Berechnung des Lizenzschadens wenn GEMA keinen Tarif erstellt hat
Der BGH hat sich in einer nicht mehr ganz taufrischen, aber soeben veröffentlichten Entscheidung (BGH, Urteil vom 27.10.2011 – I ZR 175/10) dazu geäußert, wie der Lizenzschaden zu berechnen ist, wenn die GEMA trotz Häufigkeit gleichartiger Veranstaltungen für einen bestimmten Veranstaltungstypus keinen Tarif erstellt hat.
Sachverhalt
Eine Tochtergesellschaft der Stadt Bochum hatte mehrere Straßenfeste veranstaltet, beispielsweise den vom BGH in ironische Anführungszeichen gesetzten „Weihnachtsmarkt“. Noch in der Berufungsinstanz (OLG Hamm, Urteil vom 7.9.2010 – I-4 U 37/10) kam der Weihnachtsmarkt ohne ironische Anführungszeichen aus.
Im Rahmen dieser Veranstaltungen fanden auch Musikaufführungen statt. Ein ursprünglich bestehender Rahmenvertrag, demnach die GEMA die Veranstaltungen im Nachhinein abrechnet, war gekündigt worden. Die Veranstalterin hatte die Veranstaltungen nur wenige Tage vor Veranstaltungsbeginn der GEMA gemeldet, so dass diese nicht mehr rechtzeitig ihre Einwilligung zur Aufführung geben konnte. Im Nachhinein verlangte die GEMA nun Schadensersatz nach (dem heutigen) § 97 Abs. 2 UrhG. Die Beklagte war sportlich und beantragte Klageabweisung. Ob sie der Ansicht war, für die Aufführung der Werke anderer gar nicht zahlen zu müssen, bleibt im BGH-Urteil unklar.
Einige „Ässe“ im Armel
Die Beklagte hatte einige Argumente im Ärmel. So sei es rechtsmissbräuchlich von der GEMA, Schadensersatz zu verlangen, wenn auf den Antrag zur Genehmigung nicht reagiert wurde; wer so spät anmeldet, ist selber Schuld, sagt dazu BGH.
Hauptargument der Beklagten in den Rechtsmittelinstanzen war es aber, dass der Schadensersatz falsch berechnet worden sei. Der BGH hat erneut bestätigt, dass der Geschädigte einer Urheberrechtsverletzung als Ersatz den Lizenzschaden, also eine angemessene Lizenzgebühr, verlangen kann.
Nun hatte die GEMA, was nicht ganz von der Hand zu weisen war, trotz der uns als Kölner Kanzlei nicht gänzlich unbekannten Häufigkeit von Straßenfesten damals noch kein Tarifwerk für Freiluftveranstaltungen erarbeitet, obwohl § 13 UrhWG sie dazu verpflichtet, für gewisse Fallklassen Tarife aufzustellen. Der BGH hat aber entschieden, dass dieses Versäumnis der GEMA nicht dazu führt, dass der Urheberrechtsverletzer sich darauf berufen kann, und nun, wie offenbar von der Beklagten erdacht, gar keinen Schadensersatz zahlen muss. Vielmehr sein ein Rückgriff auf ähnliche Tarifklassen weiterhin möglich.
Stadt Bochum hält nicht viel vom Urheberrecht
Im Übrigen war es auch unerheblich, dass die Veranstalterin keinen Gewinn mit den Veranstaltungen gemacht habe. Grundlage der Berechnung des Lizenzschadens sei das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, und die Aufführung musikalischer Werte sei ein geldwerter Vorteil. Auch an dieser Stelle kann der Argumentation der Beklagten ein gewisser sportlicher Ehrgeiz nicht abgesprochen werden. Man stelle sich mal vor, die Veranstalterin hätte mit ihren Straßenfesten die Vorgärten und Gartenmöbel der Anwohner (rechtswidrig und schuldhaft) verwüstet. Auch dort wäre es wohl kein gutes Gegenargument gegen die Schadensersatzpflicht zu sagen, man habe dabei kein Gewinn gemacht. Warum dies bei Urheberrechtsverletzungen nach Ansicht der Beklagten anders sein soll, ließ das Urteil nicht erkennen. (JJB)
(Bild: © slop – Fotolia.com)