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„Fassung geschenkt“: Keine wettbewerbsrechtlich unzulässige Werbung

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„Fassung geschenkt“: keine unzulässige Werbung
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Die Werbeanzeige eines Optikers „Fassung geschenkt“ stellt keinen Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) dar.

Dies jedenfalls dann nicht, wenn für den Durchschnittsverbraucher aus der Aussage ersichtlich ist, dass es sich bei dem kostenlosen Angebot um Teil eines einheitlichen Gesamtangebots handelt (OLG Nürnberg, Urt. v. 11.12.2018, Az. 3 U 881/18).

Zum Sachverhalt

Die Beklagte, eine Optikerin, warb auf ihrer Internetseite mit einer mit Geschenkband umwickelten Brillenfassung. Darunter stand, mit einem Sternchen versehen:

„Fassung geschenkt. (…)  Ab Glaspaket Gold gibt’s die Fassung gratis!“.

Am Ende der Webseite stand folgende Erläuterung:

„Hinweis zu unseren Angeboten: Aktion Fassung geschenkt: Angebot gültig für alle Fassungen beim Kauf einer Brille in Sehstärke ab Glaspaket-Gold. Nur für die erste Brille anwendbar. Der Wert der Fassung wird erst im Warenkorb abgezogen.“

Der Kläger sah darin eine unzulässige Werbegabe nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG,  weshalb die Werbeanzeigen nach §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 7 HWG unlauter seien.

Unzulässige kostenlose Zuwendungen im Sinne des § 3 Abs. 3 UWG

Nach Nr. 21 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG stellt das Angebot einer Ware oder Dienstleistung als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder dergleichen eine unzulässige geschäftliche Handlung dar, wenn hierfür gleichwohl Kosten zu tragen sind. Es handelt sich dabei um einen Sonderfall der Irreführung über die Berechnung des Preises.

Entscheidend ist, ob der Verbraucher die konkrete Werbung tatsächlich als „gratis“-, „umsonst“- oder als „geschenkt“-Angebot ohne Kostentragungspflicht versteht, oder ob ihm aufgrund der in der Werbung vorgenommenen Aufklärung hinsichtlich des Angebotsinhalts bewusst wird, dass ein kostenpflichtiges Gesamtangebot gerade ohne Gratis-Charakter vorliegt (OLG München, Urteil v. 16.07.2016, Az. 6 U 4300/15).

Verurteilung zur Unterlassung in der Vorinstanz

In der Vorinstanz (LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 19.04.2018, Az. 3 HK O 228/18) wurde die Beklagte verurteilt, es unter Androhung eines Ordnungsgeldes zu unterlassen, in Werbebeilagen, Zeitungsanzeigen, im Internet und/oder auf sonstigen Werbeträgern zu Zwecken des Wettbewerbs für den Kauf von Korrektionsgläsern mit dem Hinweis „Fassung geschenkt“ zu werben oder werben zu lassen. Zur Begründung führte das LG aus, dass es sich bei der in der angegriffenen Werbung angepriesenen geschenkten Fassung um eine Werbegabe i. S. v. § 7 Abs. 1 S. 1 HWG handele, weshalb die Werbeanzeigen nach §§ 3, 3a UWG i.V.m. § 7 HWG unlauter seien. Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein.  

Berufungsurteil OLG Nürnberg: Keine verbotene Werbegabe

Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass die streitgegenständlichen Werbeanzeigen nicht nach Nr. 21 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG unzulässig seien.

Es liege keine Täuschung oder unzureichende Information der Verbraucher vor. Denn unter Berücksichtigung der „Sternchenhinweise“ („Gültig für alle Fassungen beim Kauf einer Brille oder Sonnenbrille in Sehstärke ab Glaspaket Gold“) versteht der verständige und aufmerksame Durchschnittsverbraucher die Werbung dahingehend, dass ein Gesamtangebot, welches aus einer Brillenfassung samt Gläsern besteht und der Verbraucher ab dem Glaspaket-Gold die Fassung nicht zahlen muss, kostenpflichtig beworben wird.

Die Werbung sei auch nicht nach § 3a UWG i. V. m. der Marktverhaltensregel des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG unlauter. Denn bei der in den angegriffenen Werbungen angepriesenen „geschenkten Fassung“ handele es sich nicht um eine Werbegabe i. S. v. § 7 Abs. 1 S. 1 HWG.

Der Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes ist nur für die Brille insgesamt – als funktionale Einheit bestehend aus Brillenfassung und Gläsern – eröffnet, während die Brillenfassung selbst nicht der Vorschrift des § 7 HWG unterfällt.

Nach der Auffassung des Gerichts, stelle die geschenkte Brillenfassung aus der Sicht des objektiven Betrachters deshalb lediglich Teil eines einheitlichen vergünstigten Gesamtpackets dar (einer Brille bestehend aus Brillengläsern und Fassung) und keine losgelöste Zuwendung. Es handle sich mithin um eine einheitliche Vergünstigungsaktion beim Kauf einer Brille. Es liege deshalb kein Fall der unzulässigen Werbegabe i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG  vor.

Fazit

Die Rechtsprechung macht insbesondere deutlich, dass für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Werbung stets eine konkrete Betrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls durchgeführt werden muss. Grundsätzlich ist die Vergabe von Warenproben, geringwertigen Zuwendungen oder Rabatten nicht untersagt. Liegt jedoch eine Unverhältnismäßigkeit vor, so handelt es sich um unlautere Werbung. 

Eine unzulässige Werbung führt dabei zu einer erheblichen finanziellen Belastung für den Werbenden.  Zum einen drohen wettbewerbsrechtliche Beanstandungen, insbesondere Abmahnungen mit entsprechenden Aufforderungen zur Abgabe strafbewehrter Unterlassungserklärungen, Auskunftsansprüche, Schadensersatzansprüche und bei vorsätzlichem Handeln unter bestimmten Voraussetzungen Gewinnabschöpfungsansprüche sowie ggf. auf die Durchsetzung dieser Forderungen gerichtete einstweilige Verfügungsverfahren vor Gericht.

Vor diesem Hintergrund raten wir dringend dazu, sich mit den einschlägigen Regelungen des UWG eingehend auseinandersetzen und die dortigen Vorgaben sorgfältig zu beachten.

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