht als selbstverständlich angesehen werden kann und daher auch nicht mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Angabe oder mit einem zum Wesen der Ware gehörenden Umstand vergleichbar ist.“

Es komme hinzu, dass es sich bei dem in Rede stehenden Angebot um eine unentgeltliche Leistung handele, die zumindest dann, wenn ein Vertragsschluss mit der Beklagten nicht beabsichtigt sei, nicht der Beklagten, sondern nur dem nachfragenden Verbraucher diene. Auf eine solche freiwillige, für einen Verbraucher nicht mit finanziellen Risiken verbundene Leistung müsse der Anbieter auch dann werbend hinweisen dürfen, wenn er sie nicht allein gewähre, sondern eine entsprechende Übung auch bei seinen Mitbewerbern bestehe. (pu)

(Gold bar © Amped – Fotolia)

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