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Focus Markenrecht
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BGH: Regelmäßig kein Anspruch auf Entschädigung wegen ehrverletzender Äußerungen in einem Gerichtsverfahren

Greift nicht immer zu Gunsten des Bürgers: Die Unschuldsvermutung

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil v. 28.02.2012, Az. VI ZR 79/11) hat in einem jüngst veröffentlichten Urteil entschieden, dass eine Klage auf Entschädigung wegen ehrschädigender Äußerungen unzulässig aufgrund mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses des eventuell Verletzten ist, wenn die ehrschädigenden Äußerungen im Rahmen eines vom Verletzten selber angestrengten vorherigen zivilrechtlichen Verfahren gefallen sind.

Sachverhalt

Der eventuell Verletzte und jetzige Widerkläger hatte im Rahmen einer Widerklage seine Versicherung auf Entschädigung wegen ehrverletzenden Behauptungen in Anspruch genommen. Diese Äußerungen waren Teil des Vortrages der Versicherung im Vorprozess. Dem Vorprozess selber lag ein heikler Sachverhalt zugrunde:

Der Widerkläger hatte bei seiner Versicherung einen Vertrag über eine Lebensversicherung abgeschlossen. Versicherte war seine Ehefrau. Am 1.1.2004 kam die Ehefrau des Widerklägers aus nicht näher geklärten Umständen bei einem Badeunfall im Urlaub mit dem Widerkläger in Vietnam um. Auf Bitten des Widerklägers wurde sie nicht obduziert, der Leichnam wurde unmittelbar eingeäschert, der Verbleib der Asche ist ungeklärt. Das unter anderem auf Betreiben der Versicherung angestrengte Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wurde mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.

Daraufhin kam es zwischen dem Widerkläger und der Versicherung zum Rechtsstreit darüber, ob die Versicherung deshalb von der Zahlung der Lebensversicherungssumme frei sei, weil der Widerkläger den Versicherungsfall, den Tod seiner Ehefrau, selber herbeigeführt hatte. Im anschließenden Zivilprozess entschied das erstinstanzliche Gericht, dass der Widerkläger den Tod seiner Ehefrau selber herbeigeführt hat. Das Berufungsgericht hingegen entschied, dass die Versicherung den Beweis dafür schuldig geblieben sei.

Recht auf rechtliches Gehör erlaubt es auch, strafrechtlich Belastendes vorzutragen

Der BGH hat nun entschieden, dass es mit dem Recht auf rechtliches Gehör nicht vereinbar ist, wenn eine Partei befürchten muss, dass ihr Sachvortrag dazu führt, dass sie in einem Folgeprozess auf Entschädigung wegen ehrverletzender Äußerungen in Anspruch genommen wird, jedenfalls dann, wenn die Äußerungen nicht offensichtlich unwahr sind, und zu der Sache beitragen. Dies sei vorliegend der Fall gewesen. Der Vortrag der Versicherung, der Widerkläger habe den Tod seiner Frau selber herbeigeführt, hing mit der Frage der Auszahlungspflicht der Versicherung zusammen. Unbeachtlich sei, ob der eventuell ehrverletzende Vortrag überhaupt beweisbar sei. Ebenfalls könne ein Rechtsschutzbedürfnis nicht dadurch begründet werden, dass die Versicherung die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegenüber der Staatsanwaltschaft in Gang gebracht hat. Insoweit habe die Versicherung von ihrem „staatsbürgerlichen Recht“ Gebrauch gemacht.

Richtige Entscheidung des BGH

Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen. Folge der Unschuldsvermutung ist es eben auch, dass nach der Konzeption des Gesetzes am Bürger, gegen welchen ein Strafverfahren eingestellt wird, kein „Makel hängenbleibt“. Dann kann es aber auch keine Schadensersatzpflicht begründen, wenn in einer Auseinandersetzung in der Sache ein nicht offensichtlich unbegründeter Verdacht einer Straftat geäußert wird. (JJB)

(Bild: © Gina Sanders – Fotolia.com)

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